Standpunkt der Wirtschaft
Die IHK-Vizepräsidentinnen und –präsidenten kommentieren in monatlichen Standpunkten, was die Wirtschaft bewegt. Sie formulieren die Sichtweise der IHK Karlsruhe und geben auch ganz persönliche Einblicke in die jeweiligen Thematiken. Tauchen Sie ein in die vielfältigen Standpunkte des Ehrenamtes.
- Ein persönlicher Appell für mehr Freiräume
- Risiken, aber noch mehr Chancen
- Innovationen brauchen Ressourcen
- Ausbildung ins Bewusstsein rücken
- Nachhaltiges Bauen eröffnet neue Geschäftsfelder
- Die Wirtschaft hat die Herausforderungen angenommen
- Im Zeichen der Wiedervereinigung
- Erreichbare Wohlfühloasen
- Wir brauchen eine genderorientierte Unternehmenskultur
- Neue Technologien verantwortungsvoll nutzen
Ein persönlicher Appell für mehr Freiräume
Die Bundestagswahl ist vorbei. Eines ist klar: Nach dem Getöse der Wahlkampfwochen müssen politische Gegner jetzt rasch zu Partnern werden. Unsere Gesellschaft hat mit der beeindruckenden Wahlbeteiligung gezeigt, dass Ihnen die Politik nicht egal ist. Und die gewählten Politikerinnen und Politiker sollten die damit ausgedrückten Sorgen um den Wirtschaftsstandort Deutschland wahrnehmen und nicht mehr herumlavieren.
Und wenn ich als Unternehmer träumen darf – dann hoffe ich auf Mut, Entschlossenheit zum Handeln und einen klaren Plan. Die Liste der Probleme ist lang: der Fachkräftemangel ist z.B. längst kein Zukunftsproblem mehr, sondern leider gelebte Realität. Klare Maßnahmen, die Anreize schaffen, mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen, sind angesagt.
Wir wollen nicht mehr von einer modernen Infrastruktur träumen, sondern brauchen diese, um im immer härteren internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Dass uns zukünftig nur eine bezahlbare und sichere Energieversorgung ermöglicht, im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben, ist selbstredend.
Wir wollen nicht mehr von einer modernen Infrastruktur träumen, sondern brauchen diese, um im immer härteren internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Dass uns zukünftig nur eine bezahlbare und sichere Energieversorgung ermöglicht, im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben, ist selbstredend.
Aber vor allem hoffe ich, dass eine neue Bundesregierung ein Thema konsequent anpackt, das uns alle ungläubig staunen lässt: Bürokratie. Tag für Tag erleben wir alle, wie Regularien, Dokumentationspflichten und langwierige Genehmigungsverfahren wertvolle Zeit und damit geistige und finanzielle Ressourcen verschlingen.
Wir leben in einer verantwortungslosen Zeit. Das soll heißen, dass wir mit einer Unmenge von Einzelfallregelungen jegliche Verantwortung auf Regelwerke verlagern, sodass jeder und jede Handelnde die Verantwortung los ist.
Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen keine staatlich verordnete Beschäftigungstherapie. Sie wollen einfach nur gut arbeiten, um einen Mehrwert für ihr Unternehmen und unsere Gesellschaft zu schaffen.
Wir leben in einer verantwortungslosen Zeit. Das soll heißen, dass wir mit einer Unmenge von Einzelfallregelungen jegliche Verantwortung auf Regelwerke verlagern, sodass jeder und jede Handelnde die Verantwortung los ist.
Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen keine staatlich verordnete Beschäftigungstherapie. Sie wollen einfach nur gut arbeiten, um einen Mehrwert für ihr Unternehmen und unsere Gesellschaft zu schaffen.
Es gibt sicher keine Patentlösung, aber ich wünsche mir eine patente Politik mit Mut und gesundem Menschenverstand. Wir brauchen klare, einfache Verfahren für alle Teile des wirtschaftlichen Handelns, auf die wir uns langfristig verlassen können. Denn wirtschaftlicher Erfolg braucht Freiräume und Zutrauen in unsere Unternehmen.
Das heißt nicht, dass Regeln per se abzulehnen sind. Doch die Politik sollte sich auf ihr Kerngeschäft zurückziehen. Das bedeutet Rahmenbedingungen mit Regeln zu schaffen und nicht innerhalb des Rahmens das Bild bis ins kleinste Detail auszugestalten.
Dann könnten wir als Wirtschaft wieder die vielen Chancen nutzen, um mutig zu investieren, Innovationen voranzutreiben und die Wirtschaft in Deutschland wieder richtig in Fahrt zu bringen. Das wäre gut.
I. IHK- Vizepräsident Volker Hasbargen
Das heißt nicht, dass Regeln per se abzulehnen sind. Doch die Politik sollte sich auf ihr Kerngeschäft zurückziehen. Das bedeutet Rahmenbedingungen mit Regeln zu schaffen und nicht innerhalb des Rahmens das Bild bis ins kleinste Detail auszugestalten.
Dann könnten wir als Wirtschaft wieder die vielen Chancen nutzen, um mutig zu investieren, Innovationen voranzutreiben und die Wirtschaft in Deutschland wieder richtig in Fahrt zu bringen. Das wäre gut.
I. IHK- Vizepräsident Volker Hasbargen
Risiken, aber noch mehr Chancen
Eines ist mir in der aktuellen, angespannten Situation wichtig: Langfristig müssen wir in Deutschland in der Lage sein, die dringenden Probleme weltweit zusammen mit anderen Ländern zu lösen. Dabei können wir uns mit gesundem Selbstbewusstsein zielorientiert einbringen – wir haben Stärken!
Der Einwohnerzahl nach sind wir kein großes Land, aber in der Tabelle der wertmäßig größten Exportnationen liegen wir trotzdem an dritter Stelle! Die ganze Welt beneidet uns um den innovativen Mittelstand, die Hidden Champions, die Weltmarktführer in kleinen Nischen – von denen wir auch in unserer Region etliche haben.
Auch wenn wir beispielsweise die Kreditwürdigkeit unseres Landes betrachten, so liegt Deutschland mit einem dreifachen A-Rating vor den USA, weit vor China und auch weit vor vielen anderen europäischen Staaten. Und ist es nicht längst Zeit europäisch zu denken, anstatt beispielsweise China mit Deutschland zu vergleichen?
Das MERCOSUR-Abkommen der EU mit Lateinamerika ist nur ein Beispiel dafür, dass auch große Chancen vor uns liegen. Mitte Februar werden in Baden-Baden die Botschafter von Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay und Uruguay mit uns über die Möglichkeiten dieses neuen Wirtschaftsraums beraten. Sie merken, ich sehe für die Zukunft Risiken, aber noch mehr Chancen.
Die Welt wartet natürlich nicht auf Europa und was für die Unternehmen in Europa längst gilt, der globale Wettbewerb, muss auch zum politischen Selbstverständnis werden.
Alle sind sich einig, dass Gerechtigkeit, Menschenrechte und Umweltschutz hohe Werte sind, aber wenn diese Werte mit komplexen Regelungen implementiert werden, die wir selbst kaum verstehen, müssen wir uns nicht wundern, wenn internationale Konzerne außerhalb Europas investieren, wenn der Welthandel in Zukunft an uns vorbeizieht.
Wolfgang Grenke
Alle sind sich einig, dass Gerechtigkeit, Menschenrechte und Umweltschutz hohe Werte sind, aber wenn diese Werte mit komplexen Regelungen implementiert werden, die wir selbst kaum verstehen, müssen wir uns nicht wundern, wenn internationale Konzerne außerhalb Europas investieren, wenn der Welthandel in Zukunft an uns vorbeizieht.
Wolfgang Grenke
Innovationen brauchen Ressourcen
Wenn wir Innovationen wollen, müssen wir für neue Ideen offen sein. In einer innovationsorientierten Unternehmenskultur werden Mitarbeitende, Führungskräfte und Partner ermutigt, Ideen zu entwickeln. Dies bedeutet auch, dass riskante Vorschläge willkommen sind, die Ausgangspunkt für kreative Lösungen sein können. Es gibt mehrere Schlüsselelemente, die eine solche Kultur auszeichnen:
Unternehmerisches Engagement muss sich auszahlen. Nur wenn Risikobereitschaft und Unternehmergeist gefördert werden, setzen Unternehmen auf Innovationen, anstatt sich auf ein Portfolio mit bewährten Produkten und Dienstleistungen zu verlassen. Für die Entstehung von Innovationen sind zudem die richtigen Ressourcen entscheidend. Das umfasst nicht nur Kapital, sondern auch Technologie, Energie und Bildung. Eine innovationsfreundliche Unternehmenskultur sorgt dafür, dass diese Ressourcen zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung stehen.
Zusätzlich ist eine offene Haltung gegenüber Fehlern ganz entscheidend. Sie bieten die Möglichkeit, wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen und daraus zu lernen. Eine Kultur, die regelmäßiges Feedback einholt, um Produkte, Dienstleistungen und Prozesse zu verbessern, fördert die ständige Weiterentwicklung und trägt zu langfristigem Erfolg bei.
Schließlich ist für eine innovationsorientierte Unternehmenskultur Freiraum wichtig. Unternehmen, die flexibel sind und sich schnell an neue Marktbedingungen und technologische Veränderungen anpassen können, sind nachweislich besser für die Zukunft gerüstet.
IHK-Präsident Wolfgang Grenke
© GRENKE AG
"Eine Kultur für Innovationen ist mehr denn je die Grundlage für Erfolg“ - IHK-Präsident Wolfgang Grenke
Ausbildung ins Bewusstsein rücken
Der leichte Anstieg der Ausbildungsverträge im IHK-Bezirk ist ein positives Signal, das zeigt, dass die Bemühungen der Unternehmen, Jugendliche für eine duale Ausbildung zu begeistern, erste Erfolge zeigen. Dennoch stehen wir weiterhin vor der Herausforderung, dass viele Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. Grund dafür sind unter anderem der Trend zu höheren Bildungsabschlüssen und akademischen Laufbahnen sowie der Rückgang der Schulabgängerzahlen aufgrund des demografischen Wandels.
Es bleibt eine wichtige Aufgabe für die IHK und auch für uns als Berufsbildungsausschuss, die duale Ausbildung stärker ins Bewusstsein zu rücken. Viele Jugendliche wissen nicht, welche hervorragenden Karrierechancen eine Ausbildung bietet und dass sie damit in anspruchsvolle und gut bezahlte Berufe aufsteigen können. Es liegt nun an uns allen – den Unternehmen, Schulen, Eltern und der Politik – gemeinsam daran zu arbeiten, die Berufsausbildung noch attraktiver zu machen. Wir appellieren an die Unternehmen, auch weiterhin in die Ausbildung zu investieren und mit kreativen Ansätzen, etwa durch Schnuppertage, Praktika oder verstärkte Berufsorientierung, junge Talente zu gewinnen.
Neben der Förderung des Nachwuchses und der Weiterbildung bestehender Belegschaften, sollten die Betriebe auch die Chancen nutzen, die das Fachkräfteeinwanderungsgesetz eröffnet. Es erleichtert den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für Menschen mit entsprechenden Qualifikationen und schafft somit eine wichtige Entlastung für Unternehmen, die händeringend nach Fachkräften suchen. Allerdings darf das Thema Fachkräftezuwanderung nicht als Ersatz, sondern nur als Ergänzung zur Förderung der eigenen Ausbildung betrachtet werden.
© Frank WeberDie duale Berufsausbildung ist ein Garant für den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen in Deutschland. Sie bietet für die Auszubildenden die herausragende Chance, Praxis und Theorie zu bündeln, um später erfolgreich im Job zu sein.
Frank Weber
„In Zeiten des gesellschaftlichen und technologischen Wandels verändern sich bestehende Berufe und es entstehen neue, zukunftsorientierte Berufsbilder und Zusatzqualifikationen. Durch ein attraktives Ausbildungsangebot können die Unternehmen den Herausforderungen des demografischen Wandels begegnen und gemeinsam mit der Generation Z die Chancen der Digitalisierung nutzen© SEW Eurodrive
Klaus-Peter Schillo
Frank Weber und Klaus-Peter Schillo, Vorsitzende des IHK-Berufsbildungsausschusses
Nachhaltiges Bauen eröffnet neue Geschäftsfelder
Das Thema Nachhaltigkeit spielt mittlerweile in vielen Bereichen unseres Lebens eine zentrale Rolle: von Kleidung über Lebensmittel bis hin zum Reisen. Es gilt, den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Dabei steht die Immobilienwirtschaft zunehmend im Fokus, die über den Bau und Betrieb von Gebäuden für annähernd 30 Prozent der jährlichen CO²-Emissionen in Deutschland verantwortlich ist.
Durch den Einsatz energieeffizienter Technologien, die Nutzung erneuerbarer Energien und die Wahl umweltfreundlicher Baumaterialien können wir unseren ökologischen Fußabdruck erheblich reduzieren.Bernd Fleischer, Geschäftsführer der Schürrer & Fleischer Immobilien GmbH & Co. KG.© Bernd Fleischer
Es geht nicht nur darum, Materialien zu verwenden, die eine geringere Umweltbelastung aufweisen, sondern auch solche, die während ihres gesamten Lebenszyklus – von der Herstellung über den Betrieb bis hin zur Entsorgung – nachhaltig sind. Beispiele hierfür sind Holz aus zertifizierten Wäldern, recycelte Materialien und innovative Baustoffe wie Hanfbeton oder Lehmbau. Zusätzlich spielt die Energieeffizienz eine entscheidende Rolle. Durch den Einsatz moderner Dämmstoffe, energieeffizienter Fenster und Türen sowie innovativer Heiz- und Kühlsysteme können wir den Energieverbrauch unserer Gebäude erheblich senken. Eine energieeffiziente Bauweise führt nicht nur zu einer Reduktion der Betriebskosten, sondern leistet auch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz.
Kreditinstitute, Investoren und auch Mieter legen zunehmend Wert auf Nachhaltigkeitskriterien, was sich in einer erhöhten Nachfrage nach grünen Gebäuden widerspiegelt. Ökonomisch gesehen eröffnet dies neue Geschäftsfelder und Marktchancen. Der nachhaltige Umgang mit der Ressource Fläche ist ein weiteres zentrales Thema. Der Flächenverbrauch muss reduziert werden, um die Versiegelung von Böden und den Verlust von natürlichen Lebensräumen zu minimieren. Hier sind Konzepte wie die Nachverdichtung, die Nutzung von brachliegenden Flächen und die Revitalisierung von Altbauten von großer Bedeutung. Wir müssen zudem innovative Lösungen wie die Nutzung von Dachflächen für Begrünung oder Solaranlagen fördern. Ein nachhaltiger Flächenumgang bedeutet, dass wir die Bedürfnisse der Menschen und die Anforderungen des Umweltschutzes in Einklang bringen.
Gleichwohl sorgt dies in einer Zuzugsregion wie unserer für Herausforderungen. Laut Prognose werden in Karlsruhe bis 2040 mehr als 30.000 neue Einwohnerinnen und Einwohner leben. Der Verzicht auf die Neuausweisung von Flächen darf also nicht zum Dogma werden. Für den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt in der Region und damit auch den Wirtschaftsstandort wäre dies fatal.
Die Wirtschaft hat die Herausforderungen angenommen
IHK-Präsident Wolfgang Grenke
© GRENKE AG
Ziel unserer baden-württembergweiten Stromstudie war eine Analyse der Versorgungssituation für den Energieträger Strom in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2040. Nun können wir die Regionalauswertung für unsere Region veröffentlichen und festhalten: in der Region wird ein noch stärkerer Anstieg des Strombedarfs erwartet im Vergleich zum ohnehin deutlichen Anstieg landesweit. Daher gilt die zentrale Botschaft insbesondere für unsere Region: Um den steigenden Strombedarf klimaneutral und mit verbrauchsnaher Stromerzeugung zu decken, ist ein rascher Ausbau der Erneuerbaren Energien, insbesondere Wind und Photovoltaik auch bei uns unerlässlich. Dennoch bleibt ein erheblicher Importbedarf für Strom bestehen, selbst wenn alle realistischen Potenziale für den Erneuerbaren-Ausbau umgesetzt werden. Sowohl für den Import als auch für die Erneuerbaren vor Ort müssen zudem die Stromnetze ausgebaut werden.
Die hiesige Wirtschaft ist industriell geprägt und das ist die Basis des wirtschaftlichen Erfolgs. Jedoch liegt der Südwesten fernab von den Zentren der Erneuerbaren-Erzeugung im Norden. Der Ausbau der Stromübertragungsnetze, die Grünstrom von Norddeutschland in den Süden bringen sollen, geht nicht in der erforderlichen Geschwindigkeit voran. In Verbindung mit der bereits erfolgten Abschaltung der Kernkraft und dem geplanten Kohleausstieg droht eine Stromlücke. Süddeutschland wird in der Folge als Standort für Industrieunternehmen im Allgemeinen und energieintensive Industrieunternehmen im Besonderen geschwächt. Eine regionale Differenzierung der Strompreise in Form von Strompreiszonen könnte dies weiter verstärken.
Wir brauchen ein politisches und gesellschaftliches Klima, das den Beitrag der Wirtschaft zur Dekarbonisierung erkennt und unterstützt. Die Wirtschaft hat die Herausforderungen der Energiewende und des Klimaschutzes angenommen und handelt entsprechend, insbesondere die Industrie. Auch die kleineren Betriebe zeigen sich aktiv und anpassungsbereit.
Jetzt gilt es auf dem Feld der Regulatorik alle Hürden zu beseitigen, die dem zügigen Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Netze und den Klimaschutzaktivitäten der Unternehmen im Wege stehen.
Um den steigenden Strombedarf klimaneutral und mit verbrauchsnaher Stromerzeugung zu decken, ist ein rascher Ausbau der Erneuerbaren Energien, insbesondere Wind und Photovoltaik auch bei uns unerlässlich.
Wolfgang Grenke, IHK-Präsident
Im Zeichen der Wiedervereinigung
Robert W. Huber, Vorsitzender des IHK-Außenwirtschaftsausschusses
© Foto Christiane 01711990855
Am 1. Mai 2004 eröffneten die Außenminister Deutschlands, Joschka, Fischer, und Polens, Wlodzimierz Cimoszewics, symbolisch die Grenze zwischen Frankfurt/Oder und Slubice. Die baltischen Staaten und ehemaligen Sowjetrepubliken, Estland, Lettland, Litauen sowie Polen Tschechien, die Slowakei, Ungarn, die frühere jugoslawische Teilrepublik Slowenien und die beiden Mittelmeer Staaten Malta und Zypern, traten damit der EU bei. Bulgarien und Rumänien folgten 2007 und Kroatien 2013.
Dies war die größte Erweiterung in der Geschichte der EU. Insofern ist dieser Vorgang von säkularer Bedeutung. Er steht im Zeichen der Wiedervereinigung unseres Kontinents und der Rückkehr jener Länder nach Europa, die durch den eisernen Vorhang an der europäischen Integrationsentwicklung nicht teilhaben konnten. Den Beitrittsländern wurden durch die so genannten Kopenhagener Bedingungen von 1993, nämlich institutionelle Stabilität, eine demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, die Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten, Auflagen vorgegeben, deren Erfüllung die Basis der Mitgliedschaft wurde.
Hinzu kommen wirtschaftliche Kriterien, wie das Vorhandensein einer funktionierenden Marktwirtschaft und die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck innerhalb des EU Binnenmarktes stand zu halten. Ergänzt wurden diese Vorgaben durch das Acquisitions-Kriterium, die Fähigkeit, die gemeinschaftlichen Regeln, Standards und Politik der EU einzuführen und umzusetzen. In den folgenden Jahren bis einschließlich 2020 sind dann 360,2 Milliarden Euro an EU-Fördermitteln an die neue Mitglieder geflossen. Damit wurden unter anderem 24.400 km Autobahnen 3.400 km Schienen Wege oder 17.000 Forschungsprogramm ramme finanziert. Im Laufe der Zeit erreichte dann das BIP dieser Länder pro Kopf gemessen 84 Prozent des EU-Durchschnitts.
Dabei haben auch die Länder Westeuropas entscheidend von der Osterweiterung der EU profitiert. Große Absatzmärkte und Standorte sind hinzugekommen. Neue Zulieferer in diesen Ländern bilden heute einen nicht mehr wegzudenkenden Bestandteil der Wertschöpfungskette für westeuropäische Unternehmen. Die leichtere kulturelle Kompatibilität, eine verbesserte Kommunikation, Kosteneinsparungen, zum Beispiel bei der Logistik, eine größere Flexibilität, kürzere Lieferzeiten und die damit verbundenen Effizienzsteigerung der Osterweiterung der EU ermöglichen damit auch ein Nearshoring auf dem europäischen Kontinent.
Dabei haben auch die Länder Westeuropas entscheidend von der Osterweiterung der EU profitiert. Große Absatzmärkte und Standorte sind hinzugekommen. Neue Zulieferer in diesen Ländern bilden heute einen nicht mehr wegzudenkenden Bestandteil der Wertschöpfungskette für westeuropäische Unternehmen. Die leichtere kulturelle Kompatibilität, eine verbesserte Kommunikation, Kosteneinsparungen, zum Beispiel bei der Logistik, eine größere Flexibilität, kürzere Lieferzeiten und die damit verbundenen Effizienzsteigerung der Osterweiterung der EU ermöglichen damit auch ein Nearshoring auf dem europäischen Kontinent.
Auch die Länder Westeuropas haben entscheidend von der Osterweiterung profitiert.Robert W. Huber, Vorsitzender des IHK-Außenwirtschaftsausschusses.
Erreichbare Wohlfühloasen
Roland Fitterer, IHK-Vizepräsident.
© Fitterer
Unser IHK-Innenstadtberater nimmt eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der regionalen Zentren ein, nicht nur, aber auch für junge Menschen. Er ist Vermittler zwischen lokalen Unternehmen, der Stadtverwaltung, den Werbegemeinschaften und der Bevölkerung. Die IHK ist aber auch darüber hinaus Anwalt für die Interessen der lokalen Wirtschaft und setzt sich unter anderem im Ausschuss für Immobilien und Standortentwicklung für eine ganzheitliche, zukunftsorientierte Entwicklung der Innenstädte ein.
Ich persönlich würde an dieser Stelle gerne zwei Appelle in Richtung Verwaltung und Hausbesitzende aussprechen: Bitte sorgt für moderate Gebühren für Stände, die vor den Geschäften aufgestellt werden und für die Außengastronomie in den Straßen. Nur so kann Innenstadt zum Erlebnis- und Wohlfühlort werden. Von den Vermieterinnen und Vermietern würde ich mir wünschen, dass sie möglichst humane Mieten verlangen, um weitere Leerstände zu vermeiden.
Ein Thema, das mir persönlich ebenfalls sehr am Herzen liegt, ist die Erreichbarkeit der Innenstädte. Neben der guten Anbindung an den ÖPNV sollten auch für die Autofahrerinnen und -fahrer ausreichend Parkplätze zur Verfügung stehen. Die Suche nach Park & Ride Parkplätzen ist oft umständlich und langwierig. Für diejenigen, die in die Innenstadt kommen, um zu flanieren, mag das weniger problematisch sein. Die Kundinnen und Kunden aber, die größere Einkäufe tätigen, die es zu verstauen gilt, sind auf das Auto angewiesen.
Gäste sollten differenziert betrachtet werden, wenn es um sinnvolle Lösungen für eine funktionierende Innenstadt geht.
IHK-Vizepräsident Roland Fitterer
Wird das Auto komplett aus dem Zentrum verbannt, könnte die Gefahr drohen, dass die Innenstadt mit ihrer lebendigen Vielfalt an Geschäften ausstirbt.
Wir brauchen eine genderorientierte Unternehmenskultur
Victoria Denner-Rauh, IHK-Vizepräsidentin.
Die IHK Karlsruhe hat drei Vizepräsidentinnen, eine stellvertretende Hauptgeschäftsführerin, drei Geschäftsbereichsleiterinnen und acht Teamleiterinnen. Damit sind exakt 50 Prozent der Führungskräfte weiblich. Ich denke, das kann sich sehen lassen. Betrachtet man aber die Frauenquote in den DAX-Konzernen, so stagniert sie bei 23 Prozent nach Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben. Deutschland befindet sich im internationalen Vergleich nach wie vor im letzten Drittel. Und das, obwohl uns diverse Studien wissen lassen, Frauen sind besser qualifiziert, Frauen in Top-Führungsebenen beeinflussen die betriebswirtschaftlichen Erfolgszahlen positiv und in geschlechtergemischten Gremien werden nachhaltigere Entscheidungen getroffen. Eine Steigerung des Frauenanteils in Führungspositionen ist außerdem eine geeignete Strategie gegen den Fachkräftemangel.
Die Ursachen für die immer noch zu geringen Zahlen an weiblichen Führungskräften sind allseits bekannt: Schon mit der Ausbildungs- und Studienwahl werden erste Weichen gestellt, denn während mathematisch-technische Berufe karriere- und gehaltstechnisch vorteilhaft sind, scheinen sich Geistes- oder Sozialwissenschaften und Pflegeberufe weniger für eine Karriere zu eignen. Aber auch die so genannte „gläserne Decke“ erschwert den Weg an die Spitze. Männer werden durch Männer und durch ihre ebenfalls männlichen Vorgesetzten gefördert, während Frauen oftmals außen vor bleiben. Zudem findet der berufliche Aufstieg meist zwischen dem 30. und 35. Lebensjahr statt. Für Frauen liegt genau dieser Zeitpunkt mitten in einer möglichen Familienplanung. Tatsächlich müssen viele Frauen auch heute noch die Entscheidung treffen: Karriere oder Familie. Fehlende Kita-Plätze, eine noch immer ungleiche Verteilung von Vollzeit und Teilzeit, und nicht zuletzt auch der Gender Pay Gap spielen eine nicht unerhebliche Rolle.
Eine genderorientierte Unternehmenskultur geht meiner Meinung nach über die bloße Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften. Sie ist wirtschaftlich sinnvoll und hat ausschließlich positive Auswirkungen. Maßnahmen wie gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit und flexible Arbeitszeiten, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen, sind nur einige gute Beispiele für eine moderne Führungskultur.
Eine genderorientierte Unternehmenskultur geht meiner Meinung nach über die bloße Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften.
IHK-Vizepräsidentin Victoria Denner-Rauh
Neue Technologien verantwortungsvoll nutzen
IHK-Präsident Wolfgang Grenke
© GRENKE AG
Heute beeindrucken uns die Denkmaschinen aber noch viel umfassender: Chat GPT und andere Programme leisten, was bisher dem Menschen vorbehalten war. Längst ist das Schlagwort von der „Künstlichen Intelligenz“ in aller Munde. Tatsache ist: Die Leistungsfähigkeit der aktuellen Programme überrascht uns, und Quantencomputer werden bald alles bisher Bekannte übertreffen. Die „Künstliche Intelligenz“ ermöglicht nicht nur das Sammeln von unzähligen Daten, sondern auch deren Auswertung, die Interpretation und die Steuerung komplexer Prozesse. Längst haben KI-Technologien die Wirtschaft erobert, längst profitieren wir davon: Denken Sie zum Beispiel an neue Formen der Diagnostik in der Medizin, bei der tausende Vergleichsbeispiele in Sekundenschnelle eine Entscheidungsgrundlage anbieten. Denken Sie an die zunehmend besser werdende Wettervorhersage, bei der unzählige Messwerte mit unzähligen Vergleichssituationen abgeglichen werden können. Neue Technologien verantwortungsvoll nutzen Klar ist, dass wir diese Technologien verantwortungsvoll nutzen müssen, sonst besteht die Gefahr, dass vorhandene Probleme durch sie verstärkt werden: Fake News, gefälschte Bilder und Töne, Cyber-Kriminalität und Stromausfälle sind Erscheinungsformen bereits bestehender und kommender Risiken. Außerdem wird es schwieriger werden, an belastbare Informationen zu kommen und schwieriger, andere über relevante Sachverhalte zu informieren – und das, obwohl Wissen und Daten noch nie so schnell verfügbar waren!
„Ich bin sicher, dass die Wirtschaft einen großen Teil dieser Aufgabe selbst lösen kann, selbst lösen muss und selbst lösen wird – ob mit oder ohne staatliche Begleitung.“
IHK-Präsident Wolfgang Grenke
Wir müssen Werkzeuge entwickeln, um negative Auswirkungen zu vermeiden, und dafür brauchen wir technische Innovationen und gemeinsame Standards. Eine aktuelle Studie belegt, dass KI die Bruttowertschöpfung in Deutschland um 300 Milliarden Euro erhöhen könnte, – sobald die KI in mindestens 50 Prozent der Unternehmen eingesetzt wird. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.
Die IHK Karlsruhe gehört deutschlandweit zu den Vorreitern, wenn es darum geht, KI in die Unternehmen zu bringen: Seit 2019 gibt es einen Arbeitskreis „KI und digitale Innovationen“ mit aktuell rund 50 Mitgliedern. Erstberatungsangebote und Veranstaltungen für kleine, mittelständische Unternehmen ermöglichen eine effektive Strategie zur Implementierung von KI im Betrieb. Gerade hier in der TechnologieRegion Karlsruhe, wo ein starkes Cluster zur KI existiert, brauchen wir noch mehr Begeisterung für dieses Thema. Die Türen für Innovationen stehen weit offen!
Mehr zum Thema: Der AI Act und Tipps für den Einsatz von KI.