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Arbeitsrecht vs. Betriebsfrieden
Nach dem Ampel-Aus wurde ja ganz schön ausgeteilt im politischen Berlin! Ähnlich hoch her geht es manchmal in den Betrieben, wenn Kollegen mit unterschiedlichen Überzeugungen zusammenarbeiten. Aber auch wenn sich Mitarbeiter privat unangemessen äußern wie zuletzt in einem Video von einer Party auf Sylt, wo ausländerfeindliche Parolen gegrölt und verbotene Gesten gezeigt wurden.
- Grundsätzlich kein Kündigungsgrund, aber…
- … der Betriebsablauf darf nicht gestört werden
- Ist außerdienstliches Verhalten also Privatsache?
- Wann private politische Ansichten zur Kündigung führen können
- Druckkündigung nach Kunden- oder Kollegenbeschwerden – was ist zu beachten?
- Eine Frage des Einzelfalls
- Besser vorbeugen durch Sensibilisierung!
Doch rechtfertigt so ein Verhalten eine Kündigung, nur weil der Arbeitgeber eine andere politische Meinung vertritt oder sich nicht mit einer solchen Meinung in Verbindung gebracht wissen will? Wie kann sich die politische Gesinnung auf das Arbeitsverhältnis auswirken?
Grundsätzlich kein Kündigungsgrund, aber…
Die politische Gesinnung ist durch das Grundgesetz im Rahmen der Meinungsfreiheit geschützt und darf grundsätzlich kein Kündigungsgrund sein. Dies würde gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen und wäre unzulässig.
Ausnahmen bilden nur politische oder konfessionelle Arbeitgeber, da es bei ihnen gerade auf die Gesinnung der Arbeitnehmer ankommt. Auch im öffentlichen Dienst kann die Bewertung der Zurschaustellung der politischen Gesinnung strenger ausfallen, besonders bei Beamten.
… der Betriebsablauf darf nicht gestört werden
Abgesehen von diesen Ausnahmen kann die politische Einstellung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erst problematisch werden, wenn der Arbeitnehmer sie im Betrieb kundtut. Meinungsfreiheit findet ihre Grenzen, wenn durch politische Äußerungen der Betriebsablauf gestört oder der Betriebsfrieden beeinträchtigt wird.
Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn ein Arbeitnehmer Kollegen oder den Arbeitgeber rassistisch beleidigt, sie durch ständige verbale Agitation oder Provokation belästigt oder wenn Flugblätter im Betrieb verteilt würden und dies den Arbeitsablauf stört. Die Überschreitung dieser Grenzen kann eine ordentliche oder sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
Ist außerdienstliches Verhalten also Privatsache?
Welche Ansichten Mitarbeiter in ihrer Freizeit vertreten, geht den Arbeitgeber grundsätzlich nichts an. Private politische Äußerungen oder Handlungen können laut Bundesarbeitsgericht aber dann ein Grund zur Kündigung sein, wenn der Arbeitnehmer einen Bezug zum Arbeitgeber herstellt oder das Arbeitsverhältnis durch sie konkret beeinträchtigt wird.
Wann private politische Ansichten zur Kündigung führen können
Ein Bezug liegt beispielsweise vor, wenn man im Internet seine Meinung kundtun, während im Profil der Arbeitgeber angegeben ist. Genauso ist die Teilnahme an einer Demonstration zu werten, wenn Dienstkleidung getragen wird, die den Arbeitgeber erkennen lässt. Aber auch jede Äußerung, die für den Arbeitgeber ruf- oder geschäftsschädigend ist, kann eine Kündigung zur Folge haben.
Druckkündigung nach Kunden- oder Kollegenbeschwerden – was ist zu beachten?
Eine politische Gesinnung, aufgrund derer Kunden oder Kollegen nicht mehr mit dem Arbeitnehmer zusammenarbeiten wollen, kann eine Druckkündigung rechtfertigen. An sie sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen.
An einem Bezug zum Arbeitsverhältnis fehlt es, wenn die privaten Äußerungen in einem Umfeld getätigt werden, in dem man von der Vertraulichkeit seiner Worte ausgehen darf. Dies kann beispielsweise in WhatsApp-Chatgruppen unter Kollegen der Fall sein, wenn sie auf Privathandys betrieben werden und die Mitglieder untereinander vertraut sind.
Eine Frage des Einzelfalls
Die Kündigung ist das letzte Mittel, zu dem Arbeitgeber greifen dürfen, wenn ihnen weniger einschneidende Maßnahmen wie Abmahnung oder Versetzung nicht mehr zugemutet werden können.
Auf der anderen Seite haben Arbeitgeber nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz auch die Pflicht, vor Benachteiligungen zu schützen. Gerade bei schweren Beleidigungen oder bei einer rassistischen Äußerung gegenüber Kollegen kann eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung wirksam sein. Ob diese gerechtfertigt ist, muss immer im Einzelfall geprüft werden.
Besser vorbeugen durch Sensibilisierung!
Neben arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Kündigung oder Abmahnung können Arbeitgeber auch vorbeugende Maßnahmen treffen und die Belegschaft etwa durch Gespräche, Schulungen und Informationsveranstaltungen dafür sensibilisieren, dass ihre politischen Äußerungen Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis haben können und sie entsprechend Rücksicht üben müssen.
Karin-Franziska Lenhardt, IHK Region Stuttgart, für Magazin Wirtschaft 11-12.2024
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Karin-Franziska Lenhardt