Magazin Wirtschaft - Interview

"Die Mitarbeiter sind stolz auf unsere Vorreiterrolle"

Mit dem “Green Deal” will die EU den Umbau der Wirtschaft zu Klimaverträglichkeit und ökologischer Nachhaltigkeit vorantreiben. Dr. Jan Klingele kann den Herausforderungen gelassen entgegensehen: Er hat den Prozess im eigenen Unternehmen, der Klingele Paper & Packaging SE & Co. KG in Remshalden-Grunbach, schon vor Jahren eingeleitet.
Dr. Jan Klingele

Herr Dr. Klingele, wie kam es zur Nachhaltigkeitsstrategie Ihres Unternehmens?

Als Familienunternehmen denken wir in Generationen, nicht in Quartalen. Deshalb war uns schon früh klar, dass unser Unternehmen mit Rücksicht auf zukünftige Generationen so umwelt- und klimafreundlich wie möglich wirtschaften sollte. In unserer europäischen Allianz Blue Box Partners haben wir gemeinsam mit drei anderen Familienunternehmen bereits 2017 begonnen, einen Nachhaltigkeitsbericht zu  veröffentlichen. Ursprünglich galt das nur für unsere europäischen Kernwerke, wir sind aber dabei, alle unsere Werke miteinzubeziehen und nach den neuesten, anspruchsvollsten Methodiken zu bilanzieren. In Ländern wie Senegal oder Mauretanien ist das natürlich nicht einfach, vor allem im so genannten Scope 3, wo sie auf Angaben Dritter angewiesen sind.

Welche Schwerpunkte setzen Sie?

Als Wellpappenhersteller haben wir eine bessere Ausgangsbasis als viele andere Branchen. Unser Produkt hat eine sehr hohe Reyclingquote – in Deutschland mehr als 95 Prozent. Gerät es doch in die Umwelt, ist es innerhalb kürzester Zeit abgebaut. Wir haben aber eine andere Achillesferse, und das ist der Energieverbrauch. Im gesamten Unternehmen verbrauchen wir etwa so viel Energie wie 150.000 deutsche Haushalte. Deshalb investieren wir in diesem Bereich intensiv, und das schon seit gut 20 Jahren.

Und worin investieren Sie konkret im Energiebereich?

Vor allem in eigene Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien. Unser Ziel ist es, den gesamten Bedarf selbst zu decken. Das lässt sich etwa in Afrika sehr gut mit Hilfe von Photovoltaik erreichen. Es gibt aber auch Hindernisse. So ist es auf Kuba sehr schwierig, die Genehmigung für eine Investition zu erhalten, die nicht im staatlichen Wirtschaftsplan steht. Deshalb haben wir dort derzeit noch den größten Ölverbrauch.

Wie nehmen Sie Ihre Mitarbeiter mit?

Wir haben unsere Strategie von Anfang an aktiv und transparent kommuniziert. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freuen sich und sind sehr stolz auf die Vorreiterrolle von Klingele. Viele machen auch konkrete Vorschläge, wie unser Konzept verbessert werden kann. Mitarbeiter mit Kundenkontakt schulen wir besonders, damit sie Fragen zur Nachhaltigkeit beantworten können. Zunehmend werden wir auch bei Bewerbungsgesprächen von potenziellen Mitarbeitern nach diesem Thema gefragt.

Und wie reagieren die Kunden? Schließlich dürften sich die Investitionen auch auf den Preis auswirken.

Wir bekommen zwar viel positives Feedback, erleben aber leider noch nicht, dass wir für unsere Produkte höhere Preise bekommen. Einen Wettbewerbsvorteil haben wir durch den hohen Anteil regenerativer Energie vor zwei Jahren dennoch gehabt, als die Preise für fossile Energieträger wegen des Ukraine-Kriegs stark anstiegen. Interessanterweise nimmt das Interesse derzeit bei einigen Kunden zu, die gesetzlich bereits zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind. Das wird in einigen Jahren sehr wahrscheinlich Standard werden.  

Und die Banken? Hilft Ihnen das Nachhaltigkeitskonzept, günstige Kredite zu bekommen?

Bei den Förderbanken wie der KfW gilt man schon mit weit weniger Engagement als nachhaltig, aber das ist nicht unser Ziel. Bei den Geschäftsbanken wirken sich unsere Aktivitäten noch nicht auf die Kreditkonditionen aus, aber wir sind zuversichtlich, dass sich das ändert. Die Banken beginnen schon aufmerksam zuzuhören, wenn in Gesprächen das Thema Nachhaltigkeit angesprochen wird.

Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?

Natürlich hängen die Früchte immer höher, das hindert uns aber nicht daran, weiterzumachen. Ein großes Projekt bereiten wir zurzeit in unserem brasilianischen Werk Nova Campina vor. Dort bauen wir eine Anlage zur Erzeugung von Prozessdampf und Strom mit Hilfe von Biomasse.

Und in Deutschland?

Hier richten sich unsere Bestrebungen vor allem darauf, vom Gas wegzukommen. In unserem Wellpappenwerk in Werne, Westfalen, bauen wir gemeinsam mit der Kyoto-Group einen Salzspeicher zur Wärmespeicherung mit einer Jahreskapazität von 15 Gigawattstunden. Mit seiner Hilfe können wir auch dann mit aus Regenerativstrom erzeugtem Dampf produzieren, wenn Wind und Sonne nicht verfügbar sind. Mit dieser Investition werden wir unseren Gasbedarf im Werk Werne halbieren.

Spielen Nachhaltigkeitskriterien bei Ihren Investitionsentscheidungen im Ausland eine Rolle?

Das spielt sehr wohl eine Rolle, zum Beispiel bei der Entscheidung für Produktionsstandorte in Afrika. In Mauretanien und im Senegal schaffen wir bewusst Arbeitsplätze, um den Menschen eine Perspektive in ihren Heimatländern zu geben. Das birgt natürlich gewisse Risiken und man kann auch nicht die höchsten Renditen erwarten. Aber als Familienunternehmen können wir solche Entscheidungen treffen.