Fehlzeiten aktiv managen

Führungskräfte müssen ihre Mitarbeitenden kennen
Deutschland ringt um den Fachkräftenachwuchs und gleichzeitig beschäftigt Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ein zunehmend hoher Krankenstand im Unternehmen. Laut statistischem Bundesamt waren Arbeitnehmende 2023 durchschnittlich 15,1 Tage krank gemeldet. Das ist ein Anstieg gegenüber 2021 von vier Tagen. Die Ursache für den Krankenstand ist vielschichtig. Mitunter können auch Umstände bei der Arbeit Auslöser für Fehlzeiten sein. Dabei kommt Manuel Fink ins Spiel. Er ist Metallbau-Meister, Betriebswirt und Trainer für Erwachsenenbildung, stieg vor 25 Jahren in die Personaldienstleistungsbranche ein. Seit 2010 ist Fink als Geschäftsführer der ProServ Produktionsservice und Personaldienste GmbH in Karlsruhe tätig. Und ebenfalls als Autor aktiv. Mit seinem Buch „Fehlzeiten aktiv managen“ nimmt er ein zentrales Thema der heutigen Arbeitswelt und die Führungskräfte von Unternehmen in den Fokus. Die WIMA-Redaktion hat Manuel Fink kennengelernt und ihn nach Lösungsansätzen und Zukunftswünschen gefragt.
Herr Fink, eine Aussage aus Ihrem neuen Buch lautet: „Der Krankenstand kommt und geht mit der Führungskraft“. Glauben Sie, dass mehr Führungskräfte Weiterbildung im aktiven Managen von Fehlzeiten benötigen?
Ja, davon bin ich sogar überzeugt. In Führungskräftetrainings und Workshops stelle ich immer wieder fest, dass es an Bewusstsein darüber fehlt, wie stark Fehlzeiten zu beeinflussen sind.
Nicht jede oder jeder ist vielleicht der geborene Leader. Hat der Anstieg des arbeitsbedingten Krankenstands Ihrer Meinung nach mit dem allgemeinen Fach- bzw. Arbeitskräftemangel zu tun? Das ist sicherlich ein Faktor, der dazu zählt. Es ist nachweislich, dass der Arbeits- und Fachkräftemangel zu Mehrbelastungen, Überstunden und Stress führt. Im Gesundheitswesen, beispielsweise in der Pflege, erleben wir, dass der Mangel an Arbeitskräften zu physischen und psychischen Mehrbelastungen führt, weshalb dort mit die höchsten Fehlzeiten existieren. Auch der Anstieg der psychischen Ausfälle um 48 Prozent in den vergangenen zehn Jahren über alle Branchen hinweg, spielt hier mit.
Was raten Sie Ihren Führungskräften, um Fehlzeiten zu vermeiden?
In erster Linie sollte man seine Mitarbeitenden und deren individuelle persönliche Situationen kennen. Je mehr man weiß, desto eher kann man ein eventuell auffälliges Fehlzeitenverhalten einordnen. Des Weiteren ist es wichtig, dass man bei jeder Abwesenheit versucht herauszubekommen, was der wirkliche Abwesenheitsgrund ist. Denn die Aussage „krank ist krank“, ist ein ungültiger Glaubenssatz und von den fünf möglichen Ursachen, sind nur zwei medizinisch bedingt.
Was sollte jede Führungskraft tun, wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer aus dem Krankenstand zurück zur Arbeit kommt.
Immer die Rückkehrenden begrüßen und signalisieren, dass es schön ist, sie oder ihn wiederzusehen. Für alle Mitarbeitenden und Menschen ist es wichtig, dass es wahrgenommen wird wenn man vom Urlaub oder von der Krankheit zurückkommt. Wenn das nicht erfolgt, kommt bei manchen der Gedanke auf, dass es sowieso egal ist, ob man da ist oder nicht - es fällt ja niemandem auf. Sprich: Man fühlt sich nicht gebraucht.
Dann einen Termin für ein Gesundheitsfördergespräch vereinbaren, wo man nochmals explizit über die Gesundheit, das allgemeine Wohlbefinden sowie über Optimierungspotenziale im Unternehmen sprechen kann.
Gibt es auch Aspekte, die Arbeitnehmende selbst verändern können?
Ein ganz wichtiger Faktor, den man selbst beeinflussen kann, ist das frühzeitige Kommunizieren bei Überlastungen oder gesundheitlichen Problemen. Denn dann kann der Arbeitgeber und die Führungskraft auch dabei helfen, gute Lösungen zu finden. Dabei, sowie beim Aufdecken von negativen betrieblichen Begebenheiten im Arbeitsumfeld, hilft eine offene Feedbackkultur und natürlich das strukturiert stattfindende Gesundheitsfördergespräch.
Gibt es aus Ihrer Sicht unterschiedliche Ansätze für erfahrene Arbeitnehmende im Gegensatz zu Auszubildenden?
Ja, aufgrund der demografischen Aspekte gibt es schon Unterschiede. Generell gilt: Ältere Mitarbeitende sind weniger, aber länger krank, jüngere sind kürzer, aber häufiger krank. Mit zunehmendem Alter steigt die Gefahr für Muskel-Skelett-Erkrankungen. Des Weiteren nehmen die Risiken für Herzinfarkt, Bluthochdruck und Diabetes zu. Ein weiterer Einflussfaktor ist die Haltung Älterer, dass man wegen eines Schnupfens nicht zu Hause bleibt.
Bei Auszubildenden muss mit Herausforderungen und Anpassungsschwierigkeiten an die neue Arbeitswelt gerechnet werden. Eine Arbeitsdisziplin gilt es erst noch zu erlernen und sich anzutrainieren. Wenn Azubis neu im Berufsleben starten, erhalten Sie oftmals nicht genug Klarheit und Feedback zu den Erwartungen. Je besser das Onboarding und die Betreuung zu Beginn, desto mehr Klarheit, Bindung und auch weniger Fehlzeiten.
Zudem ist es bei den Azubis wie bei allen Beschäftigten: Wenn sie bereits das Gefühl haben ihre Arbeit ist wichtig und trägt zum Unternehmenserfolg bei, zahlt auch dies auf geringere Fehzeiten ein.
Sie sagen, dass Unternehmen heutzutage mehr tun müssen als nur Demotivation zu vermeiden. Dazu könne Ihre R.U.F.®-Methode helfen. Bitte erläutern Sie uns diese Methode.
R.U.F. steht für „Reduzierung ungeplanter Fehlzeiten“ und hat seinen Ursprung im „Projekt RuF“ aus dem Jahr 2012. Das Projekt, das zunächst für neun Monate geplant war, entwickelte sich über die Jahre zu einer äußerst erfolgreichen Methode im Fehlzeitenmanagement, die einen doppelten Gewinn verspricht. Weil die Ergebnisse zum einen auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens einzahlen, zum anderen auf die mitarbeiterorientierten Aspekte, die sich beispielsweise in einer höheren Arbeitsmotivation, Steigerung der Gesundheit und der Unterstützung wirklich Erkrankter widerspiegeln.
Richtig angewandt, führt sie nicht selten zu einer Halbierung des Krankenstandes und oftmals zu einer 20 bis 50% geringeren Krankenquote als der jeweilige Branchendurchschnitt. Aber es gibt noch viele weitere positive Resultate, die auf unterschiedliche Bereiche im Unternehmen wirken.
Start- und Ausgangspunkt der vier Elemente ist immer das R.U.F.®-Training. Hierbei wird das Bewusstsein geschaffen, dass ungeplante Fehlzeiten eine wichtige Führungsaufgabe und zudem beeinflussbar sind. Des Weiteren vermittelt es die wichtigsten Kompetenzen zum erfolgreichen Führen des Gesundheitsfördergesprächs.
Die nächsten Schritte sind das gemeinsame Prüfen jeglicher Abwesenheitsgründe im R.U.F.®-Meeting, dann das kontinuierliche Controlling und die Kommunikation des Fortschritts, sowie das Führen des Gesundheitsfördergesprächs.
Was sind Ihre Wünsche für die Arbeitswelt von morgen?
Bezogen auf die Fehlzeiten wünsche ich mir eine Enttabuisierung und einen offeneren Umgang mit Fehlzeiten. Zum einen möchte ich den Irrglauben „krank ist krank und daran ist nicht zu rütteln“, am liebsten vollständig eliminieren und damit erreichen, dass bei jeder Abwesenheit und gemeinsam im Dialog zwischen den Führungskräften und den Mitarbeitenden, nach der wirklichen Ursache geforscht wird. Um dann wieder gemeinsam sehr offen und transparent nach positiven Lösungen zu suchen.
Des Weiteren verbringen wir in unseren 40 bis 50 Arbeitsjahren durchschnittlich ein Drittel auf der Arbeit. Das ist sehr viel Lebenszeit. Und da das Gesundheitsbewusstsein in der Gesellschaft kontinuierlich steigt, könnte dies für die Unternehmen ein Differenziator sein, um in der Zukunft als Arbeitgeber den positiven Unterschied zu machen. Wenn ich weiß, dass das Unternehmen X mich bei der Arbeit gesund und fit hält, wäre dies für einige Kandidaten ein Entscheidungskriterium. Und vielleicht ein sinnvolleres, als immer neue und ausufernde Benefits.
Info: www.manuel-fink.com

Anika Hegmann
IHK Karlsruhe
Bereich Ausbildung
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit