Wesentlichkeitsanalyse: Damit das Alles nicht zu viel wird – Teil 2

Als Ergebnis einer ersten Themensammlung hat sich eine – mehr oder weniger lange – Liste mit relevanten Punkten ergeben. Diese erste Sammlung muss durch eine systematische Betrachtung weiter konkretisiert werden. Dafür bietet sich die Wesentlichkeitsanalyse bzw. die Darstellung in einer Wesentlichkeitsmatrix an.
Zusätzlich sollte bereits eine verantwortliche Person benannt worden sein, der/die Nachhaltigkeitsmanager:in. Diese Person ist mit den notwendigen zeitlichen Ressourcen ausgestattet, um die Aufgaben erfüllen zu können.
Welche Aufgaben hat ein/e Nachhaltigkeitsmanager:in?
Die 7 Hüte der/des Nachhaltigkeitsmanager:in (in Anlehnung an „MVO doe je Zo“):
  1. Netzwerker:in: Aufbau und Pflege eines Netzwerks – innerhalb und außerhalb der Organisation
  2. Strateg:in: Integration der Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie & Ableitung relevanter Aktivitäten
  3. Koordinator:in: Begleitung und Zusammenführung von Maßnahmen in allen Bereichen der Organisation
  4. Inspirator:in: Initiieren und Kreieren einer nachhaltigen Organisationskultur
  5. Befähiger:in: Wissensvermittlung und Unterstützung bei der Übersetzung von Nachhaltigkeitsaspekten in die tägliche Arbeit
  6. Innovator:in: Einbringen neuer Ideen und Möglichkeiten von außen
  7. Controller:in: Evaluation und Reporting von Nachhaltigkeitszielen, Maßnahmen und Kennzahlen.
Die Wesentlichkeitsanalyse kann in Form eines – oder mehrerer  – Workshops stattfinden, bei der alle relevanten Abteilungen eingebunden werden sollten. Diese sind neben der Nachhaltigkeitsabteilung u. a.:
  • Vertrieb/Kundenservice
  • Einkauf
  • Energie- und Umweltmanagementbeauftragte (wenn vorhanden), ansonsten die jeweiligen Verantwortlichen im Betrieb
  • Personalabteilung/HR
  • technische Abteilungen/Entwicklungsabteilung
  • Rechtsabteilung
  • Mitarbeitende aus dem operativen Geschäft bzw. der Produktion
  • Teile der Geschäftsführung/Führungskräfte
Auf Basis der vorherigen Arbeiten sollten die wichtigsten internen und externen Themen sowie Anforderungen der Stakeholder bereits bekannt sein. Diese werden in dem Workshop gemeinsam bewertet und ergänzt sowie daraus resultierende potenzielle negative und positive Auswirkungen auf das Unternehmen, die Umwelt oder die Menschen diskutiert und dokumentiert. Auch vorhandene Ideen für mögliche Maßnahmen sollten bereits dokumentiert werden.
Wichtig ist dabei die moderierte (!) Diskussion der Teilnehmenden untereinander, um ein möglichst großes Meinungsspektrum zu erhalten. Denn: was für die eine Abteilung sehr wesentlich ist, kann für die zweite irrelevant – oder einfach noch unbekannt – sein.
Dabei sollte sowohl die Inside-Out-Perspektive – vom Unternehmen ausgehende Nachhaltigkeitsaspekte, die Einfluss auf Umwelt und Menschen nehmen – als auch die Outside-In-Perspektive – auf das Unternehmen einwirkende Aspekte – berücksichtig werden.
Wir empfehlen die Bewertung auf einer Skala von 1 (nicht relevant) bis 10 (sehr relevant). Dafür sollten alle Teilnehmenden jeden Aspekt erst einmal aus Sicht der eigenen Abteilung bewerten (z. B. durch Punkteverteilung an einem Flipboard oder durch digitale Abstimmungs-Tools). In der daran anschließenden Diskussion wird dann eine gemeinsame Bewertung der Erheblichkeit festgelegt.
Die Darstellung der Ergebnisse kann in Form einer Liste oder als Wesentlichkeitsmatrix erfolgen:
Dabei sind die jeweiligen Achsen nicht festgelegt, sondern abhängig von den Betrachtungszielen oder ggf. dem verwendeten Standard zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung. Wichtig ist auch die Berücksichtigung der eigenen Einflussmöglichkeiten oder ob ggf. kein Handlungsbedarf besteht (da der Aspekt schon vollumfänglich erfüllt wird, wie z. B. die Arbeitnehmerrechte, die bei einem Unternehmen mit Betriebsrat weitestgehend berücksichtigt werden). Auch die Umsetzbarkeit sollte mitbedacht werden, so können Quick Wins einen erfolgreichen Start in die Nachhaltigkeitstransformation beschleunigen, anstatt das Abmühen an den großen Brocken (siehe Artikel 2 der Reihe).
Wesentliche Aspekte sind dann die Nachhaltigkeitsaspekte, welche sich im oberen rechten Quadranten befinden (siehe Grafik)! Diese sollten in Zukunft im Fokus stehen, und (mindestens) für diese Themen sollten im Workshop mögliche Chancen und Risiken sowie Maßnahmen dokumentiert werden.
In den nächsten Ausgaben werden wir uns damit beschäftigen, wie mögliche Nachhaltigkeitsziele und daraus resultierende Maßnahmen festgelegt werden können, wie eine Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet werden kann und was Chance Management damit zu tun hat. Außerdem werden die Standards für Nachhaltigkeitsberichte und das Vorgehen bei der Erstellung dieser in einer der folgenden Ausgaben genauer betrachtet. Einen kleinen Ausblick dazu finden Sie im Kasten.
Aktuelle Anforderungen der Nachhaltigkeitsberichtserstattung

Die etablierten und kommenden Berichtsstandards fordern immer eine Wesentlichkeitsanalyse nach festgelegten Kriterien und bieten einen guten Überblick zu relevanten Nachhaltigkeitsthemen an. Zukünftig sind alle großen Unternehmen (voraussichtlich ab dem Geschäftsjahr 2025) zur Veröffentlichung eines Nachhaltigkeitsberichtes verpflichtet. Die EU-Richtlinie zu Nachhaltigkeitsberichten ist bereits in Kraft getreten (EU-CSRD (Rechtlinie (EU) 2022/2464)), die erforderliche Umsetzung in deutsches Recht ist noch offen.

Als Grundlage können die international anerkannten Standards der GRI (Global Reporting Initiative, die sogenannten GRI-SRS) oder die Entwürfe der europäischen Berichtsstandards (ESRS – European Sustainability Reporting Standards) dienen.  Beim „Überfliegen“ der Inhaltsverzeichnisse und der einzelnen Anforderungen entsteht ein Überblick über die möglichen Themenfelder einer Nachhaltigkeitsstrategie.

Initiiert von:
Dr. Julia Norden, AGIMUS GmbH Umweltgutachterorganisation & Beratungsgesellschaft;
Sabine Sternberg, Jenko Sternberg Design GmbH und Anna-Careen Urban, pionira GmbH