IHK Neujahrsempfang

Viele Herausforderungen in einer außergewöhnlichen Zeit

Rund 500 Gäste aus der Region zwischen Alb und Bodensee kamen am 18. Januar zum Neujahrsempfang der IHKs Bodensee-Oberschwaben und Ulm ins Kultur- und Kongresszentrum Oberschwaben in Weingarten.
Zahlreiche namhafte Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Verwaltung aus der Region zwischen Alb und Bodensee kamen am 18. Januar ins Kultur- und Kongresszentrum in Weingarten – unter ihnen Festredner Martin Schulz, Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung und langjähriger Präsident des Europäischen Parlaments.

„Mehr denn je sind Eigenverantwortung und Risikobereitschaft gefragt“

„Wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Zeit“, sagte Martin Buck, Präsident der IHK Bodensee-Oberschwaben, in seiner Begrüßungsrede. Die geopolitische Situation zwinge Unternehmen im exportstarken Oberschwaben, ihre Lieferketten zu diversifizieren. Deutlich höhere Energiekosten erforderten Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen – Kapazitäten, die dann nicht mehr für Innovation zur Verfügung stünden. Zudem mache die Regelungswut den Unternehmen zu schaffen, und die planlose Transformation des Energie und Transportwesens sowie eine marode Infrastruktur belasteten die Betriebe. Auch für die Politik seien die Zeiten herausfordernd, räumte der IHK-Präsident ein. Die Wirtschaft habe allerdings kein Verständnis dafür, wenn seitens der Politik nicht mehr zugehört werde. Zu leicht werde verkannt, dass jedes Unternehmen, jedes Produkt, jeder Arbeitsplatz im weltweiten Wettbewerb stünden. Mehr denn je seien Eigenverantwortung und Risikobereitschaft gefragt, so Buck: „Wir müssen zusammenstehen – Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Wir brauchen ein gemeinsames Zielbild und müssen bereit sein, uns auch von der einen oder anderen liebgewonnenen Kleinigkeit zu verabschieden. Dann kommen wir in Auf- statt in Abbruchstimmung.“
“Europa ist nicht perfekt, aber ohne Europa ist alles nichts.” 
- Martin Schulz, Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung und langjähriger Präsident des Europäischen Parlaments

„Mehr Europa wagen“

Für ein starkes Europa warb Festredner Martin Schulz in seiner Rede. Der Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung war Abgeordneter im Deutschen Bundestag, Bundesvorsitzender der SPD, Kanzlerkandidat und langjähriges Mitglied im Europäischen Parlament, dem er als Präsident in zwei Amtszeiten von 2012 bis 2017 vorstand. Europa habe alle Chancen, auch im 21. Jahrhundert ein Ort von Wohlstand und Stabilität zu sein, sagte Schulz. „Wollen wir aber die Zustimmung der Menschen zur EU nicht verlieren, muss sich einiges ändern.“ Dinge, die national nicht geregelt werden könnten, wie etwa die Bekämpfung des Klimawandels, handelspolitische Fragen sowie die Sicherheits- und Verteidigungspolitik sollten auf europäischer Ebene reguliert werden. Aber auch „die dunklen Seiten, wie beispielsweise der Menschenhandel“, müssten auf europäischer Ebene bekämpft werden. Überbordende Bürokratie sei allerdings falsch, so Schulz weiter. „Wir sollten wieder besser zuhören, und wir brauchen effiziente Lösungen.“ Was lokal, regional oder national zu lösen sei, sollte auch dort gelöst werden, betonte Schulz. Für alles andere erfordere es die Kompetenz der EU. Es sei nicht ganz einfach, Kompromisse zu erzielen, da es Regierungen gebe, die eine Zerstörung der EU riskierten. Dennoch gebe es ein gemeinsames Ziel, das von Toleranz, Respekt, Wertschätzung und Zusammenhalt getragen werde. Europäische Werte und Prinzipien müssten gegen Unterdrückung und Machtstreben verteidigt werden. Das Modell Europa müsse wettbewerbsfähig bleiben gegenüber demokratiefeindlichen und unsozialen Systemen. „Europa ist nicht perfekt, aber ohne Europa ist alles nichts“, so Schulz.

„Zur EU gibt es keine Alternative“

Es sei notwendig, jemandem wie Martin Schulz zuzuhören, sagte Jan Stefan Roell, Präsident der IHK Ulm, abschließend. Zur EU gebe es keine Alternative, aber „Europa macht nicht mehr so viel Spaß“. Die Unternehmen würden unter Regelungen leiden, die sie nicht verstehen, sagte Roell und mahnte eine Reformierung der EU an. Es gelte, die Struktur der EU umzubauen, in der Europa sich auf die Kernaufgaben konzentriert und Regelungen erarbeitet, die dann auch umgesetzt werden müssen: „Die Freude an Europa darf uns nicht verlorengehen.“
- Barbara Müller