IHK-Unternehmensbarometer zeigt Handlungsbedarf
Was die Wirtschaft jetzt konkret von der Politik erwartet, zeigen deutlich die Ergebnisse des IHK-Unternehmensbarometers, für das sich im Vorfeld der Bundestagswahl bundesweit rund 4.000 Unternehmen an einer Umfrage beteiligt hatten.
Die größten Einbußen verzeichnete dabei der Standortfaktor „wirtschaftspolitische Verlässlichkeit“: Hier hat sich für fast 90 Prozent der Unternehmen die Lage in den vergangenen vier Jahren verschlechtert, für mehr als zwei Drittel sogar deutlich. „Die neue Bundesregierung muss dort jetzt dringend ansetzen“, so Adrian, denn in der Vergangenheit sei viel Vertrauen zerstört worden. 95 Prozent der Betriebe halten laut Unternehmensbarometer den Abbau bürokratischer Hürden für eine der wichtigsten Aufgaben der kommenden Regierung; mehr Tempo bei Planungs- und Genehmigungsverfahren gehört für 70 Prozent der Unternehmen auf die Prioritätenliste der künftigen Regierung. Auch Entlastungen bei wichtigen Kosten stehen weit oben auf der Agenda: 63 Prozent der befragten Unternehmen wünschen sich eine Begrenzung der erheblich gestiegenen Sozialabgaben und 60 Prozent eine Unternehmenssteuerreform, denn mittlerweile zahlen Betriebe in den meisten Industrie- und EU-Staaten spürbar niedrigere Steuern als in Deutschland. Mehr als die Hälfte der Unternehmen verlangt außerdem eine Entlastung beim Strompreis; in der Industrie fordern das sogar fast zwei Drittel der Betriebe. Mit der Energiepolitik sind die Unternehmen der Umfrage zufolge besonders unzufrieden. Zwei Drittel sind der Ansicht, dass die aktuelle Gestaltung der Energiewende zu Mehrkosten im Betrieb führt und die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens senkt. Unter den Industriebetrieben sagten das sogar 73 Prozent.
Wirtschaft setzt auf zügige Regierungsbildung
Auch für Jan Stefan Roell, Präsident der IHK Ulm sowie des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK), ist angesichts der fortdauernden Rezession Eile geboten: „Deutschland steht am ökonomischen Scheideweg: Mit den riesigen, genehmigten Infrastruktur und Verteidigungsbudgets müssen jetzt massive Reformen auf Bundesebene einhergehen. Was soll der Staat künftig tun? Und wie kann er das optimal leisten? Diese Fragen muss die neue Bundesregierung schnell und dennoch nachhaltig beantworten.“ Deshalb setze die Wirtschaft auf eine möglichst zügige Regierungsbildung, denn angesichts der globalen Herausforderungen brauchten deutsche Unternehmen eine handlungsfähige Bundesregierung, die sich entschlossen auf europäischer und internationaler Ebene engagiere.
Sofortmaßnahmen für mehr Wachstum sind geboten
Wachstum gelingt aus Sicht der IHKs nur mit einer Kombination aus öffentlichen und privaten Investitionen. Als positiv beurteilten sie nach den Sondierungsgesprächen zwischen CDU und SPD die geplanten Entlastungen bei den Energiekosten, doch bei steuerlichen Entlastungen und Anreizen für Unternehmen bleibe das Papier blass. Der Bürokratieabbau dürfe aber keine Symbolpolitik bleiben. Die Wirtschaft erwarte einen echten Rückbau, nicht nur kleinere Anpassungen. Konkret müssten in den Unternehmen spürbare Entlastungen ankommen – statt wie zuletzt immer neue Berichtspflichten, Auflagen und Einschränkungen. „Es braucht vor allem auch Sofortmaßnahmen für mehr Wachstum“, stellt BWIHK-Präsident Roell fest. Planungs- und Genehmigungsverfahren müssten beschleunigt werden; ebenso notwendig seien mehr passend qualifizierte Fachkräfte und bessere Arbeitsanreize sowie Entlastungen bei Steuern und Abgaben. Wenn die künftige Regierung schnell und klar diesen Kurswechsel einleite, werde Deutschland auch wirtschaftlich wieder erfolgreicher sein. Darüber hinaus sollte für Roell „der Grundsatz gelten, dass der Staat den Menschen – und damit auch den Unternehmen – zunächst einmal vertraut und nur der Vertrauensmissbrauch merkbar bestraft wird“. So könnte man sich viele Regelungen, Vorschriften und Verwaltungskosten sparen.
Finanzpaket birgt Chancen und Risiken
Zur Einigung von CDU, CSU, SPD und Grünen auf eine Lockerung der Schuldenbremse sowie die Einrichtung eines Sondervermögens für Infrastruktur erklärte DIHK-Präsident Peter Adrian: „Es ist ein positives Signal, dass die deutsche Politik über Parteigrenzen hinweg zu einer Verständigung gekommen ist.“ Das Finanzpaket könne eine Chance sein, doch Geld allein sei noch keine Wirtschaftspolitik, und steigende Schulden seien mit erheblichen Risiken verbunden. Ohne konsequente Reformen bleibe die Wirtschaft schwach, und die zusätzlichen Kredite könnten sich zu einer enormen Belastung auftürmen. „Mehr denn je brauchen wir Wachstum“, so Adrian, „und das kommt nur mit den richtigen Rahmenbedingungen. Unternehmen brauchen mehr Freiheit, weniger Kosten und schnelleres Verwaltungshandeln.“ Das Verschuldungspaket könne nur funktionieren, wenn die neue Regierung die strukturellen Probleme im Land konsequent angehe und dringend notwendige Reformen umsetze – sonst versande das Geld.