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Der Wirtschaftsstandort Deutschland braucht frische Energie
Hohe Strompreise und bürokratische Hürden erschweren deutschen Unternehmen den Weg zur Klimaneutralität und gefährden ihre Wettbewerbsfähigkeit. Daher erwarten die Industrie- und Handelskammern von der künftigen Bundesregierung eine zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung, Bürokratieabbau bei Genehmigungsverfahren und die Stärkung eines europäischen Energiebinnenmarktes.
Peter Adrian
© DIHK
Kleinteilige Regulierung, hohe Energiekosten, überbordende Bürokratie – die aktuelle deutsche Energiepolitik stellt Unternehmen vor gewaltige Herausforderungen. Um diesen zu begegnen, müssen nach der Bundestagswahl wichtige Weichen für die Energiepolitik in Deutschland neu gestellt werden. „Die Industrie- und Handelskammern erwarten von der Politik Rahmenbedingungen, die den Betrieben nicht nur Planungssicherheit geben, sondern vor allem auch mehr Raum für Eigenverantwortung und Innovation lassen”, beschreibt Sebastian Bolay, DIHK-Bereichsleiter Energie, Umwelt, Industrie die Stimmung in der deutschen Wirtschaft. Im Vordergrund sollten in der neuen Legislaturperiode daher marktwirtschaftliche Ansätze statt kleinteiliger staatlicher Vorgaben stehen, wie sie die DIHK-Vollversammlung, in der alle IHKs vertreten sind, im vergangenen Herbst auch in ihren wirtschaftspolitischen Positionen formuliert hat.
IHK-Energiewende-Barometer: Unternehmen blicken pessimistisch auf die Energiewende
Die Notwendigkeit einer Trendwende in der Energiepolitik unterstreicht auch das bundesweite IHK-Energiewende-Barometer 2024. Laut der Umfrage unter rund 3300 Unternehmen verliert Deutschland als Wirtschaftsstandort zunehmend an Attraktivität. 37 Prozent der Industrieunternehmen können sich vorstellen, ihre Produktion einzuschränken oder ins Ausland zu verlagern. Bei größeren Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten sind es sogar mehr als die Hälfte.
Sahen viele Betriebe vor 2023 in der Energiewende – also im Übergang von fossilen und nuklearen Energieträgern zu erneuerbaren Energiequellen – auch Chancen für das eigene Handeln, so ist die Stimmung in den vergangenen zwei Jahren gekippt.
Die Sicherheit und die Kosten der Energieversorgung müssen ganz oben auf der Agenda der nächsten Bundesregierung stehen.Peter Adrian
Strompreise senken, Versorgungssicherheit erhöhen
Laut IHK-Energiewende-Barometer sind insbesondere hohe Energiepreise und fehlende Planbarkeit bei der Energieversorgung für die deutsche Wirtschaft ein Produktions- und Investitionshemmnis. „Die Sicherheit und die Kosten der Energieversorgung müssen ganz oben auf der Agenda der nächsten Bundesregierung stehen“, sagt DIHK-Präsident Peter Adrian. „Allein für Strom zahlen deutsche Mittelständler inklusive Steuern, Netzentgelten und Umlagen viermal so viel wie ihre Wettbewerber in anderen Industrieländern.“ Um den Strompreis zu entlasten, fordert die DIHK von der künftigen Bundesregierung eine dauerhafte Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Minimum für alle Branchen, die Finanzierung der Umlagen auf den Strompreis über den Bundeshaushalt und einen staatlichen Zuschuss zu den stark gestiegenen Netzentgelten.
Gleichzeitig gilt es, die hohe Energieversorgungssicherheit in Deutschland langfristig sicherzustellen. Dazu braucht es aus Sicht der DIHK einen konsequenten Aus- und Umbau der Stromnetze, die Entwicklung von Stromspeichern und den Bau neuer Leitungen für Wasserstoff, CO2 und Wärme. Auch heimische Potenziale wie Geothermie und Biomasse sollten für das Erreichen der Klimaneutralität stärker in den Blick genommen werden.
IHKs positionieren sich zur Energiepolitik
„Energie und Nachhaltigkeit“ ist eine von neun Clustern der neu beschlossenen „Wirtschaftspolitischen Positionen“ der 79 Industrie- und Handelskammern. Die „WiPos“ der IHK-Organisation beschreiben die wichtigsten Themen der Bundes- und Europapolitik aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft und bilden zugleich die inhaltliche Basis für die wirtschaftspolitische Arbeit sowie für Äußerungen und Stellungnahmen der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Abrufbar sind diese Positionierungen auf der DIHK-Website unter www.dihk.de/de/wirtschaftspolitische-positionen.
„Energie und Nachhaltigkeit“ ist eine von neun Clustern der neu beschlossenen „Wirtschaftspolitischen Positionen“ der 79 Industrie- und Handelskammern. Die „WiPos“ der IHK-Organisation beschreiben die wichtigsten Themen der Bundes- und Europapolitik aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft und bilden zugleich die inhaltliche Basis für die wirtschaftspolitische Arbeit sowie für Äußerungen und Stellungnahmen der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Abrufbar sind diese Positionierungen auf der DIHK-Website unter www.dihk.de/de/wirtschaftspolitische-positionen.
„Der Politik ist es bisher nicht gelungen, den Unternehmen eine Perspektive für eine zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung aufzuzeigen“, meint Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der DIHK. Diese Erkenntnis sei inzwischen auch in der Politik angekommen. Allerdings zeichnen sich bislang noch keine gemeinsamen Lösungen, sondern nur unterschiedliche Konzeptansätze ab. „Die Wachstumsbremsen durch die Energiepolitik lassen sich nur durch ein Umdenken lösen. Die Firmen brauchen jetzt eine nachhaltige Perspektive für eine verlässliche Energieversorgung mit wettbewerbsfähigen Preisen.”
Unternehmergeist statt Verbote und Vorgaben
Auch die Regulierungsflut muss aus Sicht der DIHK dringend abnehmen. So greife die Politik viel zu detailliert in betriebliche Ressourcenplanungen und Investitionsentscheidungen ein. Dies löse in der betrieblichen Praxis massive Blockaden aus und führe nebenbei zu einem extremen Aufwuchs an Bürokratie.
„Die Vorgaben müssen drastisch reduziert werden. Das Energieeffizienzgesetz und das Gebäudeenergiegesetz dürfen in der bisherigen Form nicht weiterbestehen. Anreize für technologische Innovationen statt Detailregelungen sind der richtige Weg”, fordert DIHK-Präsident Adrian. Die Bundesregierung sollte nach Ansicht der DIHK auf den Unternehmergeist vertrauen. Den Betrieben mangele es nicht an Willen und nachhaltigen Konzepten ihrer künftigen Energieversorgung.
„Die Vorgaben müssen drastisch reduziert werden. Das Energieeffizienzgesetz und das Gebäudeenergiegesetz dürfen in der bisherigen Form nicht weiterbestehen. Anreize für technologische Innovationen statt Detailregelungen sind der richtige Weg”, fordert DIHK-Präsident Adrian. Die Bundesregierung sollte nach Ansicht der DIHK auf den Unternehmergeist vertrauen. Den Betrieben mangele es nicht an Willen und nachhaltigen Konzepten ihrer künftigen Energieversorgung.
Ziel: eine einheitliche europäische Energielandschaft
Viele Regulierungen haben ihren Ursprung in der EU. DIHK-Präsident Peter Adrian erwartet deshalb von der künftigen Bundesregierung, dass sie sich auch in Brüssel für einen Kurswechsel bei den Richtlinien und Verordnungen einsetzt, die allein schon von ihrer Menge her Rekordwerte erreichen: „Die Vorgaben des EU Green Deal müssen drastisch reduziert werden, sonst kommt noch eine dreistellige Anzahl an neuen Rechtsakten auf die Wirtschaft zu.“
Eine enge Zusammenarbeit aller EU-Mitgliedstaaten in der Energiepolitik ist jedoch aus Sicht der DIHK unerlässlich: Für eine sichere Energieversorgung in Europa und einen starken Energiebinnenmarkt sollte sich die künftige Bundesregierung noch stärker mit den europäischen Nachbarn abstimmen. Anstelle von nationalen Alleingängen einzelner Mitgliedstaaten sieht die DIHK die Zukunft in mehr Kooperation zwischen den EU-Ländern – insbesondere, wenn es darum geht, den Ausbau der erneuerbaren Energien entschieden voranzutreiben, einen EU-weiten Wasserstoffmarkt zu etablieren und die europäischen Energienetze auszubauen.
Autorin:
Mascha Dinter – freie Journalistin
Mascha Dinter – freie Journalistin
1/2025