Neue Wege der Fachkräftesuche

Neue Wege der Fachkräftesuche

Informelle Kompetenzen statt formaler Qualifikationen: So lautete, kurz zusammengefasst das Fazit des 6. Forums für Personalverantwortliche, das diesmal virtuell knapp 100 Zuschauerinnen und Zuschauer angelockt hat. Hauptzielgruppe waren Mitglieder von Personalabteilungen großer und kleiner Unternehmen unterschiedlicher Branchen, die alle ein Thema beschäftigt: Der Fachkräftemangel. Ziel des Forums war aber kein gemeinsames Klagen, sondern die Suche nach Lösungen. Dafür hatte die IHK Karlsruhe als Gastgeberin drei spannende Vorträge inklusive diverser Lösungsansätze im Angebot.
Schon in ihrem Grußwort betonte IHK-Vizepräsidentin und Leiterin des Forums, Ariane Durian, die Bedeutung von persönlichen Stärken. Sie appellierte an die Unternehmen, sich zu öffnen für auf den ersten Blick ungewöhnliche Bewerberinnen und Bewerber, für Mütter und Väter, die aus der Elternzeit zurückkehren oder für Menschen mit Migrationshintergrund. „Wenn man genau hinschaut, entsprechen Kompetenzen wie die Planung von Kindergeburtstagen, das Talent zu delegieren, zu kommunizieren, als Trainer oder Trainerin eine Mannschaft zu führen oder Konflikte im Team oder in der Familie zu lösen und nicht zuletzt auch Stressresistenz den Business- oder Managementkompetenzen. Sie sind ein Mehrwert in der Personalauswahl und – entwicklung“, so Durian, hauptberuflich als Geschäftsführerin der CONNECT Personal-Service GmbH.
Auch Ramona Stehle vom RKW Baden-Württemberg und Patrick Großheim vom RKW Kompetenzzentrum betonten in ihrer Key-Note „Zukunftsfähige Personalarbeit im Mittelstand - Tipps und Tricks aus der Praxis“ die Bedeutung von so genannten „Kompetenzen der Zukunft“, zu denen die Fähigkeit zu planen, Eigeninitiative, Teamarbeit, Kreativität, Weitblick, ethisches und nachhaltiges Handeln, Durchsetzungsvermögen und Motivation zählen.

Digitale Kompetenzen

Im Zentrum des Vortrags, bzw. Workshops standen die digitalen Kompetenzen, die bei Change-Prozessen eine entscheidende Rolle spielen. Personalverantwortliche seien als strategischer Partner und Change-Agenten ein wesentlicher Faktor für den Erfolg einer Transformation. Die Digitalisierung der administrativen Aufgabe sorge für die Konzentration auf die wesentlichen Aufgaben. 
„Das Personalmanagement muss zum Business-Partner des Top-Managements werden – und einen Beitrag zur Wertschöpfung leisten“. So lautete die Forderung des US-amerikanischen Professors Dave Ulrich im Jahr 1997, die von Großheim zitiert wurde. Der virtuelle Digitalisierungs-Check des RKW unterstütze bei Standortbestimmung und Zukunftsplanung. Mit ihm können die Unternehmen Antworten auf Fragen finden wie: Wo stehen Sie im Digitalisierungsprozess? Besteht Handlungsbedarf? Falls ja, wie dringend?
Ebenfalls um Kompetenzen oder auch Stärken und Potenziale, ging es in Brigitte Herrmanns Vortrag. Die Inhaberin der Inspirocon Potenzialberatung und frühere Headhunterin rief dazu auf, Potenziale intelligent zu entdecken. Ihr Credo: „Wenn wir Menschen so nehmen wie sie wirklich sind und nicht so, wie sie unserer Meinung nach sein sollten, dann haben sie die beste Chance, ihr volles Potenzial zu entfalten.“ Sie arbeitet nicht mit defizitorientierten Ansätzen, sondern mit der Positiven  Psychologie. Es geht darum, Stärken zu stärken und so mögliche Schwächen zu eliminieren. Herrmann setzt auf Fragen wie: „Wer ist der Mensch hinter dem Bewerbenden? Was kann er besonders gut, vielleicht sogar besser als andere? Und wie können wir das, was die Person mitbringt, auf die Stelle übersetzen?“ Um den Transfer von Stärken aus dem privaten in den beruflichen Kontext geht es auch auf der sich gerade im Entstehen befindenden Plattform Fächerkompetenzen, auf der Checklisten, Infomaterial und Tools hinterlegt sind und für deren Einrichtung neben Brigitte Herrmann auch die IHK, die Agentur für Arbeit und die Handwerkskammer verantwortlich sind.
Ganz aktuelle Updates lieferte Ass. Jur. Eberhard Hofäcker, Referent Recht bei der IHK zu Themen wie Arbeitsschutz und Corona, Wiedereingliederung, Urlaubsanspruch und Kurzarbeit.

„Stärker auf Zusatzkompetenzen schauen“

In der abschließenden, von Peter Minrath, Leiter Fachkräftesicherung bei der IHK, moderierten Diskussionsrunde, berichtete Ariane Durian, wie sich der Bewerbermarkt im Laufe der vergangenen Jahre geändert hat. „Früher hatten wir 20, 30 Bewerbungen auf eine Stelle. Heute können wir froh sein, wenn wir überhaupt eine Bewerbung bekommen. Die Unternehmen sind zu anspruchsvoll. Sie folgen immer noch dem klassischen Schema. Die Ausbildung muss stimmen, das Informelle Lernen spielt noch keine Rolle. Dabei sollte man stärker auf die Zusatzkompetenzen schauen. Es gibt unheimlich viele ungenutzte Potenziale“, so Durian.
Stefan Faust von der Agentur für Arbeit sieht den Arbeitsmarkt im Umbruch. Sorge bereitet ihm vor allem die demographische Entwicklung. „Bis 2025 werden eine halbe Million Arbeitsplätze mehr zu besetzen sein als Arbeitskräfte nachkommen.“ Der Mangel an Fachkräften sei schon überall greifbar.
Die IHK Karlsruhe habe bereits ein hohes Beratungsaufkommen im Bereich Aus- und Weiterbildungsberatung sowie in Sachen Familienfreundlichkeit und Arbeitgeberattraktivität, so Simone Heinrich, Leiterin Kommunikation und Internationale Märkte bei der IHK Karlsruhe. Laut der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage stehen bei den Möglichkeiten, dem Fachkräftemangel zu begegnen, Arbeitgeberattraktivität und Ausbildung an erster Stelle, gefolgt von Weiterbildung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Die Beteiligten nutzten das Forum abschließend für eine kleine Umfrage zu möglichen Themen für die geplante Fachkräftekampagne der IHK und der Agentur für Arbeit, die in Form einer Roadshow, Ende Juni starten soll.