Made in the Länd

Nach 100 Jahren wieder Startup

100 Jahre und gleichzeitig ein Startup: die Hepco aus Marbach hat diese Quadratur des Kreises geschafft. Aber der Reihe nach: 1922 gründete Carl Hepting in Stuttgart-Feuerbach ein Lederverarbeitungsunternehmen. Sein erster Auftrag war ein ­Teppich für die Stuttgarter Straßenbahn. Über die Jahre entwickelte sich Hepco zu einer Weltfirma mit 2500 Mitarbeitern, die Koffer, Fototaschen, Gürtel und Co. in alle vier Himmelsrichtungen verkaufte. Selbst Beschlagnahmung und Bombardierung im Zweiten Weltkrieg konnten die Erfolgsgeschichte nicht ernsthaft aufhalten.
Das schaffte erst die Globalisierung ab Mitte der 1970er. Fortan wanderte fast die gesamte Textil- und Lederbranche aus Deutschland ab – außer Hepco. Doch in dem Preiskampf, der in der Folge ausbrach, konnte das Unternehmen nicht mithalten. 1987 musste die Kofferabteilung ­Insolvenz anmelden. Die Gürtelproduktion zog an den heutigen Sitz neben dem Marbacher Bahnhof. Als 2020 wegen Corona die Bestellungen aus dem Einzelhandel einbrachen, wurde dieses Geschäft zunächst ebenfalls liquidiert.

Alles war noch da

Carola Meyer und Susanne Sträb tat das in der Seele weh. Es war ja noch alles da: Die 25 Maschinen, mit denen jeder Schritt der Lederverarbeitung möglich ist: Schneiden, Stanzen, Spalten, Nieten, Färben…. Dazu die großzügigen Räume inklusive der ­riesigen Apothekerschränke mit mehr als 200 Schubladen voller Zubehör. Und nicht zu vergessen das Knowhow.
Die beiden Frauen beherrschen den kompletten Maschinenpark aus dem FF. Schließlich hatte Sträb nach ihrer Kürschnerlehre und der Fortbildung zur Bekleidungstechnikerin ab 1996 bei ­Hepco die Kollektionen verantwortet. Meyer hatte 1978 bei Hepco ihre Lehre zur ­Industriekauffrau begonnen.

Der Sohn ist quasi in der Firma groß geworden

Seither hängt ihr Herz am Unternehmen – so stark, dass Meyers Sohn Kevin ­Wetrab ebenfalls Feuer fing: „Ich bin ­quasi mit der Firma groß geworden“, lächelt der ­24-Jährige. Zu dritt entschlossen sie sich 2021, Hepco als GbR weiterzuführen.

„Nachhaltig“, „individuell“ und „regional“ heißen die Zauberworte

Wetrabs Heureka-Moment kam während seines Studiums der Kommunikations­wissenschaften in Hohenheim: „Ich hatte Kommilitonen, die eine Geschäftsidee mit tollem Narrativ hatten, aber die nicht wussten, wie sie sie umsetzen sollten. Da ist mir aufgefallen, dass wir ja die Produktion schon haben, nur das Narrativ fehlte noch“.
Das Narrativ zu finden, war nicht schwer: „nachhaltig“, „individuell“ und „regional“ heißen die Zauberworte. Nachhaltig, weil die Gürtel, die Taschen, die Grillschürzen, die Hosenträger und die Hundehalsbänder aus pflanzlich gegerbtem Leder produziert werden. ­Individuell, weil man sich seinen eigenen Gürtel konfigurieren kann - aus 200 verschiedenen Lederriemen und fast ebenso vielen Schnallen und sogar mit einer ­eigenen Schnalle.
Dasselbe gilt für Tier-Halsbänder: Hündin Nora kann sich jedenfalls schon einmal auf ihr neues Lederexemplar mit Namenszug freuen. Gerade macht Sträb die letzten Handgriffe und fixiert den Namen auf dem maßgefertigten Halsband. Regional sind die Produkte schließlich, weil viele der ­Leder von der Schwäbischen Alb kommen und weil zu 100 Prozent in Marbach gefertigt wird.
Wir könnten höchstens draufschreiben „made by German bureaucracy”

Kevin Wetrab über die Probleme mit Zertifizierungen

Auf Nachhaltigkeit bedachte Modefirmen müssen das doch toll finden, oder? „Das ist leider schwierig, weil wir keines der Zertifikate haben, die zunehmend von großen Unternehmen gefordert werden“, erklärt Wetrab. „Aber“, fragt er, „soll ich einen Prüfer aus Asien ein­fliegen lassen, damit er uns bestätigt, dass wir keine Kinder beschäftigen und mindestens 60 Prozent des pakistanischen Existenzlohns zahlen?“ „Wir könnten höchstens draufschreiben „made by German bureaucracy“, lacht er.
Klingt lustiger als es ist, denn genau damit werden die Kleinen vom Markt verdrängt, deren Produkte viel nachhaltiger sind als jedes Bioleder aus Ostasien. Auch veganes Leder hält Wetrab für keine Alternative: Echtes Leder sei einfach langlebiger, und den geringsten ökologischen Fußabdruck habe nun einmal der Gürtel, der gar nicht produziert werde, weil der alte noch hält. Hepco repariert deswegen auch alle seine Produkte - wie den Herren-
gürtel, dem nach 50 Jahre Dauereinsatz gerade mal eine Schraube fehlte.

19 Arbeitsschritte – ein Gürtel

19 Arbeitsschritte sind nötig, damit ein Basisgürtel entsteht. Trotzdem können die Hepco-Produkte preislich mit den ­großen Marken mithalten, weil nicht so viel Geld ins Marketing fließt. Instagram, Modeshootings und ein Onlineshop sind die Wege, mit denen Hepco heute seine Kunden erreicht.
Außerdem gibt es den Fabrikverkauf auf dem Gewerbehof am Marbacher Bahnhof. Und pünktlich zum Weihnachtsgeschäft ­eröffnet ein Pop-up Store im Stuttgarter Gerber. Auch auf der „Made-in-Stuggi“-­Messe präsentiert das Trio seine Waren. „Wir müssen es sexy machen“, lacht Wetrab.

Dr. Annja Maga, Redaktion Magazin Wirtschaft für Rubrik “Menschen  und Ideen”