„Viele Betriebe sorgen sich um ihre Existenz“
Interview mit Dr. Michael Kant, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA Baden-Württemberg e.V. Geschäftsstelle Karlsruhe.
Dr. Michael Kant, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA Baden-Württemberg e.V. Geschäftsstelle Karlsruhe.
© Dr. Michael Kant
Herr Dr. Kant, zwei Jahre Corona: Wie fällt die Bilanz im Bereich der Hotellerie und Gastronomie aus?
Dr. Michael Kant, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA Baden-Württemberg e.V. Geschäftsstelle Karlsruhe.
© Dr. Michael Kant
Es ist sicherlich kein Geheimnis, dass sich die Situation des Gastgewerbes, das von Beginn der Pandemie an in besonderer Weise von den Restriktionen der Corona-Regeln und den damit verbundenen wirtschaftlichen Auswirkungen betroffen gewesen ist – und das ist nach wie vor der Fall! – insgesamt als sehr ernst darstellt.
Dies zeigen auch die Ergebnisse einer aktuellen DEHOGA-Umfrage, an der sich vom 31. Januar bis 4. Februar bundesweit mehr als 7000 Mitgliedsbetriebe – darunter mehr als 1600 aus Baden-Württemberg – beteiligt haben.
Wie sieht demnach die aktuelle Situation in der Branche aus?
Die Umfrage-Ergebnisse aus Baden-Württemberg illustrieren in bedrückender Anschaulichkeit: Die Umsatzentwicklung lag im Januar 2022 weit unterhalb der Normalität. Auf die Frage „Wie hat sich Ihr Umsatz im Januar 2022 im Vergleich zum Januar 2019 entwickelt?“, ergab sich bei der Umfrage ein Durchschnittswert von minus 49 Prozent!
Viele Betriebe sorgen sich um ihre Existenz: 62,7 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Betriebe aus Baden-Württemberg gaben an, dass sie ihren Betrieb aktuell in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet sehen. Zahlreiche Beschäftigte im Gastgewerbe befinden sich in Kurzarbeit: 52,8 Prozent der Umfrageteilnehmenden aus Baden-Württemberg gaben an, im Januar Kurzarbeitergeld für Beschäftigte beantragt zu haben, 54,3 Prozent erklärten, dies auch für Februar zu tun. Der Anteil der Beschäftigten, für die Kurzarbeit beantragt wurde, wurde von den Umfrageteilnehmenden mit durchschnittlich 42 Prozent angegeben.
(Freiwillige) Schließungen wegen Unwirtschaftlichkeit: 23,4 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen gaben an, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb in der aktuellen Lage nicht für sie nicht möglich ist und dass sie aus diesem Grund den Betrieb geschlossen halten.
In der Umfrage wurden die Unternehmer ebenso gefragt, was sie aktuell als besonders relevant für die Zukunftssicherung ihrer Betriebe erachten. Bei den genannten Maßnahmen steht an vorderster Stelle die Entfristung der Mehrwertsteuersenkung auf Speisen (75,7 Prozent), um die Ertragskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken.
Besonders hat es in der Pandemie diejenigen getroffen – und das ist eine Vielzahl der Unternehmen im Gastgewerbe – die die bewirtschafteten Räumlichkeiten gemietet oder gepachtet haben. Monatlich anfallende große Kostenpositionen wie Mieten und Pachten sind natürlich ein erhebliches Problem, wenn entsprechende Umsätze aufgrund rechtlicher und tatsächlicher Beschränkungen nicht erwirtschaftet werden können!
Wie sehen die Forderungen des DEHOGA konkret aus?
Der DEHOGA fordert Perspektiven für die Branche und Nachbesserungen bei den staatlichen Unterstützungsmaßnahmen. Bitter nötig war die Entscheidung der Politik, dass das erhöhte Kurzarbeitergeld bis zum 30. Juni fortgeführt werden soll und die maximale Bezugsdauer von 24 auf 28 Monate ausgeweitet wird. Wenn trotz hoher Inzidenzen keine Überlastung des Gesundheitssystems mehr droht, müssen die Zugangsbeschränkungen im Gastgewerbe wegfallen, damit die Betriebe ohne Einschränkungen arbeiten und das beginnenden Frühjahr zur wirtschaftlichen Erholung nutzen können.
Gibt es auch Gewinner der Pandemie?
Findige Unternehmer haben teilweise erfolgreich neue Geschäftsideen und -konzepte umsetzen können. So haben einige Unternehmer in Zeiten der Corona-Pandemie erfolgreich Lieferdienst und Abholung der Speisen zum Verzehr daheim eingeführt, die dies vor der Pandemie nicht oder nicht in diesem Umfang praktiziert haben. Mir fällt da die Firma DeliBurger aus Karlsruhe ein, die nicht nur eine spezielle Außengastronomie eingerichtet haben, sondern die ihre Mitarbeitenden während der Lockdowns als Essenskuriere eingesetzt haben. Auch Sören Anders vom Restaurant Anders auf dem Turmberg war kreativ und hat beispielsweise eine Online-Kochschule ins Leben gerufen.
Doch haben Unternehmer natürlich nicht in jedem Fall Erfolg mit neuen Konzepten gehabt, und in vielen Betrieben ließen sich solche völlig neuen Konzepte auch nicht umsetzen.
Wie sieht es mit Nachwuchssorgen in der Branche aus?
Es ist generell nicht einfach, Fachkräftenachwuchs für unsere Branche zu finden. Die Ausbildungszahlen sind in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. In der aktuellen Pandemie-Situation stellt sich die Gewinnung junger Menschen für das Gastgewerbe als umso herausfordernder dar. Die Corona-Pandemie hat neben dem Fachkräftemangel auch die Suche nach Nachwuchskräften klar verschärft.
„Aus Sicht des DEHOGA ist die volle Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge rückwirkend zum 1. Januar 2022 unbedingt nötig.“
Nikola Kovacic, Inhaber des La Cubanita in Ettlingen und 1. Vorsitzender des DEHOGA Kreis Karlsruhe