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200 Jahre drucken, weben, flechten
Frank und Oliver Weinmann über die Geschichte der Glücksband Roth GmbH & Co. KG, Göppingen
Letztes Jahr sind wir 200 Jahre alt geworden. „Ihr müsst das feiern“, haben viele gesagt. Aber wahrscheinlich sind wir einfach zu schwäbisch-bodenständig, um uns so in den Mittelpunkt zu stellen. Vielleicht liegt die Bescheidenheit aber auch an unserem Produkt: textile Bänder und Etiketten.
Oliver und Frank Weinmann mit einer modernen Bandwebmaschine.
Für unsere Kunden sind das C-Artikel, die nur ein paar Cent kosten. Trotzdem sind sie allgegenwärtig. Vielleicht haben Sie eines unserer Etikette an Ihrer Kleidung, während Sie das hier lesen: Viele namhafte Wäsche- und Bettenhersteller sind nämlich unsere Kunden. Und wenn Sie auf ein Event oder Festival gehen, ist das Einlassband mit hoher Wahrscheinlichkeit von uns.
Schöne Bänder waren im Biedermeier sehr gefragt
Gegründet wurde das Unternehmen 1824 von Ludwig Friedrich Roth als Weberei für Wolle- und Seidenbänder. Damals war Biedermeier die herrschende Mode. Schöne Bänder waren sehr gefragt. Später fertigte Roth auch Lampendochte und Korsetts.
Das Geschäft wuchs so stark, dass 1870 schon der zweite Firmenneubau anstand. In der Bleichstraße blieb die Firma dann die nächsten 100 Jahre. Seit 1970 sind wir hier im Göppingern Stadtteil Ursenwang.
Bänder für Reissverschlüsse gehen in alle Welt
Als dann Ende der 1920er Jahre Reißverschlüsse in Mode kamen und Roth die dafür benötigten Bänder in allen erdenklichen Farben produzierte, wurden diese bis nach Asien und in den Nahen Osten verkauft. Bis in die 1990er blieben sie ein wesentliches Standbein unseres Geschäfts.

Nach dem Krieg hatte Hans Roth. der das Unternehmen in fünfter Generation führte, die Idee, die Firma in Glücksband umzubenennen und den Marienkäfer als Logo einzuführten. So wollte er eine Marke für Bänder im Haushalt etablieren.
Das hat nie so richtig geklappt, die zweite Innovation dafür aber umso besser: 1955 wurde die Lizenz für ein neues Tiefdruckverfahren erworben.
Etiketten werden waschbeständig
Mit diesem Heliotextil-Verfahren konnte man erstmals waschbeständig drucken. Für jedes Land gab es nur eine Lizenz. Unsere Vertreter zogen über die Alb und sammelten Aufträge im Hunderttausender-Bereich bei den damals noch zahlreichen Textilunternehmen ein.
Seither wurden die Serien immer kleiner. Der Helio-Druck, bei dem jedes Mal ein neuer Zylinder angefertigt werden musste, lohnt sich deshalb schon lange nicht mehr. Abgelöst wurde er von neuen Verfahren wie Flexo-, Sieb- oder Digitaldruck. Aber auch sie rentieren sich erst ab circa 500 Stück.
Vielleicht haben Sie eines unserer Etikette an Ihrer Kleidung, während Sie das hier lesen.
Deswegen bieten wir seit 2010 auch den Thermotransferdruck an. Dazu bekommen unsere Kunden vorgefertigte Etiketten, die sie mit den produktspezifischen Informationen fertig drucken. Wir statten sie mit Druckern und Verbrauchsmaterial aus und übernehmen den Service.
Firmenübergabe übers Autodach abgesprochen
Hans-Joachim Roth, der Sohn von Hans Roth, hatte keinen Nachfolger in der Familie. Bei einer Veranstaltung von Südwesttextil Ende der 1980er rief er einem unserer Väter so quasi übers Autodach zu, ob er nicht Interesse habe. Unserer Familie führte damals eine Posamentenfabrik in Heilbronn. Um ein weiteres Standbein zu haben, griffen sie zu. 2001 haben sie dann uns beide ins Unternehmen hineingeschubst.

Immer mehr Unternehmen legen Wert darauf, in Europa zu produzieren. So sind wir an einen neuen Großkunden gekommen, der Eintrittsbänder für Events bei uns bestellt. Wir weben die Bänder und präparieren sie so, dass er sie je nach Anlass bedrucken kann.
Schneller und flexibler als Ware aus Asien
Unsere Stärke ist, dass wir flexibel und schnell liefern können und dabei hochwertig. Wenn man in Asien bestellt, ist entweder die Logistik teuer oder man muss lange warten. Deshalb haben auch wir in den letzten Jahren immer mehr Einzelschritte zu uns ins Haus geholt.
Das Jubiläum haben wir übrigens doch noch gefeiert. Es gab ein offizielles Fest mit Vertretern der IHK, der Stadt und des Landkreises. Und wir haben unsere 35 Mitarbeiter zu einem verlängerten Wochenende ins Allgäu eingeladen. Ihrem Engagement und Können verdanken wir schließlich unseren Erfolg!
Aufgezeichnet von Dr. Annja Maga für Magazin Wirtschaft 3-4.2025
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Dr. Annja Maga