Ich und Es - Arbeitswelt der Zukunft

In den Büros und Werkhallen der Zukunft arbeiten Mensch und Maschine Seite an Seite. Künstliche Intelligenz, Robotik und smarte Tools sind schon heute keine Zukunftsvisionen mehr. Je intensiver die künstlichen Kollegen aber mitarbeiten, umso wichtiger wird es, die Balance zwischen Effizienzgewinn und menschlichem Wohlbefinden zu halten. Allerdings ist die Technik nur ein Puzzleteil der Arbeitswelt von morgen: Eine wertschätzende Unternehmenskultur, Zukunftskompetenzen und Lebenslanges Lernen komplettieren das Gesamtbild.

Technologie trifft Mensch

In der schönen neuen Arbeitswelt arbeiten Mensch und Maschine enger zusammen als je zuvor. Künstliche Intelligenz, Robotik und smarte Tools sind längst keine Zukunftsvisionen mehr – sie gestalten die Gegenwart in Büros, Werkshallen und Homeoffices. Die große Frage: Wie gelingt die Balance zwischen Effizienzgewinn und menschlichem Wohlbefinden?
Künstliche Intelligenz übernimmt heute Aufgaben, die noch vor wenigen Jahren menschliche Kreativität oder Urteilskraft erforderten: Texterstellung, Prognosen, Qualitätskontrollen, Bewerbervorauswahl. Das entlastet – kann aber auch verunsichern. Denn wo bleibt der Mensch, wenn Maschinen immer mehr können? Gerade im Mittelstand bietet der KI-Einsatz enorme Chancen, um Fachkräftelücken zu kompensieren und Prozesse zu optimieren. Doch damit diese Technologien wirklich als Unterstützung empfunden werden, braucht es mehr als eine neue Software – es braucht Akzeptanz, Qualifikation und klare ethische Leitplanken.
Die technische Entwicklung ist nicht aufzuhalten – wohl aber gestaltbar. Betriebe, die ihre Mitarbeitenden frühzeitig einbeziehen, digitale Kompetenzen gezielt fördern und gleichzeitig Raum für Reflexion und Pausen schaffen, haben die Nase vorn. Sie setzen nicht nur auf Effizienz, sondern auf Nachhaltigkeit in der Arbeitskultur.
KI im Personalwesen
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Personalwesen hat weltweit zugenommen. Laut einer aktuellen Studie der ManpowerGroup nutzen bereits 44 Prozent der deutschen Unternehmen KI-Technologien in Bereichen wie Recruiting, Onboarding und Training – und 23 Prozent planen, dies in den nächsten zwölf Monaten ebenfalls zu tun.
Beim Recruiting übernimmt KI zum Beispiel die automatisierte Vorauswahl von Bewerbungen und hilft dabei, die besten Kandidaten schnell zu identifizieren. Im Onboarding-Prozess unterstützen Chatbots, die häufig gestellte Fragen beantworten, neue Mitarbeitende und sorgen für einen reibungslosen Einstieg ins Unternehmen. Auch in der Weiterbildung ist KI von Nutzen: Sie ermöglicht maßgeschneiderte Schulungsangebote, die sich an den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden orientieren. Im Performance Management analysiert KI Leistungsdaten und hilft dabei, fundierte Entscheidungen über die Weiterentwicklung der Mitarbeiter zu treffen.
Eine der größten Stärken von KI ist die Effizienzsteigerung: Durch die Automatisierung von Routineaufgaben können HR-Abteilungen viel Zeit sparen und sich stärker auf strategische Aufgaben konzentrieren. Eine Studie zeigt, dass Unternehmen, die KI bereits nutzen, in vielen Fällen mit einer Kostensenkung von bis zu 92 Prozent rechnen. Doch nicht nur die Effizienz wird gesteigert – auch die Mitarbeiterzufriedenheit profitiert: KI-gestützte Weiterbildungsangebote und individuelle Entwicklungspläne tragen dazu bei, die Mitarbeiterbindung zu stärken und eine langfristige, positive Unternehmenskultur zu fördern.
Da KI große Mengen sensibler Mitarbeiterdaten verarbeitet, stellt sich allerdings die Frage, wie diese Daten sicher und verantwortungsbewusst genutzt werden können. Ein weiteres Thema ist die Akzeptanz von KI: Sowohl Mitarbeitende als auch Führungskräfte sind teilweise skeptisch gegenüber dem Einsatz von KI, da Ängste vor Arbeitsplatzverlust bestehen. Ein weiteres Hindernis ist der Mangel an Kompetenzen: Laut einer Kienbaum-Studie ist der „KI-Reifegrad“ in den Personalabteilungen deutscher Unternehmen noch gering. Viele Unternehmen haben noch keine generativen KI-Anwendungen in ihre HR-Strategien integriert. Während KI im Recruiting bereits weit verbreitet ist, bleiben andere HR-Bereiche wie Performance Management und Mitarbeiterengagement noch hinter den Erwartungen zurück. Die Studie empfiehlt, KI schrittweise in alle HR-Bereiche zu integrieren.
Veranstaltung
Karlsruher Versicherungstrag zum Thema
„Arbeitswelt der Zukunft“ am 3. Juli 2025, 13.30 Uhr,
Im IHK Haus der Wirtschaft
Nutzen Sie die Gelegenheit zum Netzwerken, aber auch sich auch abseits der Vorträge branchenübergreifend zum Thema Arbeitswelt der Zukunft zu informieren. Anmeldung: anja.felden@karlsruhe.ihk.de, veranstaltungen.karlsruhe.ihk.de/karlsruherversicherungstagpua

Drei Fragen an Matthias Kreibich, Vorsitzender des Vorstands Badischer Gemeinde-Versicherungs-Verband

Die Arbeitswelt der Zukunft ist kein fernes Szenario – sie beginnt jetzt. Und genau aus diesem Grund hat sich der Versicherungsausschuss der IHK Karlsruhe entschlossen, den diesjährigen Karlsruher Versicherungstag diesem Thema zu widmen.
Herr Kreibich, am Beispiel der Versicherungsbranche, wenn Sie an die „Arbeitswelt der Zukunft“ denken – was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen und Chancen?
Die Versicherungswirtschaft steht wie viele andere Branchen vor einem tiefgreifenden Wandel. Technologische Entwicklungen, allen voran Künstliche Intelligenz, verändern Prozesse, Kundenerwartungen und sogar Geschäftsmodelle. Gleichzeitig verändert sich unsere Arbeitswelt durch den demografischen Wandel, Fachkräftemangel und den Wunsch nach mehr Flexibilität. Die größte Herausforderung liegt meiner Meinung nach darin, technologische Innovation mit menschlicher Kompetenz zu verbinden – also nicht nur effizienter, sondern auch klüger und empathischer zu arbeiten. Wenn uns das gelingt, sehe ich große Chancen: für neue Dienstleistungen, individuellere Beratung und attraktivere Arbeitsplätze.
Künstliche Intelligenz verändert bereits heute viele Arbeitsprozesse. Wo sehen Sie sinnvolle Einsatzmöglichkeiten und wo sind Grenzen zu beachten?
Was die Versicherungsbranche betrifft, kann KI zum Beispiel bei der Analyse von Kundendaten, bei der Risikoeinschätzung oder im Kundenservice enorme Unterstützung leisten. In der Beratung kann sie dazu beitragen, passgenaue Lösungen schneller vorzubereiten – aber der persönliche Kontakt bleibt unverzichtbar. Gerade in sensiblen Bereichen wie Versicherung und Vorsorge brauchen Kundinnen und Kunden Vertrauen. KI darf also nie zum Selbstzweck werden, sondern muss dem Menschen dienen. Die Grenze ist erreicht, wenn Transparenz, Fairness oder Individualität leiden – das gilt es aktiv zu gestalten und das gilt meines Erachtens auch für viele andere Branchen.
In vielen Unternehmen arbeiten mittlerweile vier Generationen zusammen. Was braucht es aus Ihrer Sicht, damit dieses Miteinander gelingt – auch im Hinblick auf Wissenstransfer und Innovationsfähigkeit?
Das ist tatsächlich eine große Stärke, wenn man es richtig angeht. Ältere Beschäftigte bringen Erfahrung, Überblick und oft eine hohe Kundenbindung mit – Jüngere kommen mit neuen Denkweisen, digitalen Kompetenzen und frischen Impulsen. Damit dieses Zusammenspiel funktioniert, braucht es eine offene Unternehmenskultur, gegenseitigen Respekt und gezielte Maßnahmen zum Wissenstransfer – zum Beispiel Mentoring, generationenübergreifende Projektteams oder flexible Arbeitsmodelle. Unternehmen, die diese Vielfalt fördern, sind langfristig erfolgreicher – und oft auch attraktiver für neue Talente.
Matthias Kreibich ist Vorsitzender des Vorstands Badischer Gemeine-Versicherungsverband und BGV-Versicherung AG und Vorsitzender des IHK-Versicherungsausschusses.

Führung 4.0 - Vertrauensperson und Coach

Die sich verändernde Arbeitswelt verlangt auch eine neue Art der Führung. Die Führungskräfte der Zukunft sind nicht mehr allein Entscheidende oder Kontrollierende, sondern Coach, Vertrauensperson, Orientierungsgeberin oder -geber und Lernvorbild.
Mitarbeitende wollen heute wissen, wofür sie arbeiten. Eine Führungskraft muss deshalb den Purpose des Unternehmens vermitteln und Sinnzusammenhänge herstellen. Studien wie die von Kienbaum & StepStone zeigen: Wer Sinn in seiner Arbeit sieht, ist motivierter, engagierter und loyaler.
Zuhören und Vertrauen statt Kontrolle
Vertrauen wird zur neuen Führungswährung. Laut der Trust Barometer Studie von Edelman (2022) vertrauen Mitarbeitende ihren direkten Führungskräften mehr als Regierungen oder Medien – das ist Verantwortung und Chance zugleich. Gute Führungskräfte fördern psychologische Sicherheit, also ein Umfeld, in dem Mitarbeitende offen sprechen, auch Fehler machen und sich zeigen dürfen.
Emotionale Intelligenz als Kernkompetenz
In hybriden und diversen Teams reichen Fachwissen und Autorität nicht aus. Gefragt sind Empathie, Selbstreflexion und emotionale Intelligenz. Der Future of Jobs Report 2023 des World Economic Forum listet „emotional intelligence“ als eine der Top-Zukunftskompetenzen für Führungskräfte.
Coaching statt Anweisungen
Die klassische Führungsrolle als Vorgesetzte oder Vorgesetzter wird zunehmend durch eine Coaching-Mentalität ersetzt. Führungskräfte begleiten Entwicklung, fördern Eigenverantwortung und bieten Orientierung, statt alles selbst zu steuern. Laut einer Studie von Gallup (2022) haben Teams mit „entwicklungsorientierten“ Führungskräften deutlich höhere Leistungs- und Zufriedenheitswerte.
Agil und adaptiv denken
Märkte und Rahmenbedingungen verändern sich schneller als je zuvor – deshalb müssen Führungskräfte anpassungsfähig sein. Agiles Mindset, iterative Prozesse, schnelles Lernen – all das ist heute essenziell. Organisationen mit agilem Führungsverhalten sind laut einer McKinsey-Studie (2021) bis zu 1,5-mal erfolgreicher bei Innovation und Change Management.
Inklusiv führen und Vielfalt fördern
Diversität ist nicht nur ein moralisches Ziel, sondern ein strategischer Erfolgsfaktor. Führungskräfte der Zukunft schaffen Räume, in denen Vielfalt geschätzt und integriert wird – sei es kulturell, altersbezogen oder hinsichtlich Lebensstilen.


Claudia Nehm
IHK Karlsruhe
Bereich Kommunikation
Presse, Chefredaktion WIMA, Vereinbarkeit von Beruf und Familie