Regionaler Wirtschaftsausschuss Wolfenbüttel: Zu Gast bei der Mast-Jägermeister SE

Der Arbeitsmarkt im Landkreis Wolfenbüttel und Strategien zur Fachkräftesicherung sowie die Herausforderungen für die Tourismusentwicklung der Stadt Wolfenbüttel waren bestimmende Themen auf der Sitzung des Regionalen Wirtschaftsausschusses Wolfenbüttel, zu der IHK-Vizepräsident und Ausschussvorsitzender Georg Weber am 31. August eingeladen hatte.
Gleich in seiner Begrüßung stellte Weber fest, dass alle Unternehmen und Wirtschaftsbranchen negativ von den Auswirkungen des Fach- und Arbeitskräftemangels betroffen seien. Neben der Wettbewerbs­fähigkeit der Betriebe sehe die IHK-Organisation deshalb zugleich die Umsetzung wichtiger Transformationsaufgaben in Gefahr. Da auch nicht mehr alle unbesetzten Stellen von Unternehmen gemeldet werden, sei davon auszugehen, dass in Deutschland zwei Millionen Arbeitsplätze vakant seien. Das öffentliche Portal der Agentur für Arbeit liste fast eine Million offene Stellen. Damit gehe ein hohes Wertschöpfungspoten­zial verloren, wie Georg Weber zum Ausdruck brachte.
„Es gilt, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die Fachkräftesituation zu verbessern.“

Georg Weber

Arbeitskräftemangel gefährdet Zukunftsthemen

Zudem stellte der IHK-Vizepräsident klar, dass die derzeit noch stabile Arbeitsmarktentwicklung und die vielen offenen Stellen nicht zu dem Fehlschluss verleiten dürfen, alles laufe relativ rund und den meisten Unternehmen gehe es gut. In Kombination mit hohen Energiepreisen, sinkender Inlandsnachfrage und den Herausforderungen der Transformation in Richtung Klimaneutralität könnten die immer größeren Personalengpässe bis hin zur Verlagerung von Produktion und Dienstleistungen ins Ausland führen. „Das Fehlen von Fachkräften belastet nicht nur die Unternehmen, sondern gefährdet auch den Erfolg bei wichtigen Zukunftsaufgaben: Energiewende, Klimaneutralität, Digitalisierung und Infra­strukturausbau. Für diese Aufgaben braucht es vor allem Menschen mit praktischer Expertise – und die sind rar wie nie zuvor“, so Weber. Schmerzliche Personalengpässe würden sich ebenfalls auf die Dienstleistungsbranche auswirken, welche mit eingeschränkten Angeboten und reduzierten Öffnungszeiten reagiere.
Zudem müssten alle Anstrengungen bei der Qualifizierung und Vermittlung von Arbeitslosen weiterverfolgt werden, um die Angebotssituation auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Poten­ziale, den Fach- und Arbeitskräftemangel abzumildern, sehe Weber auch im Bürokratieabbau: Bei einer Entlastung von Berichts-, Dokumentations- und Meldepflichten könne sich das Personal intensiver um die eigentlichen betrieblichen Aufgaben kümmern.
Oliver Bossow, zum Zeitpunkt der Ausschusssitzung Geschäftsführer Operativ bei der Agentur für Arbeit Braunschweig-Goslar, bestätigte den Ausschussmitgliedern, dass der Bestand offener Arbeitsstellen auch im Landkreis Wolfenbüttel stetig ansteige und sich die Stellenbesetzung zunehmend schwieriger und langfristiger gestalte. Die meisten der 962 offenen Arbeitsstellen im Juli 2023 waren unbefristet zu besetzen und mindestens auf Fachkräfte-Niveau. Demgegenüber hatten im Juli 56,7 Prozent aller 1974 Arbeitslosen im Landkreis Wolfenbüttel keine abgeschlossene Berufsausbildung. Im Durchschnitt betrage die Vakanzzeit bisher 252 Tage bis eine offene Stelle besetzt werden könne.
Zugleich stellte ­Bossow klar, dass die demografische Entwicklung im Landkreis Wolfenbüttel den Arbeitskräftemangel weiter verschärfen werde und stellte verschiedene Maßnahmen zur Fachkräftesicherung vor. In diesem Zusammenhang hob er insbesondere die „Assistierte Ausbildung“ hervor, die Jugendliche bei der Ausbildungsplatzsuche und Auszubildende beim Nachhilfeunterricht fördert. Ebenfalls unterstütze die Agentur für Arbeit bei der Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland.
Tourismusentwicklung dient auch den IHK-Betrieben beim Standortmarketing zur Fachkräftegewinnung und -bindung.

Björn Reckewell

Freizeit- und Kulturtourismus rückläufig

Zur Sitzung berichtete zudem Björn Reckewell, Abteilungsleiter Tourismus der Stadt Wolfenbüttel und langjähriges Mitglied des Regionalen Wirtschaftsausschusses Wolfenbüttel, über den Wirtschaftsfaktor Tourismus und die Herausforderungen für die Lessingstadt Wolfenbüttel: Im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau wurden 6,5 Prozent weniger Tagesgäste registriert. Nach der Corona­pandemie würden zum einen noch immer weniger Geschäftsreisen stattfinden und zum anderen führe die Schließung der musealen Räume der Bibliotheca Augusta, in der auch zahlreiche Veranstaltungen und Konzerte stattgefunden haben, sowie die Einstellung der Betriebsführungen bei Mast-Jägermeister aktuell zu einem Rückgang im Freizeit- und Kulturtourismus. Gleichzeitig hob Reckewell die Bedeutung des Tourismus für Wolfenbüttel hervor: Mit vielfältigen Angeboten und Attraktionen gelte es, nicht nur auswärtigen Gästen eine besondere Erlebnisqualität zu bieten, sondern auch den Einheimischen und Fachkräften vor Ort eine hohe Lebensqualität.
In seinem Vortrag „Von Wolfenbüttel in die Welt“ gab Michael Eichel, Vice President Corporate Communications der Mast-Jägermeister SE, einen Einblick in die beeindruckende Firmenhistorie des Unternehmens. Zugleich stellte er vor, wie Mast-Jägermeister seine Tradition zur Vermarktung seines weltweit bekannten Kräuterlikörs nutzt. Der große Erfolg von Jägermeister war und sei es, kein großes Produktportfolio aufzubauen und mit einem Produkt die Internationalisierung voranzubringen: im Jahr 2022 war Jägermeister auf 153 Märkten aktiv. Aufgrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine sei die Belieferung Russlands im vergangenen Jahr eingestellt worden, dem bis dato viertgrößten Absatzmarkt. Trotz zeitgleicher Absatzrückgänge im drittgrößten Absatzmarkt China konnte jedoch ein neuer Absatzrekord erzielt werden. Ebenso baue das Unternehmen sein Digital Marketing aus und biete mit dem „Jägermeister-Gigant“ auf Festivals oder unter der Marke „Rennmeister“ mit der Teilnahme u. a. auf dem Ultrace-Festival in Wrocław (Polen) neue Highlights.
cs