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„Sprachlich abrüsten und nicht so schnell urteilen“
Beim Frühjahrsempfang der IHK im „Speisewerk“ des Urbanharbor-Areals Ludwigsburg begrüßten der neu gewählte Bezirkskammerpräsident Axel Kunkel und die Leitende IHK-Geschäftsführerin Sigrid Zimmerling die 500 Gäste aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.

Sein Amtsantritt falle in eine herausfordernde Zeit, sagte Kunkel: Fehlende Aufträge, steigende Kosten, Fachkräftemangel, geopolitische Unsicherheiten und eine wachstumshemmende Politik belasteten die Wirtschaft, so der Präsident. „Vertrauen in die Wirtschaftspolitik entsteht nur durch entschlossenes Handeln“, so Kunkel. „Jetzt ist der Moment für eine echte Wende! Wir rufen alle politischen Entscheidungsträger dazu auf, diesen Weg mit uns zu gehen.“
Zeit für eine Wende
„Familienbetriebe, Start-ups, Mittelständler und Global Player brauchen dringend eine Reformagenda“, stimmte Sigrid Zimmerling ein. Die IHK-Geschäftsführerin forderte Entlastungen, schnellere Fachkräfteintegration und eine wirtschaftsfreundliche Politik, um den Rückgang der Investitionen und die Abwanderung von Firmen zu stoppen. „Eine starke Wirtschaft sichert Demokratie und Wohlstand.“, schloss Zimmerling.

V.l.: Axel Kunkel, Sigrid Zimmerling, Jens Kenserski, Annette Binninger, Dr. Andreas Möller, Prof. Steffen Mau, Bernhard Pörksen
Wohin steuert die Gesellschaft?
Dass Demokratie und Wohlstand zusammengehören, scheint in Zeiten autoritärer Tendenzen auf der ganzen Welt nicht mehr selbstverständlich zu sein. Dies zumindest zeigte sich in der anschließenden Podiumsdiskussion „Medien und Demokratie – wohin steuert unsere Gesellschaft“ zwischen Annette Binninger von der „Sächsischen Zeitung“, dem Tübinger Medienwissenschaftler Prof. Bernhard Pörksen und dem Berliner Soziologieprofessor Steffen Mau. Moderiert wurde das Gespräch von Dr. Andreas Möller, Kommunikationschef der Trumpf SE & Co. KG.
Neue Forn des Autoritarismus
„Wir müssen es ernst nehmen, dass derzeit eine neue Form von Autoritarismus entsteht, die wirtschaftlichen, medialen und politischen Einfluss miteinander vermengen“, eröffnete Pörksen, als er von Möller auf das Bündnis zwischen Donald Trump und Elon Musk aber auch auf die seiner Ansicht nach unterwürfige Haltung der amerikanischen Konzernlenker angesprochen Wurde. Das Verhalten Musks, so Pörksen, sei „eine Form von Kulturkampf“ und betriebswirtschaftlich nicht zu erklären, denn sein politischer Feldzug habe den Chef von Tesla und „X“ um viele Milliarden Dollar ärmer gemacht. Mit Sorge betrachtet der Medienwissenschaftler die „gigantische Umschichtung des Anzeigenmarkts vom Lokaljournalismus in die Plattformökonomie.“ Das sei fatal, denn die Demokratie brauche die lokalen Akteure.

Vertrauen schwindet
Annette Binninger, die als gebürtige Mannheimerin seit Jahrzehnten in Sachsen lebt und arbeitet, beklagte die von Stereotypen und Schwarzweiß-Denken geprägte Wahrnehmung Ostdeutschlands, die seit der Wiedervereinigung „in Wellen immer wieder hochkommt.“ Dabei sei der Radikalismus kein Problem des Ostens: „Die Mehrheit wählt auch hier nicht blau.“ Vielmehr drohe die anhaltende Ineffektivität staatlichen Handelns „das Vertrauen, dass wichtige Dinge angepackt werden“ zu untergraben, und das im Westen wie im Osten.
Kulturkampf – ein Medienphänomen?
Doch ist die Gesellschaft überhaupt so polarisiert, wie es den Anschein hat? Steffen Mau zweifelt daran. Der Kulturkampf zwischen rechtem Populismus und linker „Wokeness“ beherrsche zwar die Medien, so der Soziologe. „Sie spielen im Alltag der meisten Menschen aber keine Rolle.“ Auch der Gegensatz zwischen West- und Ostdeutschland werde dramatisiert. „Wir waren mit der Erwartung einer Angleichung der Verhältnisse völlig naiv“, findet der Mau. „Dabei müssten wir doch wissen, dass alle regionalen Unterschiede über die Zeiten sehr stabil sind.“
Nicht zu pessimistisch werden
Wie aber herausfinden aus der „Profanierung der Ungeduld“, deren Ursprung Bernhard Pörksen bei „einigen der intelligentesten Menschen der Welt“ im Silicon Valley ausgemacht hat? Hier empfiehlt der Wissenschaftler: „Sprachlich abrüsten, genauer hinschauen und mit dem Urteil abwarten.“ Vor allem aber: „Nicht zu pessimistisch werden.“

Nach der Diskussion ließen die Gäste den Abend im Urbanharbor bei Essen und Getränken ausklingen – die perfekte Gelegenheit, sich auszutauschen, Gespräche fortzuführen und neue, wertvolle Kontakte zu knüpfen.
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Sigrid Zimmerling