Flensburg: Wirklich Verlag
Neue Wochenzeitung in Flensburg
Polizistin, Oberbürgermeisterin und nun Verlegerin – Simone Lange wagt mit ihrem Zeitungsverlag den Schritt in eine unbekannte Branche. Mit der Wochenzeitung „wirklich“ möchte sie Vielfalt in den Lokaljournalismus bringen.
Simone Lange mit einer Ausgabe der „wirklich“
© IHK/Boye
„Eine Zeitung gründen in der heutigen Zeit?“, ist oft die verblüffte Reaktion, wenn Simone Lange von ihrem neuen Verlag erzählt. In einer fremden Branche, deren Umsätze zudem seit Jahren rückläufig sind, ein Unternehmen zu gründen – das kann man wohl mutig nennen. „Nachdem das Anzeigenblatt ,MoinMoin‘ eingestellt wurde, blieben mit der ,Flensborg Avis‘ und dem Flensburger Tageblatt des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags nur noch zwei lokale Zeitungen in der Stadt. Mir fehlte die journalistische Vielfalt im Lokalen“, so die ehemalige Flensburger Oberbürgermeisterin. Und überhaupt, so unkonventionell sei die Idee einer neuen Zeitung gar nicht. Im Osten Deutschlands gebe es einige ähnliche Start-Ups, bekräftigt sie. Seit Mitte Mai erscheint die zwölfseitige „wirklich“ freitags in Flensburg und Umgebung mit einer Auflage von 5.000 Stück. Finanziert wird sie neben einigen Anzeigen vor allem durch den Verkauf im Handel und Abonnements.
Mir fehlte die journalistische Vielfalt im Lokalen.Simone Lange
Mit ihrem Verlag möchte Simone Lange vor allem für mehr Demokratiebewusstsein in der Gesellschaft sorgen. Ihr sei es wichtig, gesellschaftspolitische, regionale Themen einzuordnen. „Die Beteiligung bei den Kommunalwahlen lag dieses Jahr in Flensburg bei 36 Prozent. Das ist katastrophal. Es ist wissenschaftlich belegt, dass mangelnde journalistische Vielfalt auf regionaler und vor allem lokaler Ebene zu einer sinkenden Wahlbeteiligung führt“, sagt Simone Lange. Mit ihrem Verlag möchte sie einen Beitrag zur Stärkung der Demokratie leisten. „Wir haben den Anspruch, die Themen journalistisch gut und interessant aufzubereiten und setzen deshalb bewusst auf unkonventionelle Wege. Wir verzichten zum Beispiel auf reißerische Überschriften“, erklärt die Verlegerin. Auch schreiben für die „wirklich“ neben ausgebildeten Journalisten Quereinsteiger aus dem Kultur- und Pädagogikbereich. Zudem verzichtet die Zeitung auf eingekaufte Inhalte von Nachrichtenagenturen. „Wir veröffentlichen auch Pressemitteilungen, doch der Großteil der Beiträge entsteht durch eigene Recherchen hier vor Ort durch unsere Mitarbeitenden.“ Auf die Frage, ob sie noch SPD-Mitglied sei, antwortet Simone Lange: „Natürlich, meine Mitgliedschaft hänge ich nicht gleich an den Nagel.“
Zurzeit arbeitet die Redaktion in neu eingerichteten Redaktionsräumen innerhalb ihres Wohnhauses. Die Zeitung hat sie nach eigenen Angaben selbst finanziert. Auch ein E-Paper wurde bereits aufgrund der Nachfragen von Leserinnen und Lesern eingerichtet. „Wir sind gut gestartet, unser Abonnentenstamm wächst und wir sprudeln über vor neuen Ideen“, so Lange. Die Anzahl der Abonnenten möchte die Unternehmerin aber nicht verraten. „Unser Ziel ist, noch bekannter zu werden und von Monat zu Monat zu wachsen.“
Aenne Boye