Scheinselbständigkeit

Die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung ist in der Praxis oft mit erheblichen Unsicherheiten verbunden und zugleich von großer rechtlicher und wirtschaftlicher Relevanz.
Wird eine Tätigkeit – etwa im Rahmen einer Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) – nachträglich als abhängige Beschäftigung eingestuft, drohen erhebliche Konsequenzen: Neben der rückwirkenden Zahlung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung für bis zu 30 Jahre können beträchtliche Säumniszuschläge festgesetzt werden.

Die vertragliche Regelung ist nicht entscheidend

Bei der Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status kommt es nicht allein auf die vertraglichen Vereinbarungen an. Maßgeblich ist die tatsächliche Durchführung der Tätigkeit. Entscheidend ist insbesondere, ob der Auftragnehmer in die betriebliche Organisation des Auftraggebers eingegliedert ist und ob dieser ihm hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt der Tätigkeit Weisungen erteilen darf.
Die Rechtsprechung hat ergänzend dazu zahlreiche weitere Kriterien entwickelt, die für oder gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechen. So spricht es beispiels­weise für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, wenn ein vermeintlich freier Mitarbeiter regelmäßig eine gleich- bleibende Vergütung erhält, feste Arbeitszeiten einhält und kein eigenes (wirtschaftliches) Risiko trägt.

Der Irrglaube: Mehrere Auftraggeber schaffen Sicherheit

Viele Unternehmen konzentrieren sich bei der Statusbewertung ungeachtet dessen primär auf die Frage, ob der freie Mit­arbeiter noch weitere Auftraggeber hat. Zwar kann das Vorliegen mehrerer Auftraggeber ein Indiz für unternehmerische Selbstständigkeit sein, ausschlaggebend ist dieses Kriterium jedoch ­häufig nicht.
So kann auch bei mehreren Auftraggebern eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegen. Umgekehrt führt das Fehlen weiterer Auftraggeber nicht automatisch zur Feststellung von Scheinselbstständigkeit, sofern andere Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit erfüllt sind. Dazu gehören etwa die freie Zeiteinteilung, das unternehme­rische Risiko oder der Einsatz eigener Betriebsmittel.

Gesellschafter-Geschäftsführer – Sonderfall mit besonderem Risiko

Auch bei GmbH-Geschäftsführern stellt sich häufig die Frage nach der Sozialversicherungspflicht. Die oben genannten Kriterien finden hier keine unmittelbare Anwendung.
Es ist vielmehr darauf abzustellen, ob Geschäftsführer mit Verhinderungsmacht betreffend Gesellschafterbeschlüssen ausgestattet sind. Ist dies nicht der Fall, droht auch hier die rückwirkende Ver­sicherungspflicht.
Eine Einflussmöglichkeit des Geschäftsführers auf Gesellschafterbeschlüsse kann sich aus seinem Gesellschaftsanteil oder aus einer vereinbarten Sperrminorität ergeben.

Statusfeststellungsverfahren – rechtssichere Klärung

Ist eine rechtssichere Einordnung eines Auftragsverhältnisses nicht möglich, ist regelmäßig zu empfehlen, ein Statusfeststellungsverfahren einzuleiten. Die DRV trifft dabei auf Antrag eine verbindliche Entscheidung über den sozialversicherungsrechtlichen Status – und schafft so frühzeitig Klarheit.

So sind Sie auf der sicheren Seite

Die Zusammenarbeit mit „freien Mit­arbeitern“ birgt stets rechtliche und wirtschaftliche Risiken. Unternehmen sollten daher – gegebenenfalls unterstützt durch anwaltliche Beratung – ­regelmäßig und kritisch prüfen, ob die bestehenden oder geplanten Auftragsverhältnisse den Anforderungen an eine selbstständige Tätigkeit genügen oder ob in Wahrheit ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor- liegt.
Gerade in Zweifelsfällen bietet das ­Statusfeststellungsverfahren eine effektive Möglichkeit, Rechtssicherheit zu schaffen, Nachforderungen zu vermeiden und ein transparentes, regelkonformes Arbeitsumfeld zu gewährleisten.
Jannis Wirth, Rechtsanwalt, Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Stuttgart, für Magazin Wirtschaft 7-8.2025
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in diesem Text nur die männliche Form gewählt.