Zeitsprung

Brillenetuis aus Bad Boll

Ich bin seit 25 Jahren im Unternehmen und vertrete die vierte Generation. Als ich dazukam, hatten wir gerade unseren ­100. Geburtstag gefeiert, denn gegründet wurde die heutige Duggert GmbH 1898 von meinem Urgroßvater Heinrich Duggert in Pforzheim.
Schon ein Jahr später zog er nach Bad Boll in dieses Haus, in dem wir heute noch sind. Zwar wurde seither an- und umgebaut, außerdem aufgestockt, aber im Grunde ist es dasselbe Gebäude seit 125 Jahren.

Gebäude und Firma wurden unteschiedlich vererbt

Allerdings mussten wir es lange Jahre teuer mieten, denn die Erbfolge beim ­Firmengebäude war eine andere als bei der Firma selber. Die Besitzer wollten es sogar mal abreißen lassen, um ­Wohnungen zu bauen. Zum Glück hat der Gemeinde­rat nicht mitgespielt: „Das ist ein Industrie­gebiet und das bleibt es“, hat er entschieden.
Heute haben wir circa 30 Mitarbeiter. Ende der 1920er Jahre waren es einmal 300. Damals stellten wir ein Drittel der gewerblichen Arbeitsplätze im Kreis Göppingen. Es hat sogar Zeiten gegeben, wo wir der größte Devisenbringer im Kreis waren. Doch als die Nazis an die Macht kamen, war das mit einem Schlag vorbei, weil der amerikanische Markt wegbrach.
Die IHK musste bestätigen, dass wir messewürdig waren
Wie sich die Zeiten geändert haben, sieht man auch an einem Brief der Hannovermesse an die IHK von 1965. Man musste sich damals nämlich um einen Standplatz bewerben. Die Messegesellschaft fragte dann bei der IHK nach. Die musste be­stätigen, dass wir „messewürdig“ waren.
Auf Messen gehen wir heute noch. Hauptsächlich wird aber über den Außendienst verkauft und natürlich online. ­Neben Etuis bieten wir Putztücher, ­Accessoires, Pflege- und Reinigungsmittel an, alles mit dem Logo unserer Kunden.

Die ersten 100 Jahre wurde in Bad Boll produziert

Die ersten hundert Jahre hat Duggert die Etuis hier in Bad Boll produziert. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat mein Groß­onkel Carl Rappold, ein Neffe des Gründers, sogar ein neues Etuimodell entwickelt. Es besteht aus Pappe, die mit Papier überzogen ist. Die zwei Teile steckt man ineinander wie bei einem Zigarrenetui.
Heute stellen wir die allermeisten Brillen­etuis und -putztücher nicht mehr selbst her, sondern beziehen sie aus Fernost. Hier veredeln wir sie, indem wir sie mit den Logos unserer Kunden bedrucken. Dafür nutzen wir Tampondruck, weil das bei den bestellten Mengen effizienter und günstiger ist als Digitaldruck. Unsere ­Kunden, das sind die mittelständischen Optiker, die sich so bei jeder Etui-Benutzung bei ihren Kunden in Erinnerung bringen.
Kinzler mit Foto in der Hand
Beat Kinzler mit dem Etui und dem Foto seines Großonkels aus den 1940ern. © IHK Region Stuttgart

Wir haben aber auch schon Sonder­editionen aufgelegt, zum Beispiel zur Fußball-WM 2006. Die Fifa-Lizenz zu bekommen, war wahnsinnig aufwendig und hat ein Jahr gedauert. Mein Onkel nannte es deshalb „das größte Abenteuer der ­Firmengeschichte“.  

Ein kleiner aber feiner Markt für hochwertige Etuis

Unsere Etuis und Accsessoires sind alles niedrigpreisige Produkte. Es gibt aber einen kleinen aber feinen Markt für hochwertige Brillenetuis. Deswegen haben wir 2010 die Firma Reinhold Kühn aus Grimma gekauft, die einen hervorragenden Ruf in der Branche genießt. Heute ­gehören uns alle Patente, Muster, Werkzeuge und natürlich der Name.
Diese Premium-Etuis werden hier bei uns in Bad Boll handgefertigt. Dazu braucht man viel Fingerspitzengefühl und viel Geduld. Es dauert circa eine Stunde, bis die Teile bezogen, gefüttert und montiert sind. Das hat seinen Preis, aber dafür ist die ­Brille sicher und repräsentativ verpackt. Apropos Brille:  Unter dem Namen Albtrauf haben wir auch Brillen inklusive ­Gläser in unserem Sortiment.

Sohn Paul steht bereit

Das Unternehmen ging zweimal vom ­Onkel auf den Neffen über. Ich habe es von meinem Onkel Mathias Rappold übernommen. Wenn irgendwann der nächste Übergang kommt, steht mein Sohn Paul bereit. Mit seiner Ausbildung zum Indus­triemechaniker und einer Weiterbildung zum Fachwirt ist er bestens gerüstet für die Zukunft.
Aufgezeichnet von Dr. Annja Maga, Redaktion Magazin Wirtschaft für Rubrik “Menschen & Ideen”