"Evolution statt Revolution"

Der Leitsatz von Matthias Kreibich lautet: „Wenn etwas Spaß macht, dann wird es gut.“ Dieses Lebensmotto gibt der Vorstandsvorsitzende des Badischen Gemeindeversicherungs-Verbands und der BGV-Versicherung AG nicht nur seinen Söhnen mit auf den Weg ins Leben, sondern auch seinen 780 Mitarbeitenden. Ihnen möchte er die Gelegenheit bieten, sich den jeweiligen Interessen und Talenten entsprechend im Unternehmen einzubringen.“
Spaß macht Kreibich selbst vor allem der Ausbau von Netzwerken. Dafür ist seine Tätigkeit für die IHK Karlsruhe, die er von seinem Vorgänger Prof. Edgar Bohn „geerbt hat“, eine hervorragende Gelegenheit. Das Gremium biete eine perfekte Plattform, um regionale Anliegen in einem branchenübergreifenden Kontext zu diskutieren. Kreibich übernimmt nicht nur den Vorsitz des Versicherungsausschusses, sondern kandidiert auch für die IHK-Vollversammlung. Dort tritt er in die Fußstapfen von Bohn und dessen Vorgänger Heinz Ohnmacht. Sein Ziel: Impulse geben, Netzwerke ausbauen und Themen setzen. „Der intensive Austausch unter den Mitgliedern des Versicherungsausschusses, aber auch der Vollversammlung, ist äußerst wertvoll.“
Die Versicherungswirtschaft stehe aktuell unter enormem Druck. Für Kreibich ist klar: „Alleine ist es schwer, den Herausforderungen der Branche zu begegnen. Über die IHK aber können wir gemeinsam Dinge anstoßen. Gerade beim Thema Bürokratieabbau oder der Weiterentwicklung von Ausbildung und Qualifizierung.“ Ein besonderes Anliegen ist ihm der IHK-Versicherungstag am 3. Juli, den er als alle zwei Jahre stattfindende Dialogplattform unbedingt beibehalten möchte: „Es geht nicht um eine Selbstdarstellung der Branche, sondern um einen offenen Austausch über Branchengrenzen hinweg. Daher werden bewusst Themen gewählt, die für viele Branchen relevant sind – dieses Mal die Arbeitswelt der Zukunft“.
Ein Thema, das Ehrenamt und berufliche Tätigkeit verbinde, sei Überregulierung und Bürokratie. „Hier kann sich die IHK landes- und bundesweit bei Politik und Gesellschaft einsetzen, um Abbau und Vereinfachungen zu erwirken.“ Für die meist komplexen, versicherungsspezifischen Themen ist Kreibich darüber hinaus in Branchenverbänden aktiv.
Seit dem 1. Januar 2025 steht Kreibich an der Spitze des BGV in Karlsruhe. Wie sieht es in seiner Branche nach Corona und in Zeiten globaler geopolitischer Veränderungen aus? „Die Herausforderungen für die Versicherungswirtschaft sind vielfältig. Die Branche ist im Umbruch, geprägt von regulatorischem Druck, steigendem Wettbewerb und sich wandelnden Kundenbedürfnissen“, so der Vorstandsvorsitzende. Im Geschäftsjahr 2024 habe die Versicherungsgruppe trotz herausfordernder Rahmenbedingungen ein insgesamt sehr zufriedenstellendes Geschäftsergebnis erzielen können. Die gebuchten Beiträge stiegen um fast sieben Prozent auf 464,5 Millionen Euro. Die Aufwendungen für Schadenfälle zogen dagegen sogar um knapp zwölf Prozent an und erhöhten sich auf 347,6 Millionen Euro. Die Zahl der gemeldeten Schäden blieb mit 123.000 nahezu konstant. Unterm Strich ergibt sich ein zufriedenstellender Jahresüberschuss von 8,1 Millionen Euro.
„Der BGV hat sich stabil entwickelt und steht sehr solide da“, erklärt Kreibich. „Mit dem vorliegenden Ergebnis haben wir unsere Planungen und Erwartungen sogar leicht übertroffen.“
Aktuelle Rahmenbedingungen
In der Digitalisierung sieht Kreibich neue Chancen, aber auch neue Erwartungen: „Die Menschen sind durch Plattformen wie Amazon gewohnt, alles schnell und transparent zu erhalten. Diese Mentalität überträgt sich auch auf unsere Branche.“ Der BGV arbeite deshalb an digitalen Lösungen, ohne die persönliche Beratung aus dem Blick zu verlieren. „Wir leben vom Vertrieb und von der engen Kundenbindung. Eine individuelle Rundumberatung, auch per Video, ist für uns entscheidend. Wir wollen, dass Menschen schlussendlich nur Produkte abschließen, die auch wirklich zu ihrer Lebenssituation passen. Das fördern wir durch den persönlichen Kontakt.“
Auch Klimawandel und Nachhaltigkeit beschäftigen das Unternehmen zunehmend. Kreibich spricht von einer „neuen Risikoperspektive“. Heute wird nicht mehr nur gefragt, ob ein Haus an einem großen Fluss liegt, sondern auch geprüft, wie weit der nächste Bach entfernt ist oder ob Starkregen zum Problem werden kann.
Nachhaltigkeit wird beim BGV gelebt: „Wir investieren in sicherheitsorientierte Kapitalanlagen und sind beispielsweise an der TransnetBW beteiligt“, erklärt Kreibich. Auch in der Schadenregulierung werde umgedacht: „Wir ersetzen in bestimmten Fällen nicht mehr nur den Neuwert, sondern unterstützen auch Reparaturen.“ Stolz ist der Vorstandsvorsitzende auch auf das neue firmeneigene Solardach, das gemeinsam mit der bereits bestehenden PV-Anlage neun Prozent des internen Strombedarfs liefert. In der Kfz-Versicherung sieht Kreibich eine herausfordernde Entwicklung: Die Schäden gingen während der Corona-Zeit zwar deutlich zurück, doch inzwischen sind die Werkstattkosten gestiegen, Personal fehlt und die Energiepreise sind hoch. Die Rentabilität sei daher noch nicht wieder erreicht.
Strategische Neuausrichtung
Im BGV selbst hat Kreibich eine strategische Neuausrichtung angestoßen, die er als „Evolution statt Revolution“ beschreibt. Die Struktur des Hauses mit den drei zentralen Kundengruppen Kommunen, Privatkunden sowie kleine und mittlere Unternehmen wird konsequent weiterentwickelt. „Wir wollen unsere Steuerung verbessern und Verantwortung noch klarer verankern.“
Die Unternehmenskultur des BGV beschreibt der Vorstandsvorsitzende als „etwas Besonderes“. Sie bedürfe keiner grundlegenden Änderung. Sein Führungsverständnis setzt vielmehr auf Ergebnisorientierung, Offenheit und Veränderungsbereitschaft: „Manchmal passt eine Aufgabe einfach nicht mehr zum aktuellen Lebensabschnitt. Das muss dann offen und ehrlich besprochen werden.“ Gleichzeitig sollen Freiräume und klare Verantwortungsbereiche für Orientierung sorgen. Ein Beispiel für die Identifikation mit dem Unternehmen: Zahlreiche Mitarbeitende haben sich jüngst bei einer internen Porträt-Aktion für das Intranet, aber auch für den privaten Gebrauch, fotografieren lassen. Viele davon sind seit über 20 Jahren Teil des Unternehmens.
Der BGV legt außerdem einen Schwerpunkt auf die eigene Ausbildung junger Talente: Über 30 Azubis und Duale Studierende sind beim Unternehmen beschäftigt.
Wichtig ist Kreibich, dass Führung nicht über die Anzahl der Mitarbeitenden definiert wird, sondern über die Aufgaben. Im BGV gibt es zwei bis drei Führungsebenen unterhalb des Vorstands, Silos sollen bewusst vermieden werden. Der regelmäßige Austausch, etwa beim quartalsweisen Mitarbeiterfrühstück oder beim Afterwork wie zuletzt zur Feier des Erreichens der 500-Millionen-Euro-Grenze bei den Beitragseinnahmen, gehört für Kreibich zur Unternehmenskultur. Ebenso wie das Bekenntnis zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben: Das Unternehmen wurde bereits zum dritten Mal mit dem Audit „Beruf und Familie“ ausgezeichnet. Vor kurzem wurden auch Lebensarbeitszeitkonten eingeführt. „Wir öffnen damit eine Tür. Ob jemand hindurchgeht, ist den Mitarbeitenden überlassen.“
Kreibichs eigenes Privatleben findet in Ludwigshafen statt. Er ist seinem Geburtsort treu geblieben, fühlt sich aber auch in der Region Karlsruhe längst zuhause. Nach dem Studium der Wirtschaftsmathematik verschlug es ihn direkt in die Versicherungsbranche. Nach verschiedenen Stationen in Düsseldorf und Mannheim führte Kreibichs Weg 2022 nach Karlsruhe. „Ich hatte auch ein Angebot aus Berlin vorliegen, aber Karlsruhe war für mich eindeutig die erste Wahl und ich bin glücklich damit.“
Claudia Nehm
IHK Karlsruhe
Bereich Kommunikation
Presse, Chefredaktion WIMA, Vereinbarkeit von Beruf und Familie