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Ein Wirtschaftsraum muss grenzenlos sein
Wolfgang Grenke beim Spaziergang mit dem früheren Bundeskanzler Willy Brandt.
Warum wollen Sie Ihre Amtszeit nicht bis zum offiziellen Ende weiterführen?
Wolfgang Grenke: Natürlich habe ich mich gefragt, wann ist der richtige Zeitpunkt, um meinen Abschied anzukündigen. Dabei geht es nicht nur um einen einfachen Wechsel im Präsidentenamt. Wir wollen das Präsidium längerfristig neu aufstellen und um Kompetenzen ergänzen. Das heißt, ich trete nicht nur als Präsident zurück, sondern ich gehe auch aus dem Präsidium raus, um Platz zu machen für jemanden, der das Präsidium bereichern soll. Bei dem wichtigen Thema IT brauchen wir einen weiteren Fachmann. Ich glaube, da ist es gut, wenn man das ein Jahr vor der nächsten Wahl macht. Alle Mitgliedsunternehmen, die sich an der Wahl beteiligen, können sich eine Meinung bilden, ob das Präsidium die Aufgabe gut erfüllt.
Es gab also keinen aktuellen Anlass für eine spontane Entscheidung, sondern es ist eine strategische Entscheidung?
Wolfgang Grenke: Auf jeden Fall. Alle Themen, die wir zuletzt in der IHK und im Präsidium bearbeitet haben, zeigen das Ergebnis, das ich mir gewünscht und vorgestellt habe. Ich glaube, ich kann sehr zufrieden sein mit der jetzigen Situation. Natürlich nicht mit der wirtschaftlichen Lage des Landes, aber sehr wohl mit der Situation der Industrie- und Handelskammer Karlsruhe.
Wie fielen die Reaktionen auf Ihre Ankündigung aus, das Amt abzugeben?
Wolfgang Grenke: Die meisten Reaktionen, die ich gehört habe, waren positiv. Da kam viel Verständnis, dass ich künftig mehr Zeit für Privates haben werde. Es gab auch Mutmaßungen, dass ich krank sei. Aber nein. Ich bin zwei Mal die Woche im Fitnessstudio. Ich habe ja eine junge Familie und deswegen ist es auch gut, wenn ich mich körperlich fit halte. Geistig sowieso. Ich bin in einigen Start-ups engagiert. Ich werde also nicht die Hände in den Schoß legen.
Was überwiegt: Die Freude auf den nächsten Lebensabschnitt oder doch Wehmut?
Wolfgang Grenke: Eher Freude. Gerade auf mehr Zeit für das eine oder andere. So schön es auch war, dass ich viele Dinge machen konnte und mit vielen Menschen über Wege diskutiert habe, die man gemeinsam gehen will.
Wie fällt Ihre Bilanz als IHK-Präsident nach über zwölf Jahren aus?
Wolfgang Grenke: Man muss unterscheiden zwischen Ereignissen, die wir nicht
beeinflussen konnten und die erhebliche Auswirkungen hatten. Ob das jetzt die Corona-Krise war, der russische Angriff auf die Ukraine oder auch die Lieferkettenproblematik. Viele unserer Maßnahmen haben gut gewirkt. Da war zum Beispiel unser Umgang mit der Corona-Krise. In der zweiten Phase haben wir tatsächlich erreicht, dass die Grenzen nicht zugemacht wurden. Das hätte erhebliche Auswirkungen für eine Reihe von größeren Unternehmen gehabt, die ja auch abhängig sind von den Mitarbeitern, die über die Grenze aus dem Elsass zu uns kommen. Zusammen mit unseren französischen Kollegen hatten wir Wege gefunden, um Corona-Testkits auszuteilen. Zeitweise war die Tiefgarage unter der IHK ein Drive-In zur Abholung von Testkits für Unternehmen.
beeinflussen konnten und die erhebliche Auswirkungen hatten. Ob das jetzt die Corona-Krise war, der russische Angriff auf die Ukraine oder auch die Lieferkettenproblematik. Viele unserer Maßnahmen haben gut gewirkt. Da war zum Beispiel unser Umgang mit der Corona-Krise. In der zweiten Phase haben wir tatsächlich erreicht, dass die Grenzen nicht zugemacht wurden. Das hätte erhebliche Auswirkungen für eine Reihe von größeren Unternehmen gehabt, die ja auch abhängig sind von den Mitarbeitern, die über die Grenze aus dem Elsass zu uns kommen. Zusammen mit unseren französischen Kollegen hatten wir Wege gefunden, um Corona-Testkits auszuteilen. Zeitweise war die Tiefgarage unter der IHK ein Drive-In zur Abholung von Testkits für Unternehmen.
Wie sehr schmerzt es Sie als überzeugten Europäer, dass es jetzt wieder Grenzkontrollen gibt, und wir somit kein freies Europa mehr haben?
Wolfgang Grenke: Ich hoffe natürlich, dass es nur eine Übergangsphase ist, und dass sich das nicht verfestigt. Ein Wirtschaftsraum kann nur bestehen, wenn er grenzenlos ist. Baden und Elsass bilden einen Wirtschaftsraum zusammen mit der Nordwestschweiz. Das ist eine trinationale Metropolregion, in der wir miteinander arbeiten. Nehmen wir als Beispiel die Initiative zur Wasserstoffversorgung. Wir müssen Wasserstoff über Pipelines transportieren. Das kann sowohl vom Süden, also vom Mittelmeer her, als auch vom Norden, von Rotterdam her passieren. Wasserstoff wird sicher einer der wichtigsten Bestandteile des Energieportfolios in unserer Zukunft sein. Damit unsere Industrien genügend Energie haben. Das muss grenzenlos funktionieren. Wir dürfen uns nicht abschotten.
Kommen wir nochmal zur Bilanz: Wie hinterlassen Sie Ihrem Nachfolger die IHK Karlsruhe?
Wolfgang Grenke: Es war ganz wichtig, dass wir die Industrie- und Handelskammer als Dienstleistungsunternehmen aufstellen. Das war nicht immer selbstverständlich, auch was die rechtlichen Rahmenbedingungen angeht. Die haben wir so extensiv ausgelegt, dass ein Dienstleistungsunternehmen daraus geworden ist. Ich bin besonders meinem, jetzt schon zwei Jahre an meiner Seite stehenden Hauptgeschäftsführer Dr. Arne Rudolph dankbar, der das perfekt umgesetzt hat. Es gehören bei der IHK immer zwei Seiten dazu: das Hauptamt und das Ehrenamt. Gerade die Unternehmer, die z.B. in der Vollversammlung vertreten sind. Die IHK hat heute ein anderes Bild, ein anderes Gesicht, als es vor einigen Jahren noch der Fall war. Das hat weniger mit den Personen zu tun, die damals tätig waren, als vielmehr mit einem Wechsel in der Sicht, in der Perspektive. Da konnten wir auch die Mitarbeiter in der IHK mitnehmen. Das war ganz wichtig.
Wie fällt Ihr Rückblick über die IHK und Karlsruhe hinaus aus?
Wolfgang Grenke: Ich war ja nicht nur Präsident in Karlsruhe, sondern ich konnte auch sechs Jahre lang die baden-württembergischen IHKn führen. Ich war im Vorstand des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) und auch fünf Jahre lang Vizepräsident im europäischen Kammerverband Eurochambres in Brüssel. Vieles von dem, was man bewirken kann, sind eigentlich kleine Schritte. Die großen Schritte werden von Regierungen verantwortet. Wir können nur schauen, dass wir unsere Struktur so aufstellen, dass wir möglichst reaktionsfähig bleiben, wenn sich Dinge verändern. Sicher, es gab auch eine ganze Reihe von Punkten, die wir auf der nationalen Ebene in Brüssel erreicht haben, aber da ist vieles schwerfälliger. Man kann auch nicht unmittelbar selbst wirken, sondern nur Hinweise geben, Themen ansprechen, die problematisch sind. Ich denke da beispielsweise an die Datenschutz-Grundverordnung oder die Lieferkettenthematik. Ein weiteres Thema ist der Abbau der Bürokratie. Das wird über mein Amt hinaus weitergehen.
Mussten Sie als IHK-Präsident immer ein Diplomat sein?
Wolfgang Grenke: Wenn ich ein paar Jahre zurückdenke, als ich noch wesentlich jünger war, war ich manchmal schon etwas aufgeregter, vielleicht auch etwas ungerechter. Ich habe nicht überlegt, aus welchem Grund mein Gegenüber sich so verhält, wie er sich verhält. Es lohnt sich, sich selbst durch die Augen des anderen anzuschauen. Dass man eben nicht einseitig eine Meinung hat und diese jetzt auf Teufel komm raus durchsetzen will. Dass es mehrere Sichten gibt, mehrere Perspektiven und man nur eine gute Lösung findet, wenn man den gemeinsamen Weg sucht. Heute bin ich ein bisschen stolz, dass ich Freunde und Verbündete in allen demokratischen Parteien habe.
Das Präsidentenamt der IHK ist ein Ehrenamt. Was war Ihre Motivation, so viel Zeit und Energie unentgeltlich einzubringen?
Wolfgang Grenke: Wenn man glaubt, dass etwas notwendig ist, gibt es zwei Möglichkeiten: Zu sagen, ich mache nur das, was für mich persönlich von Vorteil ist. Oder ich ziehe den Kreis weiter und mache auch die Dinge, die für mich persönlich vielleicht nicht von Vorteil sind, sondern sogar Arbeit und Zeit erfordern, vielleicht auch manchmal Geld, aber ich halte es für sinnvoll und notwendig. Das war meine Überlegung. Wir sind nun mal Gemeinschaftswesen. Eine einseitige Fokussierung auf sich selbst bringt uns nicht weiter.
Sie starteten nicht als Tellerwäscher. Aber Sie haben bescheiden angefangen …
Wolfgang Grenke: Anfangs hatte ich 1.800 Mark auf meinem Konto. Meine Eltern hatten einen kleinen Lebensmittelladen in Baden-Baden, und ich habe während des Studiums als Taxifahrer gearbeitet. Bei einem Verwandten konnte ich die Idee des Leasings von Geräten entwickeln und mich dann selbstständig machen.
Mit Grenke Leasing haben Sie einen börsennotierten Konzern aufgebaut. 2018 sind Sie als Vorstandsvorsitzender ausgeschieden und in den Aufsichtsrat gewechselt. Wie sehr schmerzen Sie heute noch die Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten, die 2021 auftauchten und widerlegt wurden?
Wolfgang Grenke: Mich schmerzt die Ignoranz, dass die Realität nicht anerkannt wird. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hat die Bilanz überprüft und uneingeschränkt testiert. Das hat auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein bestätigt. Obwohl Gegenbeweise vorliegen und bereits publiziert worden sind, werden in Medienberichten immer wieder die gleichen Vermutungen wiederholt. Das ist vielleicht ein Grundproblem, dass die Aufgeregtheit wichtiger ist als die Information. Man hat das Gefühl, das Negative hat Mehrwert und ist sowieso lauter und bekommt mehr Aufmerksamkeit. Natürlich stehen die Zeitungen unter Druck durch weniger Abonnements, weniger Anzeigen und durch Social Media, wo es kaum Kontrollen gibt. Die negative Schlagzeile mag sich besser verkaufen. Aber das darf nicht auf Kosten der Wahrheit gehen.
Sie haben in vielen Themen immer eine klare Position bezogen. Wie speist sich Ihre Haltung?
Wolfgang Grenke: Das ist einfach. Ich lebe nach dem Grundsatz: „Was du nicht willst, dass man dir tut, das füge auch keinem anderen zu.“ Man muss deutlich machen, wenn etwas nicht fair ist und nur einen einseitigen Vorteil bringt.
Wenn Sie am 8. April Ihr Präsidentenamt abgeben, machen Sie auch an anderen Stellen einen radikalen Schnitt?
Wolfgang Grenke: Ich bleibe weiterhin Mitglied der Vollversammlung. Außerdem bin ich als Aufsichtsratsvorsitzender beim KSC gerade für fünf Jahre wiedergewählt worden. Da hilft mir auch die Technik von Videokonferenzen. Das erleichtert die Zeitplanung für meine anderen Hobbys. Aber an erster Stelle steht natürlich die Familie. Ich bin auch Segler und hoffe, etwas mehr in der Welt herumzukommen. Obwohl ich vor allem im Mittelmeer bleiben werde.
Haben Sie keine Angst, dass Sie in ein Loch fallen, weil Ihr übervoller Terminkalender plötzlich leer ist?
Wolfgang Grenke: Überhaupt nicht! Ich habe viele Dinge aufgeschoben, die ich nicht machen konnte. Also mehr lesen und Musik hören, mehr Konzerte besuchen, als das in den letzten Jahren möglich war. Ich bin ja auch nochmal Vater geworden. Ich freue mich sehr, meine Tochter in dieser Lebensphase begleiten zu können.
Das Interview wurde geführt von Ute Kretschmer-Risché, Agentur exakt
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