Greenwashing als Herausforderung im Marketing und den Rechtswissenschaften

Das Thema „Greenwashing“ ist derzeit in aller Munde, sowohl im Marketing als (kritisierte) Werbeform als auch in den Rechtswissenschaften, denn das Thema wird in der juristischen Fachliteratur aktuell vielfach untersucht und auch in der Rechtsprechung werden immer häufiger Urteile in diesem Kontext gesprochen.
Der Begriff „Greenwashing“ steht dabei für die Versuche von Organisationen, Verbänden, Unternehmen, aber auch Staaten, sich mit Blick auf den Klima-, Natur- und Umweltschutz verantwortungsbewusst und nachhaltig darzustellen, obwohl dafür keine oder nur unzureichende Maßnahmen ergriffen werden. Gerade die Grauzone zwischen „Green Marketing“ als Vermarktung von Produkten unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeit und „Greenwashing“ mit dem Ziel des Verbergens und Ablenkens von nicht nachhaltigen Praktiken bzw. Produkten ist hochumstritten und nicht immer eindeutig bestimmbar. Auch bei ehrlichen und umfassenden Bemühungen eines Herstellers um ökologisch korrektes Verhalten ist die Gestaltung von umweltbezogener Werbung schwierig. Die naturwissenschaftlichen Hintergründe einzelner Werbeaussagen sind komplex und häufig fehlt es an einem einheitlichen Verständnis von Begriffen. Schon die Kennzeichnungspflicht von Produkten mit den Bezeichnungen „umweltgerecht“, „umweltschützend“, aber auch der Begriff „klimaneutral“ sind inhaltlich unklar, weil sie kaum genau und insbesondere rechtssicher zu definieren sind, weshalb gerade aufklärenden Hinweisen in der Praxis eine wichtige Bedeutung zukommt. Doch welche Infos zur beworbenen Klimaneutralität müssen in die Werbung oder auf die Verpackung? Ist eine URL oder ein QR-Code mit weiteren Informationen als Aufklärung ausreichend?
Kompliziert wird die rechtssichere Handhabung auch durch die bisher noch sehr uneinheitliche Rechtsprechung der Landes- und Oberlandesgerichte. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 06.07.2023, Az. I-20 U 152/22, nicht rechtskräftig) hat kürzlich über eine Werbung für Süßigkeiten in einer Zeitungsanzeige mit den Angaben „Seit 2021 produziert K. alle Produkte klimaneutral“ sowie mit der Angabe „Klimaneutral Produkt“ mit einer URL zu einer weiterführenden Internetseite entschieden. Nach Ansicht des Senats haben Verbraucher ein erhebliches Interesse an der Information, ob die Klimaneutralität (auch) durch eigene Einsparmaßnahmen erreicht werde oder nur durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten beziehungsweise durch die Unterstützung von Klimaprojekten Dritter. Er vertritt die Auffassung, dass ein QR-Code oder eine Internetseite mit entsprechenden weiterführenden Informationen genügt. Da ein solcher Verweis im konkreten Fall vorliege, sei die Werbung daher nicht intransparent.
Damit steht die Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf aber im Gegensatz zu anderen Gerichtsentscheidungen, wonach aufklärende Hinweise direkt in der Werbung platziert und deutlich sichtbar herausgestellt werden müssen (Oberlandesgericht Schleswig, Urteil vom 30.06.2022, Az. 6 U 46/2) oder wonach es nicht ausreichend sein soll, wenn an anderer Stelle, bspw. auf der Internetseite, auf die Art und Weise der Kompensation hingewiesen wird, wenn an der Werbung ausreichend Platz für einen klarstellenden Hinweis ist (Landgericht Oldenburg, Urteil vom 16.12.2021, Az. 15 O 1469/21). Auch nach dem Landgericht Stuttgart (Urteil vom 30.12.2022, Az. 53 O 169/22) sind einschränkende Erläuterungen grundsätzlich auf dem für die Werbung benutzten Kommunikationsmittel selbst anzubringen, der Verweis auf weiterführende Informationen auf der Website des Unternehmens genügt möglicherweise nicht.
Erfreulicherweise hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Revision in der oben dargestellten Sache zugelassen. Die Wettbewerbszentrale hat die zugelassene Revision zwischenzeitlich eingelegt (Bundesgerichtshof, Az. I ZR 98/23). Nach ihrer Auffassung müsse bereits in der Werbung bzw. auf der Verpackung stichwortartig über die grundlegenden Punkte aufgeklärt werden – auch wenn eine detaillierte Erklärung, wie die behauptete Klimaneutralität zustande kommt, erst auf der Internetseite erwartet werden könne.
Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof in dieser Sache ein Urteil sprechen wird, welches Sicherheit und Orientierung für die Praxis geben wird.
Neben zahlreichen Gerichtsentscheidungen sind künftig auch die Vorgaben einer neuen EU-Richtlinie über „Green Claims“ zu beachten, deren Entwurf im März 2023 veröffentlicht wurde.
An der Brunswick European Law School (BELS)/Fakultät Recht der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften wird dieses Thema aus verschiedenen Blickwinkeln in Forschung und Lehre behandelt. So forschen mehrere Professoren aus verschiedenen Fachrichtungen zum Thema „Green Marketing/Green Claims/Greenwashing“ und bieten gemeinsam interdisziplinäre Veranstaltungen an, um dieses Thema den Studierenden, aber auch der interessierten Öffentlichkeit näherzubringen. So wurde in der Veranstaltungsreihe „Forum Nachhaltigkeit“ der BELS das Thema am 06.06.2023 mit Blick auf die rechtlichen und ökonomischen Grenzen umweltrelevanter Zuschreibungen mit einem interessierten Publikum diskutiert. Auch in Veranstaltungen für Studieninteressierte und in Vorlesungen der Bachelorstudiengänge an der BELS wird dieses Thema behandelt.
Der Autor widmet sich diesem Themengebiet in Forschung und Lehre aus der Perspektive des deutschen und europäischen Lauterkeitsrechts. So werden Praxisfälle mit Blick auf Umweltaussagen in der Werbung („Green Claims“) untersucht und die Möglichkeiten des rechtlichen Einschreitens wegen eines festgestellten Verstoßes ermittelt.
Dafür analysiert der Autor regelmäßig aktuelle Rechtsprechung und die künftige Richtlinie und erarbeitet mit Mitarbeitern und Kollegen am Institut für Geistiges Eigentum, Recht und Wirtschaft in der Informationsgesellschaft (GWI) einen Überblick mit praxisnahen Tipps zur rechtssicheren Gestaltung von Werbung im Themenkontext.
von Prof. Dr. jur. Oliver Kreutz