Kooperation

#GemeinsamBesseresSchaffen – jetzt!

Bei ihrer Vollversammlung am 16. November 2023 hat die IHK-Organisation unter der Überschrift „#GemeinsamBesseresSchaffen – jetzt!“ in einem Grundsatzbeschluss zehn Punkte formuliert, die eine Zeitenwende der deutschen Wirtschafts- und Standortpolitik einläuten sollen.
Die deutsche Wirtschaft gerät zunehmend in eine Schieflage. Einige Branchen haben sogar mit krisenhaften Entwicklungen zu kämpfen. Dabei werden strukturelle Herausforderungen aktuell durch schlechte konjunkturelle Vorgaben verstärkt. Der Standort Deutschland verliert an Attraktivität. Ausbleibende Investitionen und negative Konjunkturerwartungen unterstreichen dies.

Zu viele Ankündigungen, zu wenig gute Taten

Nur mit einem kräftigen Aufbruchssignal kann die Politik bei den Unternehmen wieder Vertrauen zurückgewinnen, das sie in den vergangenen Jahren verloren hat: Zu viele Ankündigungen, zu wenig gute Taten. Entgegen den Entlastungsversprechen sieht sich die Wirtschaft mit mehr Berichtspflichten und Vorgaben konfrontiert. Und weitere Belastungen sind noch auf der Agenda.
Der Frust, immer öfter auch die Verzweiflung, bei vielen Betrieben wachsen – und die Verlagerung von industrieller Produktion ins Ausland nimmt zu. Zudem bringen eine unsichere Energieversorgung, hohe Energie- und Rohstoffkosten sowie tiefgreifende Veränderungen durch Digitalisierung, Dekarbonisierung und durch die demografische Entwicklung ohnehin große unternehmerische Herausforderungen mit sich. Aktuell erhöhen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltspolitik und seine Folgen die Verunsicherung. Das aber verstärkt den Druck in Richtung Reformen.

Mehr Vertrauen in die Unternehmen

Die Unternehmen werden in der Breite nur dann wieder mehr Vertrauen in die Politik gewinnen, wenn positive Veränderungen in ihrer Praxis ankommen – schnell und konkret. Dabei geht es zunächst um mehr Vertrauen in die Eigeninitiative. Vor allem sollten sich die politisch Handelnden von der Vorstellung befreien, alles bis ins Kleinste regeln zu wollen. Die Königsdisziplin guter Politik sind einfache, nachvollziehbare Regeln mit guter Wirkung in der Praxis – vor allem in der betrieblichen Realität. Mit Detailsteuerung und sich widersprechenden Vorschriften überfordert der Staat nicht nur die Wirtschaft. Er überfordert auch sich selbst. Es werden Regeln, Pflichten und Vorgaben geschaffen, die am Ende auch kontrolliert werden müssen. Und es werden in der Sache Versprechungen gemacht, die in der Praxis oft nicht zu halten sind. Nicht mehr komplizierte Regeln, sondern mehr gute, wachstumsorientierte Politik wünschen sich die Betriebe!
Politik soll Leitplanken und Spielräume definieren, sie soll gute Rahmenbedingungen setzen. Und dann sollte sie das Vertrauen haben, dass die Unternehmen diesen Rahmen ausfüllen. Ein solches Zeichen der Anerkennung wäre wichtig. Gerade angesichts der multiplen Krisen muss die Politik mehr auf das Engagement und die Kreativität im Land setzen – und diese auch ermöglichen. Die Botschaft der Politik muss sein: Wir brauchen euch, wir wollen euch machen lassen, wir setzen auf eure Eigenverantwortung – in den Unternehmen, in der Gesellschaft. Dann können wir Deutschland wirtschaftlich erfolgreich in die Zukunft führen. Dann kann gegenseitiges Vertrauen wieder entstehen. Dann können wir #GemeinsamBesseresSchaffen – jetzt.
Wenn sich jeder auf seine Kernaufgaben konzentriert und die Stärken des anderen schätzt, dann kann ein Projekt erfolgreich sein – das gilt im Unternehmen, das gilt aber auch für unser Land insgesamt. Wir wollen uns als Wirtschaft einbringen in das Lösen von Problemen. Dazu muss Politik aber auch frühzeitig diese Perspektive der betrieblichen Praxis im Dialog berücksichtigen. Wir brauchen für ein erfolgreiches Deutschland ein neues Wir-Gefühl, geprägt von gegenseitigem Vertrauen, Wertschätzung und Dialog.

Wir brauchen mutige Weichenstellungen

So schwierig die aktuelle Lage auch ist, sie bietet ein Momentum, jetzt die Zeitenwende in der Wirtschafts- und Standortpolitik einzuläuten. Wir brauchen mutige Weichenstellungen jenseits von Populismus und Kleinmut. Weichenstellungen, die kurzfristig Entlastungen ermöglichen, die in der Praxis direkt ankommen und langfristige Maßnahmen, die den Standort Deutschland attraktiver gestalten.
Mit den folgenden zehn Punkten zeigt die DIHK auf, wo wir ansetzen müssen – in Gesamtverantwortung für unser Land, das vor allem von Engagement, Verantwortung und Weltoffenheit unserer Gesellschaft lebt.

1. Entschlossen Deutschland-Tempo bei Planung und Genehmigung vorantreiben

Mit den LNG-Terminals und Ausnahmen für den Fuel-Switch hat die Politik in der Gaskrise den Mut bewiesen, wichtige Blockaden zu durchbrechen. Das kann und muss als Muster für einen umfassenden Befreiungsschlag von unnötiger Bürokratie dienen! Bund und Länder haben sich mit dem Beschleunigungspakt verpflichtet, diese Blockaden aufzulösen. [...] Der Ankündigung des Pakts müssen nun rasch gesetzgeberische Taten folgen.

2. Energieangebot ausbauen, weniger abschalten

Die Energiepreiskrise hat die deutsche Wirtschaft absehbar weiter im Griff. Nachhaltig gelöst werden kann sie mittel- bis langfristig nur durch eine erhebliche Ausweitung des Energieangebots, vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien. Mit der StromPartnerschaft schlägt die DIHK vor, über Investitionszuschüsse und eine Netzentgeltabsenkung für grüne Stromlieferverträge (PPA) den Ausbau zu beschleunigen. [...] Die angekündigte Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe ist überfällig, sollte aber auf alle Unternehmen ausgeweitet werden. [...]

3.Zuwanderung: Verfahren vereinfachen und beschleunigen

Erleichterungen der Fachkräfteeinwanderung sind angesichts des Fachkräftemangels wichtig. Die neuen Regelungen sind jedoch im Detail weiterhin zu komplex und überfordern KMUs sowie die Umsetzungsbehörden vielfach. Sie sollten daher nicht als in Stein gemeißelt gelten, sondern parallel zur Umsetzung ständig auf dem Prüfstand stehen. Warum können Unternehmen nicht vor allem selbst entscheiden, wer als Fachkraft in Frage kommt? [...]

4. Investitionsbremsen in der Besteuerung lösen

Die Bewältigung der aktuellen Krisen, die Digitalisierung und die Transformation der Wirtschaft zur Klimaneutralität erfordern herausragende Investitionsbedingungen am Standort Deutschland. Die Steuerpolitik sollte daher stärker als Instrument einer aktiven wirtschaftspolitischen Standortpolitik und Investitionsförderung verstanden werden. Denn mittel- und langfristig werden wir nur auf Basis erfolgreicher Unternehmen und einer wachsenden Wirtschaft nachhaltig steigende Steuereinnahmen des Staates sichern. [...]

5. Berufliche Bildung wertschätzen, Berufsschulpakt starten

Der Fachkräftemangel spitzt sich vor allem im Bereich der beruflich Qualifizierten zu. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass die duale Ausbildung die gesellschaftliche Anerkennung erhält, die sie verdient. Wir wollen ihr Erfolgsrezept, die enge Verbindung von Theorie und Praxis sowie die hervorragenden beruflichen Perspektiven bekannter machen. Bundesregierung und Länder sollten den im Koalitionsvertrag angekündigten Berufsschulpakt und die hierzu notwendigen Investitionen in den Berufsschulen in Angriff nehmen. Denn ohne gute Berufsschulen steht die duale Ausbildung auf einem Bein schlecht. [...]

6. Innovationen ermöglichen – von AI bis zu Zukunftstechnologien

Die Innovationstätigkeit der Unternehmen hierzulande ist auf einem historischen Tiefststand. Zu oft werden Forschung und Innovation in Deutschland durch komplizierte und bürokratische Regeln ausgebremst. Wir brauchen einfachere Verfahren, technologieoffene Förderprogramme und mehr Digitalisierung, gerade auch in der Forschungspolitik. Die Politik sollte kurzfristig das Reallabore-Gesetz auf den Weg bringen. Denn Reallabore und Experimentierklauseln sind eine niedrigschwellige Möglichkeit für Betriebe, Innovationen im Rahmen eines gelockerten Regulierungsrahmens voranzutreiben. [...]

7. Wirtschaftliche Offenheit bewahren – internationale Kooperation stärken

Die deutschen Unternehmen leben vom globalen Wettbewerb. Gleichzeitig profitieren deutsche Konsumenten von dem breiteren und günstigen Warenangebot, das durch den internationalen Handel möglich wird. Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Protektionismus, gestiegener geopolitischer Risiken und einer geringeren Wettbewerbsfähigkeit benötigen wir eine kluge EU-Handelspolitik und eine ambitionierte EU-Wettbewerbsagenda. Dabei müssen wir unseren Partnern auf Augenhöhe begegnen. [...]

8. Kreislaufwirtschaft für Rohstoffunabhängigkeit und Klimaschutz nutzen

Zirkuläres Wirtschaften und ressourcenschonende Technologien werden in der Transformation immer wichtiger. Deutschland und Europa sollten hier neue Wertschöpfungs- und Beschäftigungspotenziale erschließen. Das kann zugleich ein Beitrag zum Abbau von Rohstoffabhängigkeiten sein. Eine größere Rohstoffunabhängigkeit verlangt aber auch das stärkere Erschließen eigener Rohstofflager. Überregulierungen durch Normen, zum Beispiel in Bezug auf Produkteigenschaften und Recyclingfähigkeit, reduzieren jedoch bislang die Chancen in diesem Bereich. [...]

9. EU-Regulierungslast und Bürokratie reduzieren

Der Großteil der wirtschaftsrelevanten Gesetze entsteht mittlerweile in Brüssel. Die Bunderegierung muss sich daher auf europäischer Ebene für wirtschaftlich vernünftige Regeln mit Augenmaß sowie für einen Abbau der Bürokratielast einsetzen. Viele bestehende EU-Gesetze wie die Datenschutzgrundverordnung, die Regelungen zur Mitarbeiterentsendung und die Chemikalienregulierung sind unverhältnismäßig bürokratisch gestaltet und umgesetzt. Neue Regulierungen wie die Nachhaltigkeitsberichterstattung, das EU-Lieferkettengesetz, aber auch industriepolitische Initiativen schaffen neue Berichts- und Offenlegungspflichten und stehen damit dem formulierten Ziel einer Senkung von Berichtspflichten diametral entgegen.

10. Infrastrukturdefizite beheben von Breitband bis Wasserstraßen

Weite Teile der Infrastruktur weisen erhebliche Defizite auf. Das belastet den betrieblichen Alltag massiv. Es gibt Engpässe, veraltete und teilweise marode Infrastruktur sowie eine Anfälligkeit für Sabotage. Die Geschwindigkeit bei Erneuerung und Ausbau wird den Anforderungen der Wirtschaft derzeit nicht gerecht. Die Gründe reichen von langen Umsetzungszeiträumen durch eine Vielzahl von Problemen zwischen Bedarfsfeststellung und Inbetriebnahme über Fragen der Wirtschaftlichkeit bei privatwirtschaftlicher Bereitstellung bis hin zu Grenzen der öffentlichen Haushalte bei der Finanzierung. Die Sicherheit der Infrastrukturen gewinnt zudem vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Herausforderungen an Bedeutung. [...]
DIHK

Den vollständigen Beschluss finden Sie hier.