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Infrastrukturprojekte der Region im Rückblick: Ausbau der A 39
Die Bundesautobahn 39 ist heute eine der wichtigsten Verkehrsadern Niedersachsens und trägt maßgeblich zur wirtschaftlichen Dynamik bereits erschlossener Regionen bei. Der langersehnte Lückenschluss zwischen Lüneburg und Wolfsburg, der die östliche Lüneburger Heide zusätzlich einbinden soll, sorgt jedoch immer wieder für kontroverse Diskussionen. Das Großprojekt, welches insbesondere der Braunschweiger Wirtschaft sowie den umliegenden Städten einen kräftigen Wachstumsschub verleihen könnte, hat in den letzten Jahrzehnten hingegen nur schleppend Fortschritte gemacht. Doch woran liegt das? Und welche Chancen könnte eine vollständige Realisierung dem hiesigen Wirtschaftsraum eröffnen? Wer einen Blick auf die Geschichte und den aktuellen Stand dieses ambitionierten Vorhabens wirft, erkennt schnell das enorme Potenzial, das es birgt – aber auch die zahlreichen Hürden, die noch überwunden werden müssen.
Der seit Jahrzehnten in Planung befindliche Lückenschluss der A 39 könnte für die Region 38 ein wahrer Wendepunkt werden. Die schnelle Verbindung zwischen den wirtschaftlichen Schwergewichten Wolfsburg, Salzgitter und Braunschweig und dem nördlichen Niedersachsen würde nicht nur den Verkehrsfluss optimieren, sondern auch die Fahrtzeiten für Unternehmen und Pendler deutlich verkürzen. Besonders für die Automobilbranche, allen voran für Volkswagen und dessen Zulieferer, würde die direkte Anbindung einen echten Standortvorteil bieten. Staus, Umwege und komplizierte Verkehrsführungen könnten bald der Vergangenheit angehören. Zudem würde die Erweiterung gen Hamburg und die Anbindung an den Hafen neue wirtschaftliche Perspektiven eröffnen, die vor allem dem ökonomisch schlechter aufgestellten Osten des Bundeslands zugutekommen könnten.
Bundesstraße als Vorläufer
Fast ein halbes Jahrhundert verging, bis der für die Löwenstadt so bedeutende, rund 70 Kilometer lange Abschnitt zwischen Baddeckenstedt und Wolfsburg-Weyhausen fertiggestellt war. Die Idee, eine zweite Nord-Süd-Achse über Braunschweig und Uelzen als Ergänzung zur A 7 zu schaffen, schlummerte bereits in den frühen 1950er-Jahren in den Schubladen der Planer. Doch zunächst schien der Bedarf nicht groß genug, und so geriet das Vorhaben ins Stocken.
Ein erster Prototyp der späteren Bundesautobahn war das 10,6 Kilometer lange Teilstück zwischen Üfingen und dem heutigen Autobahndreieck Braunschweig-Südwest, das zwischen 1963 und 1964 als Bundesstraße 490 realisiert wurde. Nach und nach wuchs die Trasse weiter: Bis 2008 kamen weitere 40 Streckenkilometer des südlichen A 39-Abschnitts hinzu, bis schließlich mit der umfangreichen Neuordnung des Dreiecks Braunschweig-Südwest im August 2012 der letzte Puzzlestein gelegt wurde.
Der erste Planfeststellungsbeschluss im Lüneburger Raum liegt vor.
Doch während Braunschweig längst bereit für die nächste Etappe der A 39-Verlängerung nach Lüneburg und Paderborn war, verlief die Entwicklung im übrigen Teil nicht ganz so dynamisch wie erhofft. Bei der feierlichen Eröffnung der modernisierten Anschlussstelle in Melverode verkündete Enak Ferlemann, damals Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, voller Zuversicht die Ausbaupläne der gesamten Trasse bis Maschen. Tatsächlich war man sich damals sicher, dass der Neubau zwischen Lüneburg-Nord und Ehra bald in Angriff genommen werden würde – eine Hoffnung, die sich im Laufe der Jahre als überaus optimistisch erwies.
Kammern starten Kampagne
Im Herbst 2015 starteten die Industrie- und Handelskammern Lüneburg-Wolfsburg und Braunschweig eine breit angelegte Kampagne, um die wirtschaftlich dringende Notwendigkeit des Lückenschlusses der A 39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg zu zementieren. Infolge wachsender Kritik setzten sie auf ein einprägsames Motto: „Ohne A fehlt uns was“. Gleichzeitig brachten sie im Rahmen des seit 1969 bestehenden Nordland-Autobahn-Vereins e. V. neuen Schwung in die Thematik. „Beide Initiativen sorgten tatsächlich für Bewegung, bis finanzielle Hürden die Planung erneut gefährdeten“, erinnert sich Frank Bethke, Teamleiter Standort & Branchen bei der IHK Braunschweig. Dennoch hielten die Kammern unermüdlich an der A 39 als „Zukunftsachse“ fest und setzten sich mit Nachdruck dafür ein, dass der Ausbau im Bundesverkehrswegeplan 2030 als „vordringlicher Bedarf“ eingestuft wird.
Nun muss die Politik zeigen, dass sie es ernst meint und das Projekt konsequent vorantreibt.Frank Bethke
Planfeststellungsverfahren laufen an
Die ausufernde Verzögerung hat zahlreiche Ursachen. Einige der Hauptgründe sind die aufwendigen Planungs- und Genehmigungsverfahren, die bei großen Infrastrukturprojekten in Deutschland durchlaufen werden müssen. Umweltverträglichkeitsprüfungen, Bürgerbeteiligungen und Abstimmungen mit verschiedenen Behörden machen den Prozess oft langwierig und komplex. Hinzu kommen finanzielle Herausforderungen: Die geschätzten Kosten für den 106 Kilometer langen Abschnitt belaufen sich auf rund 1,69 Milliarden Euro. Angesichts knapper öffentlicher Mittel und konkurrierender Bauprojekte gestaltet sich die Finanzierung schwierig. Zudem wird die Priorisierung solcher Vorhaben politisch intensiv diskutiert, was weitere Verzögerungen nach sich zieht.
Auch Umwelt- und Naturschutzbedenken spielen eine entscheidende Rolle. Zahlreiche Umweltverbände äußerten Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf Natur und Lebensräume, was zu rechtlichen Auseinandersetzungen führte. Klagen von Umweltschützern haben den Prozess zusätzlich in die Länge gezogen.
Auch Umwelt- und Naturschutzbedenken spielen eine entscheidende Rolle. Zahlreiche Umweltverbände äußerten Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf Natur und Lebensräume, was zu rechtlichen Auseinandersetzungen führte. Klagen von Umweltschützern haben den Prozess zusätzlich in die Länge gezogen.
„… ohne A 39 fehlt uns was“, sagten 2015 der frühere IHK-Präsident Dr. Wolf-Michael Schmid und Minister Olaf Lies.
Trotz aller Herausforderungen gibt es auch Fortschritte: Nachdem bereits Mitte 2024 die geänderte Planung im siebten Abschnitt von Ehra bis Weyhausen fertiggestellt und genehmigt wurde, liegt nun auch für den ersten Bauabschnitt von Lüneburg-Nord bis Lüneburg-Ost nach über einem Jahrzehnt ein Planfeststellungsbeschluss vor. Auch die übrigen fünf Segmente befinden sich entweder in der Planfeststellung oder werden geprüft. Doch der Lückenschluss bleibt ein hochkomplexes Unterfangen, das weiterhin eine sorgfältige Abwägung unterschiedlicher Interessen erfordert. „Nun muss die Politik zeigen, dass sie es ernst meint und das Projekt konsequent vorantreibt“, betont Frank Bethke. Jüngst hatte Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies mit einer „A 39-Euphorie“ frischen Wind in die Debatte gebracht und auf die Dringlichkeit des Ausbaus im Zuge des enormen und perspektivisch noch zunehmenden Lkw-Aufkommens hingewiesen.
Fortschritte stimmen Wirtschaft zuversichtlich
Die Bedeutung des Lückenschlusses wird auch durch die breite Unterstützung in der Region unterstrichen. Laut einer Forsa-Umfrage aus 2021, die im Auftrag der IHK Lüneburg-Wolfsburg durchgeführt wurde, sprachen sich 71 Prozent der Bevölkerung in den betroffenen Landkreisen für die ganzheitliche Vollendung des Mammutprojekts aus. Viele der Befragten zeigten zudem kein Verständnis dafür, dass die Umsetzung von Infrastrukturvorhaben derart viel Zeit in Anspruch nimmt. Unterstützung findet die A 39 auch durch zahlreiche mittelständische Unternehmen in Nordostniedersachsen, die sich eine Verbesserung der Wirtschaftsbedingungen und der Infrastruktur versprechen. Hervorgebracht wird, dass die neu durchquerte Region für transportintensive Produktion und Logistikbetriebe attraktiver und die in diesem Zusammenhang stark entzerrte A 7 potenter würde, was sich wiederum positiv auf den Güterfluss auswirken könnte.
jk
2/2025