TRENDS & HINTERGRÜNDE

Die neue EU-Maschinenverordnung: Ein Überblick für Hersteller, Importeure und Händler

1. Erweiterter Geltungsbereich und direkte Gesetzeskraft

Die neue Maschinenverordnung zeichnet sich durch einen erweiterten Geltungsbereich aus, der eine Vielzahl von Produkten umfasst:
  • Maschinen im klassischen Sinne
  • auswechselbare Einrichtungen
  • Sicherheitsbauteile
  • Lastaufnahmemittel
  • Ketten, Seile und Gurte
  • abnehmbare Gelenkwellen
Ein wesentlicher Unterschied zur vorherigen Richtlinie besteht darin, dass die neue Verordnung als EU-Verordnung direkte Gesetzeskraft in allen Mitgliedsstaaten hat. Dies bedeutet, dass keine separate nationale Umsetzung erforderlich ist, was zu einer einheitlicheren Anwendung in der gesamten EU führt.

2. Berücksichtigung digitaler Risiken und neuer Technologien

Ein Hauptaugenmerk der neuen Verordnung liegt auf der Bewältigung von Risiken, die durch die fortschreitende Digitalisierung und den Einsatz neuer Technologien entstehen. Dies umfasst:
a) Mensch-Roboter-Kollaboration (Cobots) Die Verordnung berücksichtigt die zunehmende Interaktion zwischen Menschen und Robotern am Arbeitsplatz und legt Sicherheitsstandards für diese Zusammenarbeit fest.
b) Vernetzung von Maschinen Mit dem Internet verbundene Maschinen bergen neue Risiken, die in der Verordnung adressiert werden, insbesondere im Hinblick auf Datensicherheit und Fernzugriff.
c) Software-Updates Die Verordnung regelt den Umgang mit Software-Updates, die die Funktionalität und Sicherheit von Maschinen beeinflussen können.
d) Autonome Maschinen Für Maschinen mit autonomem Verhalten werden spezifische Sicherheitsanforderungen definiert, die auch mögliche Risiken nach dem Inverkehrbringen berücksichtigen.
e) Fernüberwachungsstationen Die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Fernüberwachungssystemen wird in der Verordnung ebenfalls adressiert.

3. Einführung der Kategorie „Hochrisiko-Maschinen“

  • Eine bedeutende Neuerung ist die Einführung der Kategorie „Hochrisiko- Maschinen“. Diese Klassifizierung bringt spezielle Anforderungen mit sich: Einteilung in zwei Kategorien (Teil A und B) gemäß Anhang I der Verordnung
  • Anwendung spezifischer Konformitätsbewertungsverfahren (Module B, C, H, G)
  • Möglichkeit der internen Fertigungskontrolle (Modul A) bei Anwendung harmonisierter Normen Unternehmen müssen regelmäßig prüfen, ob ihre Produkte in diese Kategorie fallen und ob sich Änderungen an der Liste von Hochrisiko- Maschinen im Anhang I ergeben haben.

4. Digitalisierung von Dokumentation und Konformitätserklärungen

Die Verordnung trägt dem digitalen Zeitalter Rechnung, indem sie die digitale Bereitstellung von Betriebsanleitungen und EU Konformitätserklärungen erlaubt. Dabei gelten folgende Bedingungen:
  • Digitale Betriebsanleitungen müssen ausdruckbar, herunterladbar und speicherbar sein.
  • Auf Anfrage muss eine Papierversion innerhalb eines Monats kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
  • Die EU-Konformitätserklärung kann ebenfalls digital bereitgestellt werden, muss aber den gleichen Anforderungen wie die Betriebsanleitung entsprechen.
Diese Neuerung ermöglicht es Unternehmen, effizienter und umweltfreundlicher zu arbeiten, stellt aber auch sicher, dass die Informationen für alle Nutzer zugänglich bleiben

5. Erweiterte Sicherheitsanforderungen

Die neue Verordnung stellt erweiterte Anforderungen an die Sicherheit von Maschinen:
a) Autonome Maschinen Bei Maschinen mit sich entwickelndem und autonomem Verhalten müssen auch Risiken berücksichtigt werden, die nach dem Inverkehrbringen auftreten können. Dies erfordert eine kontinuierliche Risikobewertung und gegebenenfalls Anpassungen.
b) Cybersicherheit Hersteller müssen Vorkehrungen gegen Risiken treffen, die sich aus böswilligen Handlungen Dritter (zum Beispiel Hacker-Angriffe) ergeben können. Die Verordnung sieht hierfür neue grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen vor (Anhang III, 1.1.9: Schutz gegen Korrumpierung).
c) Sicherheit und Zuverlässigkeit von Steuerungen Die Anforderungen an die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Maschinensteuerungen wurden präzisiert (Anhang III, 1.2.1). Dies betrifft insbesondere die Robustheit gegen Ausfälle und externe Einflüsse.

6. IT-Sicherheit im Fokus

Die IT-Sicherheit erhält in der neuen Verordnung
einen deutlich höheren Stellenwert:
  • Einführung spezifischer Anforderungen an die IT-Sicherheit von Maschinen und zugehörigen Produkten
  • Etablierung eines Cybersicherheitszertifikats, das die Erfüllung bestimmter Cybersicherheitsanforderungen bescheinigt
  • Integration von IT-Sicherheitsaspekten in die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen
Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Widerstandsfähigkeit von Maschinen gegen Cyberangriffe zu erhöhen und das Vertrauen in vernetzte Systeme zu stärken.

7. Wesentliche Veränderungen nach Inverkehrbringen

Die Verordnung führt den Begriff der „wesentlichen Veränderung“ ein:
  • Änderungen, die die Sicherheit einer Maschine nach dem Inverkehrbringen beeinträchtigen, gelten als wesentliche Veränderungen.
  • Solche Veränderungen erfordern eine erneute Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens und gegebenenfalls eine neue CE-Kennzeichnung.
Diese Regelung stellt sicher, dass auch nach dem Inverkehrbringen vorgenommene Modifikationen den aktuellen Sicherheitsstandards entsprechen.

8. Zusammenhang mit anderen EU-Regularien

Die Maschinenverordnung steht in engem Zusammenhang mit anderen EU-Regelwerken:
  • EU-Verordnung zur Künstlichen Intelligenz (KI-VO-E): Regelt den Einsatz von KI-Systemen, auch in Maschinen.
  • EU-Data-Act: Betrifft den Umgang mit Daten, die von vernetzten Maschinen generiert werden.
  • CE-Vorgaben zur Produktsicherheit: Ergänzen die Anforderungen der Maschinenverordnung.
  • Ökodesign-Richtlinie: Beeinflusst die Gestaltung von Maschinen unter Nachhaltigkeitsaspekten. Hersteller und Händler müssen diese Wechselwirkungen berücksichtigen, um eine umfassende Compliance sicherzustellen.