Startup LawAssist

Wenn Fanta Vier ihren Abkürzungssong „MfG – Mit freundlichen Grüßen“ heute schreiben würden, dann käme darin mit Sicherheit „KI“ vor. KI, also künstliche Intelligenz ist inzwischen aus wirklich keinem Lebens­bereich mehr wegzudenken.
Auch nicht aus der juristischen Arbeit. Aber obwohl es hier schon eine Reihe von Tools gibt, haben die Brüder Joël und ­Jérôme Bayard eine Lücke entdeckt. „Es ist wie mit den Motoren: alle wollen immer tollere Aggregate entwickeln. Dabei vergessen sie gern einmal, dass dem Kunden das gesamte Auto gefallen muss“, erklärt Joël Bayard.
Das Beispiel kommt nicht von ungefähr, denn der studierte Bildungsmanager blickt auf zehn Jahre Erfahrung in Digitalstrategie, Kommunikation und Marketing im Automobilsektor zurück und arbeitet aktuell bei Mercedes-Benz. Das juristische Knowhow trägt sein Bruder Jérôme bei, der Partner in einer Stuttgarter ­Anwaltskanzlei ist.

Die Idee kam im morgendlichen Berufsverkehr

Bei der morgendlichen Fahrt ins Büro ­telefonieren die beiden oft miteinander. Da „hat der Funke gezündet: Wir machen was mit KI: wir vereinfachen die juristische Arbeit und helfen, sie effizienter zu gestalten“, erinnert sich Joël Bayard: „Wir haben sechs-, acht-, zehnmal darüber gesprochen, und jedes Mal wurde die Idee konkreter.“
Es heißt ja Law Assist und nicht Lawyer Replace.
So konkret, dass sie es schließlich wissen wollten. Über Joëls Netzwerk bei Mercedes fand sich ein Dienstleister, der ihre „Gedanken in ein Tool goss“. Im April 2024 fand der Kickoff statt und schon im August war der Prototyp fertig. Im September wurde erarbeitet, was das Tool können soll. Auch die Zielgruppe wurde definiert: Ein-Mann-Kanzleien, die damit Effizienzprobleme lösen, um so mehr Zeit für anspruchsvolle Mandate zu haben.

IHK-gecheckter Businessplan

Parallel erarbeiteten die beiden Brüder einen Businessplan und ließen ihn von IHK-Existenzgründungsberater Michael Kuschmann begutachten. „Der fand ihn so toll, dass er uns einen Termin mit dem juristischen Erstberaterteam der IHK vermittelt hat“, freut sich Joël Bayard. Anhand von elf anonymisierten Original-Anfragen aus der Lebenswelt von Unternehmen konnte das Tool seine Kompetenz beweisen.
Dann ging alles rasend schnell: am 10. Dezember war der Notartermin, und schon im Januar 2025 wurde die Law Assist GmbH mit Sitz in Aichtal ins Handelsregister eingetragen.

Die KI greift auf 250.000 deutsche Urteile zu

Wie stellen die Gründer sicher, dass das Tool verlässliche Infos liefert? Schließlich kann man es sich im juristischen Bereich nicht leisten, dass die KI halluziniert. „Das Tool greift ausschließlich auf fundierte Quellen zurück“, erklärt Joël Bayard. Gemeint ist die freie juristische Datenbank Open Legal mit ihren mehr als 250.000 deutschen Rechtsurteilen.
Law Assist spuckt aber nicht nur passende Fundstellen aus, sondern formuliert beispielsweise auch Stellungnahmen vor. „Man bekommt ein fast fertiges Schreiben – so wie es ein Referendar für einen Anwalt erstellen würde“, erzählt Jérôme Bayard. Ihm ist dabei wichtig, dass das Tool Anwälte nicht ersetzen will, ­sondern nur Routine­arbeit wegschafft: „Es heißt ja Law Assist und nicht Lawyer Replace“, betont er.

Der Anwalt aus Fleisch und Blut bleibe der „Übersetzer“

Besonders stolz sind die beiden Gründer darauf, dass sie das Prompting selber machen: „Damit die Tonalität stimmt und sich das Ergebnis wirklich anhört wie ein Jurist.“ Der Anwalt aus Fleisch und Blut bleibe aber der „Übersetzer“, der den komplexen Inhalt juristischen Laien verständlich vermittelt.
Wie reagiert das berufliche Umfeld auf die Gründung? „Die haben uns beglückwünscht“, erzählt Joel Bayard, „zumal wir gezeigt haben, dass wir das Projekt weiter nebenberuflich stemmen können“.
Auch die Partnerinnen haben sich von der Begeisterung ihrer Männer anstecken ­lassen. Dies obwohl die Freizeit für die beiden Familienväter deutlich weniger geworden ist. In ein paar Jahren werden Noé, Marie und Viola aber sicher stolz auf den Gründungsmut ihrer Papas sein.
Dr. Annja Maga, Redaktion Magazin Wirtschaft, für Rubrik “Startups”