Präsident Hasbargen nach den ersten 100 Tagen im Amt

„Wir können vieles gleich umsetzen. Man muss es nur machen!“
Wir haben Volker Hasbargen als IHK-Präsident nach rund 100 Tagen im Amt gefragt: Wie sind die ersten Wochen angelaufen? Welche Themen sind besonders wichtig und was wünschen Sie sich für die kommende Zeit?
Sie haben das Amt des IHK-Präsidenten in politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten übernommen. Was können Sie für die Unternehmen in der Region Positives tun?
Volker Hasbargen: Wir sind natürlich von Faktoren abhängig, die wir nicht beeinflussen können, wie zum Beispiel von der Außenpolitik und den damit verbundenen Zöllen. Deshalb ist es umso wichtiger, darauf zu schauen, was wir vor Ort tun können. Ich sehe eine große Chance in unserer Region, dass wir aus Krisen etwas Positives schaffen können. Unternehmen mussten schon immer flexibel auf Veränderungen reagieren. Es ist eine der zentralen Aufgaben der IHK, sie dabei zu unterstützen. Zum Beispiel in dem wir Plattformen für Treffen, Netzwerke und Know-how-Transfer schaffen. So entstehen Ideen, es gibt Austausch und Möglichkeiten, innovativ miteinander zu arbeiten.
Gibt es Wirtschaftsbereiche, denen es besonders schlecht geht und die jetzt gerade viel Unterstützung benötigen?
Volker Hasbargen: Das Land Baden-Württemberg ist Automobilland. Da hängt vieles zusammen. Das betrifft die großen Konzerne, die vielen Zulieferer, aber auch kleine Betriebe. Das geht runter bis zum Supermarkt und zu den Bäckereien. Wenn die Großen im Land Arbeitsplätze verlieren, dann hat das Auswirkungen auf alle. Wir müssen aufpassen, dass wir vorne bleiben.
Wie sehen Unternehmen die IHK? Als Problemlöser in der Krise und als Begleiter in der Transformation?
Volker Hasbargen: Ja, da sind wir schon starker Partner. Die Angebote sind da, aber die Herausforderung bleibt, dass wir unsere rund 73.000 Mitgliederunternehmen im Kammerbezirk erreichen und für die Zukunftsthemen sensibilisieren. Wir möchten deshalb alle Mitglieder im Ehrenamt zu Botschaftern der IHK machen. Die Idee der IHK ist schließlich, die Selbstverwaltung der Wirtschaft nach vorne zu bringen. Wir arbeiten bereits an den ersten Ideen, wie wir das sichtbarer machen können.
Von der Idee bis zur Umsetzung. Das ist eine Frage der Schnelligkeit. Haben wir Deutschen das richtige Tempo oder müssen wir schneller werden?
Volker Hasbargen: Es ist manchmal nicht leicht. Aber die Unternehmen und die IHK wollen und können etwas ändern. Wir hatten kürzlich Gespräche mit dem chinesischen Generalkonsulat. Dabei wurde darüber gesprochen, eine Plattform zum Austausch von regionalen deutschen und chinesischen Unternehmen zu schaffen. Die Chinesen sprachen von einem Umsetzungszeitraum von einem Jahr. Sie waren überrascht, als wir sagten, dass das im Frühjahr 2026 oder am besten noch in diesem Jahr laufen soll. Wir müssen einfach schneller werden mit der Umsetzung unserer To-do-Listen. Ich hatte auch einen beruflichen Termin in Shanghai und habe das genutzt, um dort die Außenhandelskammer zu besuchen. Wir werden sicherlich eine Delegation aus China in Karlsruhe begrüßen können, um den chinesischen Markt besser bearbeiten zu können. Das kommt unseren lokalen Unternehmen zugute.
Germany spielt für China bestimmt eine Rolle, aber kennt man auch Karlsruhe und die Region?
Volker Hasbargen: Klar, die Chinesen wissen, was gut ist. Und die Technologieregion ist gut mit ihren Champions und hidden champions. In China kennt man das KIT, auch einer der chinesischen Besucher des Konsulates hat dort studiert.
Viele Kommunen haben große finanzielle Probleme und suchen nach neuen Einnahmenquellen. Was raten Sie den Stadtoberhäuptern? Was sollen sie tun? Sich mit erfolgreichen Unternehmern vor Ort beraten?
Volker Hasbargen: Zuerst: Die Kommunen müssen Rahmenbedingungen schaffen für Unternehmen. Und nicht immer gleich überlegen, ob sie die Gewerbesteuer stark erhöhen. Wenn Unternehmen sehen, dass sie in Bratislava oder sonstwo Hilfe zur Umsiedlung bekommen, dann sind viele leider dauerhaft weg. Das ist mehr als verständlich. Gemeinden müssen schauen, wo sie sparen können, nicht wo sie mehr Geld herbekommen. Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen. Aber auch überlegen, was wir brauchen und wie was zusammenhängt. Zum Beispiel bei Umbaumaßnahmen oder wenn eine Straße aufgegraben wird, eine Brücke erneuert. Welchen Einfluss hat die Sperrung auf die Wirtschaft, den Handel? Da müssen sich alle fragen, was sinnvoll und wichtig ist, auch wie lange etwas dauert. Damit hinterher nicht die Geschäfte platt sind und die Innenstädte tot.
Gibt es eine Botschaft, die Ihnen besonders am Herzen liegt?
Volker Hasbargen: Wenn jeder mit der Hälfte seiner Forderungen zufrieden wäre, dann hätten wir als Gesellschaft doppelt gewonnen.
Die IHK fordert schon seit langem unnötige Bürokratie zurückzuschrauben. Ist das überbordende Regelwerk überhaupt noch reformierbar?
Volker Hasbargen: Der Staat hat sich angewöhnt, in jedes Detail des Lebens einzugreifen, damit wird aber auch die Selbstverantwortung des Bürgers zurückgeschraubt. Ich mache mal ein Beispiel außerhalb der Wirtschaft. Natürlich ist jeder für ein Verbot von K.O.-Tropfen. Aber dann geht das wieder so weit, dass alles verboten wird, auch was wir im medizinischen Bereich benötigen. So gibt es Nebenverordnungen mit Ausnahmen, Regeln und Kontrollen. Zum Schluss blickt keiner mehr durch, und das gute Ziel wird nicht erreicht. Wir müssen es andersherum schaffen, dass in Clubs keine K.O.-Tropfen ins Getränk gemischt werden. Und dass Verbrecher, die das machen, nach den bestehenden Gesetzen hart bestraft werden. Unsere Gesellschaft braucht im Grunde wieder eine stärkere Wertediskussion. Wenn der Staat alles detailliert reguliert, sind wir ein Land, in dem die Menschen keine Verantwortung mehr übernehmen. Weitere Beispiele für Bürokratie in der Wirtschaft kennt jeder Unternehmer zuhauf.
Können wir Bürgerinnen und Bürger, oder auch die Unternehmen selber für weniger Bürokratie sorgen?
Volker Hasbargen: Wie wäre es damit: Jedes Mitglied der IHK-Vollversammlung dürfte einen Wunsch nennen, was wir an Bürokratie nicht mehr brauchen. Das könnten wir der Politik vorstellen, und die Politik müsste uns erklären, warum diese Vorschrift überhaupt Sinn macht. Wenn sie die Vorschrift glaubwürdig verteidigen könnte, bleibt sie bestehen, wenn nicht, wird sie abgeschafft. Ich weiß gar nicht, ob ich das Bürokratie-Abbau nennen sollte. Wir sollten mehr Mut haben, Dinge zu ändern, auch wenn sie unpopulär sind. Nur Politiker als Legislative können Bürokratie abbauen. Beamte als Exekutive können es nicht, die Judikative nur in Ausnahmen. Wir bräuchten eine Art Tafelrunde, die das Gemeinwohl und die Effektivität der Abläufe über Einzelinteressen stellt – ohne Kettensägenmassaker.
Was würden Sie jetzt sofort empfehlen, um etwas zu bewirken?
Volker Hasbargen: Für die Wirtschaft braucht es sofort viele kleine, längst bekannte Maßnahmen. Zuerst einmal mehr Flexibilität bei Abschreibungen, Meldeverfahren oder in der Dokumentationspflicht. Und viele unkonventionelle, zukunftsorientierte Aktivitäten: Die Landesregierung könnte dem KIT Geld geben, das damit nach Harvard fährt und dort sagt: Wir haben den idealen Standort zum Forschen und Wohnen für Euch – die Technologieregion Karlsruhe. Wir organisieren für euch alles bis hin zum Umzug. Das könnte Innovationen beschleunigen und Cluster schaffen, die wir hier in der Region wirtschaftlich langfristig nutzen können. Und dann: Wir haben ja seit Jahren klare, durch die Vollversammlung legitimierte regionalpolitische Positionen. Da gibt es Vieles, was wir ganz einfach gleich umsetzen können! Man muss es nur machen.
Ute Kretschmer-Risché, Agentur exakt

Dr.Andreas Förderer
IHK Karlsruhe