Bürokratische Hürden schaden der Wettbewerbsfähigkeit
Vorsitzende des Normenkontrollrats zu Besuch in der IHK
Bei einem Unternehmergespräch in der IHK Karlsruhe schenkte die Vorsitzende des Normenkontrollrats Baden-Württemberg, Dr. Gisela Meister-Scheufelen, Vertretern regionaler Mittelständler auf Einladung der IHK Karlsruhe ihr Ohr. Sie wollte wissen, wo genau der Wirtschaft der Schuh drückt.
Die Vorsitzende des Normenkontrollrats Baden-Württemberg, Dr. Gisela Meister-Scheufelen (5 v. l.), mit Vertretern regionaler Mittelständlern und der IHK Karlsruhe.
© IHK Karlsruhe
„In unserem Betrieb wird der Verwaltungsbereich immer weiter aufgebaut. Grund dafür ist die Bearbeitung einer wachsenden Zahl an Bürokratiethemen. Das Ganze geht auf Kosten der Produktion. Wenn das so weiter geht, sind wir international nicht mehr wettbewerbsfähig“, berichtet Markus Klefenz von der Anton Debatin GmbH in Bruchsal beim Unternehmergespräch mit dem Normenkontrollrat Baden-Württemberg. Dr. Gisela Meister-Scheufelen, die Vorsitzende dieses unabhängigen Expertengremiums, das die Landesregierung berät, schenkte Vertretern regionaler Mittelständler auf Einladung der IHK Karlsruhe ihr Ohr. Sie will wissen, wo genau der Wirtschaft der Schuh drückt. Die wichtigsten Themen und größten Hürden möchte sie gegenüber der Landesregierung ansprechen.
Reinhold Hiss, Vorsitzender des IHK Arbeitskreises Steuern und Recht und Wirtschaftsprüfer / Steuerberater bei der Bansbach GmbH, nannte zunächst die besonders zeitintensive Betriebsprüfung als Beispiel für überbordende Bürokratie, die sich teilweise über mehr als ein Jahrzehnt ziehe. Die Unternehmensvertreter Matthias Kranich (weisenburger bau GmbH), Markus Klefenz (Anton Debatin GmbH) und Dr. Reinhard Möller (Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Bartsch Rechtsanwälte PartG mbB) beklagen dieses Hindernis ebenfalls und erwähnen in diesem Zusammenhang eine hierfür vorgegebene, aber ungeeignete Software. Außerdem sei die seit einiger Zeit verpflichtende E-Bilanz nur ein zusätzlicher Aufwand, der von den Finanzämtern nicht einmal genutzt würde.
Ein weiteres Problem seien komplett unverständliche Formulare, beispielsweise für Förderprogrammanträge. Ähnliches gelte auch für die bei der Bundesagentur für Arbeit einzureichende Arbeitgeberbescheinigung. Dr. Reinhard Möller berichtet, dass diese so komplex sei, dass zum Ausfüllen regelmäßig die Hilfe von Rechtsanwälten in Anspruch genommen werde. Hier wie auch bei anderen Mitteilungspflichten schlägt der Normenkontrollrat Baden-Württemberg eine Once Only-Lösung vor: Daten werden einmalig an einer zentralen Stelle eingereicht und werden dann von dort weiter verteilt.
100 Standards für den Brandschutz
Die Anton Debatin GmbH hat derzeit mit den bürokratischen Begleiterscheinungen des Baus einer betriebseigenen Fotovoltaikanlage zu kämpfen. „Es gibt so viele Hürden. Angefangen beim Brandschutz, der mit dem Versicherer, der Stadt Bruchsal und der Berufsgenossenschaft zu klären ist. Es gibt insgesamt mehrere 100 Standards für Brandschutz.“ Wird ein Verpackungshersteller damit zum Stromproduzenten, hat er mit einer Reihe von Auflagen zu kämpfen. Was passiert beispielsweise mit nicht firmeneigenen, geleasten Druckern und Kaffeemaschinen? Hierfür darf nämlich der selbst produzierte Strom nicht ohne weiteres genutzt werden. Das Problem tritt besonders dann auf, wenn man beim Zollamt eine Stromsteuererstattung beantragt.
Weitere Themen waren unter anderem die aufwändige und zeitintensive Eintragung von Gesellschaften oder die Landesbauordnungen, die das Bauen über Bundesland-Grenzen hinweg deutlich erschweren. Auch die Artenschutzvorgaben, wie zum Beispiel zu der Umsiedelung von Echsen, können zu erheblichen Bauverzögerungen führen. Zudem wurden Themen auf Bundes- und Europaebene diskutiert, wie die Verpflichtung zur Aushändigung eines schriftlichen Nachweises über die Arbeitsbedingungen, die schwer mit „new work“ zu vereinenden gesetzlichen Vorgaben zur Arbeitszeit (-erfassung), sowie Hürden durch den Datenschutz und Probleme bei der Gewinnung von Mitarbeitenden aus dem Ausland.
Ursachen für unnötige Bürokratie
Als Ursachen für unnötige Bürokratie nannte Dr. Gisela Meister-Scheufelen folgende Punkte: die Komplexität der Regelungsbereiche, der Wunsch nach Einzelfallgerechtigkeit, Perfektionsdrang, aber auch Misstrauen, Sicherheitsdenken, fehlende Praxisnähe von Politik und Verwaltung, Abwälzung staatlicher Aufgaben auf die Wirtschaft und die fehlende politische Priorisierung von Bürokratieabbau. Ihre Lösungsvorschläge: „Politik muss das Thema Bürokratieabbau priorisieren, möglichst in Form eines Bürokratieentlastungsgesetzes. Die Digitalisierung muss weiter vorangetrieben werden, Praxistests sind unbedingt nötig und eine Modernisierung der Verwaltung unabdingbar.“ Dabei geht es dem Normenkontrollrat Baden-Württemberg um mehr Transparenz, mehr Eigenverantwortung, um Ergebnisse statt Vorschriften, um Vertrauen und einen Kulturwandel in der Verwaltung insgesamt.