Unser Startup im Januar

Drei Babys auf einen Streich

Was denn die Story sei, wenn man über ihn schreibe, fragt Startupper Matthias Kittel nach unserem Interview. 100 Sätze könnten ihn nicht so gut charakterisieren wie diese Frage: Quasi gleichzeitig gründete er zwei Unternehmen, zog sowohl beruflich als auch privat um und wurde erstmals ­Vater – und wundert sich allen Ernstes, was daran besonders sein soll.
„Dass wir ein paar Sachen gleichzeitig machen, liegt bei uns in der ­Familie“, schmunzelt der 30-Jährige und erzählt von seinem Bruder Steffen, der als ­Informatiker in der Autoindustrie arbeitet, parallel dazu Medizin studiert und mit ihm zusammen das Startup Xistics entwickelte.  
Zwei Männer im Anzug stehe und gucken in die Kamera
Matthias Kittel (r) mit seinem Gründungspartnern: Adam Varga (l.) ... © Soulprint Fotodesign Stefan Hill
Die Unternehmensidee ist sicher einer der Schlüssel zur Erklärung der Multitaskingfähigkeiten der Brüder: Dahinter verbirgt sich eine Organisationssoftware, die die Zusammenarbeit von Projektteams oder Kollegen an verschiedenen Standorten oder im Homeoffice transparenter ­machen soll. Ein bisschen wie Jira, aber kleiner und wendiger, mit niedrigerer Einstiegshürde, weil keine aufwändige Einrichtung und ­Einarbeitung nötig sind. Und es nimmt Rücksicht darauf, dass beispielsweise am Bau nicht alle Beteiligten auf demselben Stand in ­Sachen Digitalisierung sind.
Ist das so etwas wie das Building Information Modeling (BIM)? „Nein, denn bei BIM wird ein digitales Gebäudemodell erstellt, bei Xistics geht es dagegen um die Aufgabenverwaltung“, erklärt Kittel.
Die Software haben die Brüder schon während ihres Studiums entwickelt, angeregt durch ihre Mutter, die als Architektin die Kommunikationsprobleme zwischen den Gewerken am Bau bestens kennt. Viele ­Jahre reifte das Projekt, während ­Diplom- Informatiker Steffen Kittel ­seine Karriere bei BMW startete, Bauingenieur Matthias Kittel seine bei Züblin.
Fünf Jahre arbeitete er bei dem Stuttgarter Bauunternehmen und lernte dort ­seinen Kollegen Adam Varga kennen. „Im April 2019 wären wir beide Projektleiter geworden“, erzählt Kittel. Doch kurz, nachdem sie die freudige Nachricht erhalten hatten, kündigten sie. Auslöser war unter anderem das Thema Digitalisierung. Zwar konnten sie einiges umsetzen, doch waren dafür stets Hürden zu nehmen. Das ­wollten sie in Zukunft anders erleben.
Eine Portion Naivität war schon dabei

Matthias Kittel über seine doppelte Gründungsidee

Zwei Monate nahm Kittel unbezahlten ­Urlaub, um zu schauen, ob die Idee eines eigenen Statikbüros trägt, dann gründeten sie im März 2019 die KV Ingenieure UG. „Eine Portion Naivität war schon dabei“, erzählt Kittel, aber der Erfolg gab ihnen Recht. Per Kaltakquise gewannen sie den Ludwigsburger Immobilienunternehmer ­Pflugfelder als ersten Kunden und berechnen für ihn nun die Statik für mehrere Projekte. Das ebenfalls angefragte Leonberger Unternehmen Mörk, das Gebäude entwickelt, plant und baut, war eigentlich an einer Übernahme interessiert. „Zum Glück hat er verstanden, dass wir nicht gleich wieder Angestellte werden wollten und arbeitet nun eng mit uns zusammen“, erzählt Kittel und freut sich, dass KV bis Ende 2020 ausgelastet ist und bereits Einstellungen plant.

Die gute Organisation ermöglicht zwei Monate Elternzeit

Wieso aber dann noch ein zweites Unternehmen? „Das Büro haben wir gleich mit Xistic aufgestellt und den Mehrwert erlebt“, erklärt der Gründer. Darum wird nun ­Steffen Kittel die Anwendung weiterentwickeln und zusammen mit dem Bruder vermarkten.
Wie reagierte Kittels Frau auf die Kündigung und die Startups? „Ihr war von Anfang an klar, dass ich mich nicht auf Dauer in ­einem Konzern eingliedern, sondern selbst- ständig sein möchte. Sie merkt auch, dass ich jetzt viel zufriedener bin“, erklärt der junge Familienvater. Sehen ihn Frau und Kind in Anbetracht der vielen Aufgaben überhaupt noch? „Ja klar“, erklärt Kittel gelassen, „dank unserer guten Strukturierung und Xistics konnte ich sogar zwei Monate ­Elternzeit nehmen.“
Dr. Annja Maga für Magazin Wirtschaft 1.2020, Rubrik „Startup”