Magazin Wirtschaft

EM in Stuttgart: Nicht alle sind Gewinner

Hat die Fußball-Europameisterschaft der Wirtschaft in der Region den erhofften Aufschwung gebracht? IHK-Mitgliedsbetriebe aus Gast- und Hotelgewerbe und dem Einzelhandel haben unterschiedliche Meinungen dazu. Wir geben hier einige Einschätzungen wieder:

Stimmen aus der Gastronomie

Dennis Shipley
Dennis Shipley, Geschäftsführer Alte Kanzlei und Leonhardts, Stuttgart: „Mein Fazit: Gerne wieder! Auch wenn die Schotten und Dänen Stuttgart biermäßig in die Knie gezwungen haben. Eine Notlieferung von 50 Fässern Bier sicherte uns jedoch den Ausschank. In 25 Jahren Gastro habe ich es noch nicht erlebt, dass in vier Wochen so viel Bier verkauft wurde. Wirtschaftlich war die EM somit für uns ein Erfolg, auch wenn der Umsatz weg von Speisen hin zu Getränken ging. Ich sehe die Gastro aber dennoch nicht als Gewinner dieser EM. Leider haben nicht alle Wirte von dieser EM profitiert, gerade in den Fanzonen scheinen einige nicht zufrieden gewesen zu sein. Ebenso ansässige Gastronomen am Schlossplatz, denen teilweise die Außenbewirtung untersagt wurde. Auch in der Alten Kanzlei gibt es eine Kehrseite der Medaille. Vom Spüler bis zum Geschäftsführer – alle sind an ihre nervliche Belastungsgrenze gegangen. Die letzten vier Wochen waren sehr anstrengend und herausfordernd. Was mir als Pendler zwischen meinen beiden Betrieben das Arbeiten erschwert hat, war die Sperrung der Parkhäuser rund um den Schlossplatz. Ein absoluter Glückfall aber waren die Schotten. Die sind nicht nur sehr sympathisch, sondern auch verzehrfreudig.“
Till Odenwald, Verkaufsdirektor Gastronomie/GFGH, Dinkelacker-Schwaben Bräu GmbH & Co. KG, Stuttgart: „Unterm Strich konnten wir nicht von der EM profitieren. Zum einen gab es in den Fanzonen Bitburger Bier, da die Marke nationaler Sponsor der EM ist. Zum anderen konnten auch die Lokalitäten in der Innenstadt, die wir beliefern, keinen Mehrumsatz machen. Es gab ein oder zwei Objekte im Epizentrum, die haben wirklich von den Gästen der EM profitiert – die anderen überhaupt nicht.“
Pia Nowotny, Inhaberin und Gründerin von Martha’s in den Königsbau Passagen: „Durch die EM war bei uns richtig viel los. Aber am meisten hat mir die tolle Stimmung in der Stadt gefallen. Ich hoffe, dass dieses positive Gefühl auch noch lange nachklingt. Stuttgart ist so eine schöne Stadt, da dürfen wir auch mal selbstbewusst draufschauen. Beeindruckt haben mich die Schotten mit ihrer Feierkultur – höflich, nett und sympathisch. Besonders gut hat mir auch das Rahmenprogramm gefallen, die vielen unterschiedlichen Künstler, die in der Stadt aufgetreten sind. Da hatten auch wir Stuttgarter etwas davon.“

Stimmen aus dem Einzelhandel

Thomas Breuninger, Geschäftsführender Gesellschafter, Tritschler GmbH, Stuttgart: „Die Erfahrung war frustrierend. Wir hatten einen massiven Geschäftseinbruch von etwa 50 Prozent, an den Spieltagen der deutschen Mannschaft um 70 Prozent. An diesen Tagen kamen so gut wie keine Kunden in den Laden, die wir kannten.  Die Leute hatten offenbar keine Lust einkaufen zu gehen, auch wegen des Geredes um Sicherheitszonen und wegen der Parkhaussperrungen um den Marktplatz. Gerade diese Maßnahme hat niemand verstanden, mit dem ich darüber gesprochen habe, manche wollten es einfach nicht glauben.“
Joachim Aisenbrey, Geschäftsführer Flagship-Store Stuttgart bei E. Breuninger GmbH & Co.: „Shopping stand nicht auf der Agenda der Fußballfans, vor allem an den Tagen, an denen Deutschland spielte, war das Geschäft sehr verhalten, es war buchstäblich nichts los. Aber obwohl wir wirtschaftlich nicht profitiert haben würde ich die EM als vollen Erfolg werten, denn wir haben eine volle Innenstadt mit internationalem Publikum gehabt. Die fröhliche, offene Atmosphäre und das gute Image, das dadurch entstanden ist, wirken weit über Stuttgart hinaus und das ist langfristig am wichtigsten.“

Stimmen aus der Hotellerie

Markus Hofherr, Direktor V8 Hotel Motorworld Region Stuttgart, Böblingen: „Wir blicken mit gemischte Gefühlen auf die geschäftlichen Auswirkungen der EM. Aufgrund der Entfernung konnten wir nur teilweise von dem Event profitieren. Während der Hauptspiele sind nicht nur die Begeisterung, sondern auch die Buchungen auch hierher „übergeschwappt“. Wir hatten einige Fans aus den spielbeteiligten Ländern hier zu Gast. Die Stimmung war sehr gut, und ich bin zuversichtlich, dass unsere Region langfristig von der EM profitieren wird. Sie konnte sich als weltoffen und gastfreundlich präsentieren. Ein Wermutstropfen ist der Rückgang von Veranstaltungen wie Tagungen und Messen, worunter unsere Buchungen gelitten haben. Wir hoffen, dass viele dieser Events auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wurden. Eine abschließende Einschätzung ist deshalb derzeit noch nicht möglich.“
Christian Ottenbacher, Geschäftsführender Gesellschafter, Hotel Restaurant Adler, Asperg: „Ich sehe in der EM schon einen positiven Effekt für die Region. Unsere Region ist über die Grenzen hinaus bekannt geworden. Wirtschaftlich gesehen hat uns die EM weder Vor- noch Nachteile gebracht. Uns sind Tagungen und Veranstaltungen weggefallen, auch Restaurantbesucher gab es während der Spiele weniger. Dafür hatten wir aber, gerade während der Vorrunde, mehr internationale Gäste, die bei uns übernachtet haben. Der geschäftliche Riesenboom blieb aber aus.“
Heike Kauderer, Inhaberin des Hotels Hirsch in Ostfildern: „Diese EM hat uns gut getan. Unser Haus war voll und wir hatten richtig nette Gäste zu Besuch. Schotten, Ungarn und Familien aus der Ukraine saßen bei uns harmonisch zusammen und haben gefeiert. Manche kamen für eine Nacht, andere blieben für eine Woche zum richtigen Familienurlaub. Für uns war das eine tolle Chance, wir haben uns gut  präsentiert und weit über die Region hinaus gepunktet.“
Hartmut Korthäuer, Direktor Maritim Hotel in Stuttgart: „Wir sind sehr zufrieden, die Zahl der Gäste war höher als wir erwartet haben. Die Atmosphäre hat gestimmt und Stuttgart hat einen richtig guten Ruf unter den Fans bekommen. Die Schwaben haben gezeigt, dass sie freundlich und hilfsbereit sind und eine echte Willkommenskultur haben. Dazu hat auch die Stadt Stuttgart mit viel Spontanität beigetragen.“
Elisabeth Berger, Direktorin Kronen Hotel Stuttgart: „Stuttgart hat sich sehr gut präsentiert. Unsere Gäste aus Dänemark, Schottland und Belgien waren sehr angetan von der Stimmung im Stadion und in der Stadt. Auch mit dem öffentlichen Verkehr hat es offenbar bestens geklappt. Bei uns im Hotel waren die Spieltage sehr gut gebucht. Einigen Gästen hat es in Stuttgart so gut gefallen, dass sie vor ihrer Heimreise für ein paar Tage nochmal hier Station gemacht hatten, obwohl ihre Mannschaft gar nicht mehr gespielt hatte.“