Bruchsaler Firma CarMedialab mit Außenministerin im Senegal

Beziehung auf Augenhöhe gefordert

Außenministerin Annalena Baerbock besuchte im Juli 2024 mit einer Wirtschaftsdelegation den Senegal. Das Geschäftsklima dort hat sich nach der Wahl im März dieses Jahres deutlich stabilisiert. Die neue Regierung muss nun einen Wachstumspfad einschlagen und verstärkt Arbeitsplätze schaffen. Mit einer in die Kritik geratenen französischen Wirtschaftsdominanz hoffen andere Länder auf intensivere Geschäfte. Deutschland liegt als Handelspartner aktuell auf Platz 12 und ist somit deutlich unterrepräsentiert. Genügend Potenzial also, hier aufzuholen.
Teil der Wirtschaftsdelegation war Henri Depe Tchatchu, Geschäftsführer der Bruchsaler Firma CarMedialab, Tochterunternehmen von INIT. Das Softwareunternehmen hat sich auf Elektromobilität im öffentlichen Personennahverkehr spezialisiert. Die Software überwacht und steuert die gesamten Ladevorgängen von Elektrobussen in Echtzeit, ermöglicht Kosteneinsparungen und verlängert die Lebensdauer der Batterien. Unsere WIMA-Redaktion hat mit Henri Depe Tchatchu gesprochen und Hintergründe zu CarMedialab, zur Wirtschaftsdelegation und den Einsatz von Elektrobussen in Afrika erfahren.


Herr Depe Tchatchu, man staunt zunächst, wenn man über Elektrobusse in Afrika liest. Wie würden Sie den Stand der technischen Infrastruktur dort beschreiben?
Wir sind hier erst am Anfang im Senegal. In Afrika insgesamt gibt es nicht so viele Länder, die Elektrobusflotten betreiben. Deshalb ist das Projekt in Senegal für den gesamten Kontinent so innovativ. Der Bedarf an öffentlichem Personennahverkehr in Afrika ist sehr groß. Insgesamt betreten wir hier noch Neuland, was gleichzeitig eine großartige Chance bietet, unsere Stärken und Fähigkeiten gezielt einzubringen.
Wie ist aktuelle Situation im öffentlichen Nahverkehr in Afrika? Welche Potenziale gibt es für die kommenden Jahre?
In den meisten Ländern Afrikas ist der ÖPNV aufgeteilt in staatliche und private Betriebe. Allerdings ist die Situation anders als man sie bei uns in Deutschland kennt. In vielen Fällen handelt es sich um kleine private Betriebe, die lediglich einen einzigen Bus betreiben, während es auch Unternehmen mit mehreren Dutzend Fahrzeugen gibt. Gemeinsam haben sie jedoch häufig eine mangelnde Organisation, unzureichende Kundenorientierung und ineffiziente Planung. Dabei besteht gerade in den großen Metropolen ein erheblicher Bedarf an besseren Lösungen. Abgesehen von Dakar im Senegal gibt es beispielsweise in Kenia und Ruanda Elektrobusflotten, die derzeit als Testprojekte betrieben werden.
Die Urbanisierung in vielen Städten nimmt rasant zu, was den Bedarf an optimalen und zukunftsfähigen Systemen mit sich bringt. Gleichzeitig entstehen zahlreiche Großprojekte, die darauf abzielen, Leben der Menschen einfacher und funktionaler zu gestalten.
Wissen die Verantwortlichen dort, was es braucht, um dieses Ziel zu erreichen oder sind sie noch nicht so weit?
In Afrika gibt es 54 Länder mit unterschiedlichen Problemen. In Großstädten wie Lagos oder Nairobi mit mehreren Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist diese Problematik aber allgegenwärtig. Ich glaube, dass in den meisten großen Metropolen die Entscheidung eigentlich schon gefallen ist, dass die Verkehrssysteme modernisiert und angepasst werden müssen, um dieses Aufkommen an Passagieren bedienen zu können.
Beschreiben Sie doch einmal Ihre Eindrücke von der Reise? Wir war es in Begleitung der Außenministerin zu reisen?
Auf jeden Fall ist es ein großer Unterschied, ob man als Privatperson oder in einer Delegation des Ministeriums reist. Man begegnet andere Persönlichkeiten und spürt, dass politisch viel in Bewegung ist. Auf Deutschland wird ganz genau geschaut, auf das, was wir machen und was wir nicht machen, was wir sagen oder nicht sagen. Die Erwartungen sind immens – wirtschaftlich und sozial. Deutsche Technologie ist dort immer noch sehr geschätzt. Der Begriff „Made in Germany“ ist in Afrika noch etwas wert. Der Bedarf ist da, aber die Menschen dort fordern eine Beziehung auf Augenhöhe, von der beide Seiten profitieren. Das war mein Eindruck. Es sind sehr selbstbewusste Personen, die sich nicht alles diktieren lassen wollen, die mitentscheiden und ihre Zukunft selbst gestalten möchten.
Wie groß war die Delegation eigentlich? Wie war die Stimmung innerhalb der Reisegruppe?
Die Wirtschaftsdelegation bestand aus zehn kleinen und mittelständischen Unternehmen, meist aus den Bereichen Energie, Solar und Verpackung, die alle schon in Afrika tätig sind. Wir hatten gemeinsame Termine mit der Ministerin, waren aber bei den politischen Terminen natürlich nicht dabei. Die Stimmung war sehr konstruktiv in allen Bereichen. Mitarbeiter des Ministeriums waren sehr hilfsbereit und haben alles organisiert. Auch die Kontakte vor Ort waren offen und gesprächsbereit.
Wie war der Umgang mit der Ministerin?
Frau Baerbock war sehr offen und zugleich absolut professionell. Ich war beeindruckt, was für ein Pensum sie täglich absolviert. Von morgens bis abends jagte ein Termin den nächsten. Trotzdem nahm sie sich die Zeit mit Mitgliedern der Wirtschaftsdelegation Gespräche zu führen und konnte so, denke ich, gute Eindrücke durch die Reise bekommen. Es war sehr lehrreich, diese Erfahrung zu machen und Einblicke im politischen Umfeld zu gewinnen.
Wie sind Sie eigentlich nach Afrika gekommen? Wie haben Sie den ersten Auftrag erhalten?
Wir haben an einer Ausschreibung teilgenommen und wurden ausgewählt. Das Projekt ist von der Weltbank und der EU teilweise finanziert. Es war eine offene Ausschreibung, bei der Firmen aus der ganzen Welt teilgenommen haben. Wir wurden aufgrund unseres technischen Angebotes ausgewählt.
Im Nachgang haben wir einen direkten Vertrag unterschrieben, mit dem Betrieb, der den Verkehr der Elektrobusflotte in Dakar organisiert.
Abgesehen von Ihrem spannenden Engagement in Afrika sind sie ja breit aufgestellt. Wo sind sie denn sonst weltweit unterwegs?
Afrika bietet uns eine schöne Möglichkeit für vielversprechende Projekte, obwohl es bisher der Kontinent ist, auf dem wir am wenigsten präsent sind. Aktuell sind wir in mehr als 30 Städten weltweit auf vier Kontinenten aktiv. Von Dakar bis New York, von Barcelona in Spanien bis hin nach Australien. Auch in Deutschland sind wir in zahlreichen Städten vertreten, darunter Berlin, Darmstadt und Düsseldorf.
Vielleicht haben Sie ja ein paar Tipps zur grundsätzlichen Herangehensweise an neue Märkte?
Die Anforderungen variieren in diesem Bereich stark und hängen in erster Linie von den technischen und finanziellen Herausforderungen ab. Geografische Unterschiede spielen für unser Geschäft jedoch eine eher untergeordnete Rolle, da weltweit größtenteils die gleiche Technologie zum Einsatz kommt. Etwa 80 Prozent der Anforderungen sind überall ähnlich, während rund 20 Prozent lokal unterschiedlich ausfallen können.
Es ist inzwischen unbestritten, dass Elektrobusse in Innenstädten dazu beitragen, Emissionen und Lärm zu reduzieren und die Lebensqualität zu steigern. Viele Städte haben deshalb begonnen, ihre Flotten auf diese Technologie umzustellen. Die vollständige Umsetzung wird vermutlich noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Wir möchten diesen Wandel aktiv begleiten und dabei unsere technologische Marktführerschaft weiter festigen und ausbauen.
Info: manuel.neumann@karlsruhe.ihk.de
Bild: CarMedialab