Magazin Wirtschaft

Jahresgespräch: Management bei Talking

Jahresgespräche dienen der Mitarbeiterbindung, denn die Menschen wollen heute gesehen und ernst ­genommen. Außerdem wollen sie wissen, welche Karriere- beziehungsweise Entwicklungsmöglichkeiten der Chef für sie plant. Und natürlich ist es für sie auch eine gute Gelegenheit, ihre Wünsche und ­Einschätzungen zu äußern.
In Unternehmen, in denen viel im Homeoffice gearbeitet wird, ist die persönliche Abgleichung von Erwartungen und Zielen besonders wichtig. Trotzdem sind solche Gespräche keine Selbstverständlichkeit: Studien zeigen, dass rund 25 Prozent der Mitarbeiter in deutschen KMUs nie zu einem Jahres- gespräch eingeladen wird.

1. Warum der Jahreswechsel ein guter Termin ist

Mitarbeiter­gespräche sollte man mindestens einmal jährlich führen. Der Januar eignet sich perfekt, denn dann beginnt etwas Neues, nicht nur in den Büchern und Bilanzen, sondern auch in den Köpfen. In vielen Unternehmen ist es zudem zwischen den Jahren ruhiger, so dass sich eher Zeit für ein ausführliches Gespräch findet.

2. Wen Sie einladen sollten

Führen Sie unbedingt mit jedem ­Ihrer Mitarbeiter ein persönliches Gespräch, nicht nur mit der Ebene unter Ihnen. Führen Sie es unter vier Augen.

3. Mit der Einladung Respekt zeigen

Leistungsbeurteilung muss fair, zeitgemäß und zur neuen Arbeitswelt passend sein. Respekt zeigen Sie schon dadurch, dass Sie mit dem Mitarbeiter einen Termin vereinbaren. So sieht er, dass Sie seine Arbeit aber auch sein privates Zeitmanagement ernst nehmen. Sorgen Sie für mindestens eine Woche Vorlauf, damit sich beide Seiten vorbereiten können.
Behandeln Sie den Termin wie einen Kundentermin, blockieren Sie also genügend Zeit, verschieben Sie ihn nicht und sorgen Sie dafür, dass Sie nicht gestört werden. Verabreden Sie sich im Besprechungsraum, nicht in Ihrem Büro. Auf jeden Fall muss es ruhig sein und die Tür zu.  

4. Bereiten Sie sich individuell auf jeden Gesprächspartner vor

Überlegen Sie, was Sie von der Person wissen, von ihren Bedürfnissen: Sucht er in erster Linie Sicherheit oder eher Zugehörigkeit? Will er Anerkennung aus seiner Arbeit ziehen oder sich selbst verwirklichen? Bedenken Sie dabei, dass es seit Corona einen Wertewandel gegeben hat: Der Wunsch nach Freizeit für Familie, Hobbys und für die persönliche Entfaltung steht Studien zufolge jetzt bei über 70 Prozent der Beschäftigten ganz oben auf der Wunschliste.  
Zudem erwarten viel mehr Menschen als früher von ihrem Arbeitgeber, dass er für ihr Wohlergehen sorgt und ihnen das Gefühl gibt, ihre Arbeit sei sinnvoll. Überlegen Sie darum, wie Sie die kurz- und mittelfristigen Ziele Ihres Unternehmens so kommunizieren, dass der Mitarbeiter sie als sinnstiftend empfindet und machen Sie deutlich, wie er  dazu beitragen kann.
Machen Sie sich aber auch Gedanken, wie Sie auf den Mitarbeiter wirken: Hat er Angst vor Ihnen oder, im Gegenteil, denkt er „der hat doch keine Ahnung!“ Tun Sie alles, damit Sympathie und Vertrauen das Gespräch prägen, denn das ist die Basis einer guten Kommunikation.

5. Machen Sie sich klar, was Sie erreichen wollen

Was erwarten Sie von dem Mitarbeiter im nächsten Jahr ? Welche Förderung braucht er dafür und wie überzeugen Sie ihn. Unnötig zu sagen, dass das Jägerprinzip ausgedient hat, wonach der Chef angewiesen und später kontrolliert hat.
Längst ist an diese Stelle das Hirtenprinzip getreten: Die Mitarbeiter erwarten Empathie und Wertschätzung. Weil Motivation über positives Feedback erfolgt, loben Sie viel! Das überzeugt allerdings nur, wenn Sie ganz konkrete Dinge loben, zum Beispiel: „Wie Sie das Problem X gelöst haben, das war große Klasse!“ Sammeln Sie also konkrete Beispiele für alles was Sie loben wollen (aber auch für alles was Sie kritisieren wollen).

6. Das Gespräch besteht nicht nur aus Worten

­Machen Sie sich unbedingt klar, dass 80 Prozent dessen, was der Mitarbeiter aus dem Gespräch mitnimmt, auf nonverbalem oder paraverbalem Weg transportiert wird. Paraverbal ist zum Beispiel, wenn Sie mit einem tiefen Seufzer auf den Stuhl sinken. Auch Lautstärke, Tonlagen, Pausen oder Lachen sind solche Signale, die zu Missverständnissen führen.
Das liegt auch daran, dass jede Aussage neben der Sachinfo noch drei weitere Informationen non-verbal transportiert, nämlich „wie ist meine eigene Stimmung“, „wie sympathisch ist mir mein Gesprächspartner“ und „was will ich von ihm“.
Konflikte entstehen, wenn diese Botschaften vom Gegenüber falsch gedeutet werden. Statt, „der Chef hat Stress“ kommt also an, „das Gespräch mit mir ist ihm lästig“. Deshalb ist auch das schönste Lob nichts wert, wenn Sie dabei (auch nur mal ganz kurz) aufs Handy schauen oder den Kaffee einschenken, statt dem Mitarbeiter in die ­Augen zu sehen.
Der Schlüssel zu gelungenen und wertschätzenden Gesprächen ist, den Mitarbeiter als Mensch wahrzunehmen und nicht nur als ­Arbeitskraft. Augenhöhe ist dabei das A und O, und dazu gehört auch, dass Sie ­einen Dialog führen, keinen Monolog. Kommunizieren Sie klar und fragen Sie nach, wenn sie das Gefühl haben, der andere habe etwas nicht verstanden.

7. So bauen Sie das Gespräch auf

Das ­eigentliche Gespräch ist zweigeteilt: ­Beginnen Sie mit dem Rückblick. Machen Sie deutlich, wie sehr Sie die Leistung ­registrieren und schätzen und machen Sie das an konkreten Beispielen fest. Gleichen Sie die Ergebnisse mit den Vereinbarungen des Vorjahres ab. Negatives sollten Sie ­belegen, aber nicht bewerten, sondern nur darstellen. Geben Sie dem Mitarbeiter auch Gelegenheit, seine Leistung und seine Entwicklung selber einzuschätzen.
Im zweiten Schritt geht es um den Ausblick: Welche Ziele sollen erreicht ­werden. Ordnen Sie sie in die übergeordneten ­Unternehmensziele ein, damit der Mit­arbeiter weiß, warum Sie das erwarten. Die Ziele sollten spezifisch, messbar, anspruchsvoll aber realistisch sein. ­Fragen Sie nach, welche Förderung zu ihrer Er­reichung nötig ist und setzen Sie feste Termine. Halten Sie alles schriftlich fest. Und: Lassen Sie Ihrem Mitarbeiter das letzte Wort.
Übrigens: Gehaltsverhandlungen gehören nicht in das Jahresgespräch

8. So sichern Sie die Ergebnisse

Halten Sie alle Ergebnisse schriftlich fest. Beide Seiten sollten sie unterschreiben. Behalten Sie das Besprochene im Blick und gleichen Sie es regelmäßig mit dem Ist-Zustand ab. Vergessen Sie nicht, unter dem Jahr zu ­loben, wenn Sie positive Entwicklungen registrieren.

Thomas Lung, Ulmer Potentialschmiede GmbH, für Magazin Wirtschaft 1-2.2024