Zeitsprung

Unternehmer unternimmt etwas

Mein Vater hatte ein großes Bürobedarfsgeschäft in Fellbach. Da habe ich Büro­maschinenmechaniker gelernt und später gearbeitet. 1994 fragte Vater mich, ob ich während des Fellbacher Herbstes mit ­meinem Bruder den Kuchenverkauf vorm Geschäft übernehmen könnte. Wir überlegten, „wenn Kuchen, dann auch Wein und wenn Wein, dann auch Zwiebelkuchen“. Daraus wurde „s`Höfle bei Jo und Stefan“.
Einem Gast gefiel das Konzept so gut, dass er uns einlud, auf der Terrasse der Alten Kanzlei in Stuttgarter einen Weihnachtsmarktstand zu eröffnen. Eine tolle Sache, die jedes Jahr größer wurde. Daraus er­gaben sich wiederum Cateringaufträge.

Viele unkalkulierbare Nebenkosten verdoppelten den Mietpreis

Als wir dafür das erste Zelt mieteten, war das der Graus: Es ­kamen so viele unkalkulierbare Nebenkosten dazu, dass sich der Preis am Ende verdoppelte. „Das kann doch nicht wahr sein“, dachten wir und kauften ein ­eigenes Zelt. Das vermieteten wir zu einem Pauschalpreis. Damals machte das noch keiner. Dazu waren wir auf die Minute pünktlich und alles immer sauber. Bis heute ist das unser Erfolgsrezept!
Am 15. Mai 1996 gründete ich unser Unternehmen. Weil ich viele Schulungen bei IBM gemacht hatte, wusste ich, wie wichtig das äußere Erscheinungsbild ist. Deshalb entwickelte ich ein Logo und einen ein­gängigen Namen: Mize für Mietzelte.

Gleich der erste große Auftrag kam vom Daimler

Es ging gleich so richtig los mit einem Auftrag vom Daimler für „Stars und Cars“. Eigentlich war Mize damals noch viel zu klein dafür. Die Zelte habe ich zu Hause im Wohnzimmer gewaschen, im Flur stand das Gestänge und Leute hatte ich auch keine. Trotzdem habe ich ganz großkotzig zu­gesagt und dafür alle Freunde und Verwandten eingespannt. Ein Riesenerfolg!
Damals arbeitete ich noch bei meinem ­Vater, konnte also allen Mize-Verdienst reinvestieren. Doch Vater wollte, dass ich die „Tässlesvermietung“ aufgab. So ­nannte er das, weil ich auch Geschirr vermietete, das die Kunden samstags im Laden ab­holten.
Vater und einjähriger Sohn Jacques mit Kochmütze in der Großküche
Augenhöhe mit Sohn Jacques war Joachim Kurrle auch vor 25 Jahren schon wichtig. © Kurrle
Ich entschied mich für Mize und von da ab ging es Schlag auf Schlag. 1999 kauften ­meine Frau Birthe und ich den ersten LKW. Wir waren so stolz, haben auf der Pritsche mit einer Kiste Bier gefeiert! Zwei Jahre ­später wurde uns dann klar, wie schnell alles den Bach runter gehen kann. Nach 9/11 ­wurde ja erst einmal gar nicht mehr gefeiert.
Aber wir haben den Schalter umgelegt und überlebt. Auch, weil wir immer auf Qualität geachtet und investiert haben. Als Zeltwaschanlagen auf den Markt kamen, haben wir gleich das zweite Exemplar gekauft. Später kam eine Bodenwaschanlage dazu und der erste von heute drei Sattelzügen. Auch räumlich haben wir uns stark ver­größert. Heute müsste die Salierstraße hier in Fellbach eigentlich Mize-Straße heißen. So viel ­Lagerfläche mieten wir.
Ich wollte unbedingt, dass wir Partner auf Augenhöhe sind
9/11 war dann gar nichts gegen Corona. 2020 wurde unser schlimmstes Jahr. Wir ­kamen im Februar aus dem Skiurlaub zurück und haben von jetzt auf gleich einfach alles runtergefahren. Uns war klar: dass wird eine Katastrophe.
Aber als Unternehmer unternimmt man was. Wir haben mit einem Hersteller eine Waschanlage für ­Pagodenzelte entwickelt, außerdem ein digitales Kundenzählsystem für Supermärkte und wirklich alle Kliniken, Behörden und das Rote Kreuz angeschrieben und unsere Zelte angeboten. 2021 sind wir dann komplett überrannt worden: 130 Zelte hatten wir in Spitzenzeiten für Testzentren und Impfstationen im Einsatz.

Als der Sohn einstieg, begann die Zukunftsplanung

2017 ist Jacques bei mir eingestiegen, das älteste meiner vier Kinder. Als er mir sagte, dass er das Unternehmen fortführen will, habe ich begonnen, die Zukunft zu ­planen. Zunächst habe ich mich ein paar ­Wochen zurückgezogen und Jacques und meiner Frau Birthe gesagt, „macht mal“. „Die können das auch ohne mich“, habe ich festgestellt und mich daraufhin bei der IHK und einer Nachfolgespezialistin beraten lassen. Das Ergebnis: meine Frau und die anderen Kinder haben eine Verzichtserklärung beim Notar unterschrieben. Das war für alle eine knallharte Entscheidung, aber nur wenn ­alles Geld in der Firma bleibt, hat sie eine Zukunft.
Mit Ende 50 sitze ich nun nicht mehr sozu­sagen auf dem Thron und kann alles ansagen
Aus der Mize e.K. wurde eine oHG, an der Jacques und ich je die Hälfte besitzen. Mit Ende 50 sitze ich nun nicht mehr sozu­sagen auf dem Thron und kann alles ansagen. Ich wollte aber unbedingt, dass wir Partner auf Augenhöhe sind und kann das nur jedem Kollegen in ähnlicher Situation empfehlen. Und warten Sie damit nicht, bis Sie 85 sind!
Aufgezeichnet von Dr. Annja Maga für magazin Wirtschaft 3-4.2023