Made in the Länd

Digitale Zwillinge für die Industrie

Sogenannte digitale Zwillinge werden in der Industrie immer wichtiger. Die Stuttgarter Lightshape beschäftigt sich seit gut 15 Jahren mit dem Thema.
Lightshape
Als Porsche vor sieben Jahren seinen Panamera E-Hybrid vorstellte, nahm der Autobauer aus Zuffenhausen zu den internationalen Autosalons nicht immer ein richtiges Fahrzeug mit. Präsentiert wurde das neue Modell virtuell als „digitaler Zwilling“. Die Messebesucher mussten eine VR-Brille aufsetzen, konnten den Flitzer dann aber bewundern, als stünden sie direkt davor. Der Wagen war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in allen Ländern verfügbar und man wollte die neue Technologie für Kunden in einem Porsche erlebbar machen.

Schwerpunkt Maschinenbau und Autoindustrie

„3-D-Echtzeitmodelle zu programmieren, ist immer noch eine Herausforderung“, sagt Leonard  Kaup, dessen Arbeitgeber Lightshape GmbH die virtuelle Präsentation damals möglich machte.  „Auch weil die Qualitätsansprüche seither gewachsen sind.“ Der Stolz ist dem Betriebswirt  anzumerken, obwohl er selbst erst vor eineinhalb Jahren als „Business Developer“ zum Lightshape-Team gestoßen ist. Zudem haben sich die Stuttgarter Experten seither mehr dem Maschinen- und  Anlagenbau zugewandt, auch wenn sie noch immer namhafte Autohersteller zu ihren Kunden  zählen.
Denn digitale Zwillinge und realistische 3-D-Modelle werden in vielen Branchen eingesetzt, vor allem aber dort, wo es um technisch anspruchsvolle Produkte geht. Angefangen hatte es bei Lightshape 2007 mit Gebäuden und Stadtvierteln – die Unternehmensgründer Robin Wenk  und Daniel Classen sind beide Architekten.

Potenzial noch gar nicht ausgeschöpft

Was die digitalen Zwillinge für den Maschinen- und Anlagenbau so interessant macht, ist die  Möglichkeit, ein kompliziertes Objekt anhand der CAD-Daten virtuell ins Leben zu rufen, noch ehe es aus Stahl, Aluminium oder Kunststoff mühevoll gefertigt worden ist. Das Handling und die  Prozesse um visuelle Daten sind mitunter sehr komplex.
In vielen Industriebetrieben wird das Potenzial deshalb gar nicht ausgeschöpft, so Kaup. Dabei könnten unterschiedliche Fachbereiche stark davon profitieren, wenn die Daten aus einer  durchgängigen Pipeline für die Erfordernisse von Entwicklung, Produktion, Marketing usw.  ausgeleitet werden. „Richtig aufeinander abgestimmt lassen sich diese Prozesse deutlich  beschleunigen.“

Weltweite Teamarbeit möglich

In der Produktentwicklung werden Verbauuntersuchungen virtuell durchgeführt und Schulungen zur Bedienung neuer Maschinen erfolgen am digitalen Zwilling. So zeigt es sich zum Beispiel früher, wenn Teile an einer Maschine schwer erreichbar sind. Auch kann Personal bereits an Anlagen eingearbeitet, bevor diese überhaupt betriebsbereit sind.
Das Verfahren ermöglicht es zudem, Mitarbeiter an einer neuen Maschine einzuarbeiten, noch ehe diese überhaupt betriebsbereit ist. Dabei können sich die Teilnehmer sogar von Standorten in Marbach, Manila und Mexiko-Stadt gleichzeitig zuschalten. Am 3-D-Modell lässt sich auch gefahrlos der Umgang mit neuer Technik trainieren – etwa die Wartung von E-Autos. „Wenn Sie da einen Kurzschluss verursachen, hat das erst einmal keine schlimmen Folgen.“ Trainingsanbieter sind deshalb wichtige Kunden von Lightshape.

Virtueller Showroom

Der digitale Zwilling ist auch wie geschaffen für das Produktmarketing – zum Beispiel auf Messen. Mit Grauen erinnert sich Leonard Kaup, wie einmal ein Aussteller auf einem benachbarten Stand eine Presse in Betrieb nahm, um sie Kunden vorzuführen. „Die ganze Messehalle litt unter dem  Krach – von dem enormen Aufwand beim Auf- und Abbau ganz zu schweigen.“ Mit 3-D-Animationen kann man seine Produkte genauso anschaulich präsentieren, jedoch mit weniger Energieeinsatz und Kollateralschäden.
Wer immer nur von Messe zu Messe plant, verschenkt Möglichkeiten
Und, das ist wichtig: auch dann, wenn einmal keine Messe ansteht. Für die Firma Groz-Beckert  haben die Lightshape-Entwickler einen virtuellen Showroom geschaffen. Darin können die Kunden des Nadelherstellers von der Schwäbischen Alb spazieren gehen, sich an einzelnen Stationen mehrere Produkte in Aktion anschauen und sich dabei mit Vertriebsmitarbeitern unterhalten. Die Animation der Nähnadeln ist dabei so realistisch, dass man sie zunächst für eine Filmaufnahme  hält und kaum glaubt, dass sie nur als Bits und Bytes existieren.
Für die Unternehmen im  Maschinen- und Anlagenbau werden solche virtuellen Welten immer wichtiger, sagt Leonard Kaup. Schließlich kann man sich zu jedem beliebigen Zeitpunkt auch an internationale Kunden wenden, als begegne man ihnen persönlich auf einer Messe. „Es wird immer klarer: Wer nur von Messe zu Messe plant, verschenkt Möglichkeiten.“