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„Emotionale Faktoren spielen eine zentrale Rolle“
Nachfolgeverhandlungen sind für beide Seiten besonders komplex: Die Abgabe des eigenen Unternehmens und Lebenswerks ist hochemotional, was Gespräche am Verhandlungstisch häufig erschwert. Verhandlungsexperte Professor Dr. Christian Scheiner, Leiter des Instituts für Entrepreneurship und Business Development an der Universität zu Lübeck, gibt Tipps für erfolgreiche Gespräche.
Professor Dr. Christian Scheiner ist Verhandlungsexperte an der Universität zu Lübeck.
Herr Professor Scheiner, was sind die häufigsten Herausforderungen bei einer Unternehmensnachfolge?
Die größte Herausforderung auf Seiten der Inhaberinnen und Inhaber ist die Suche nach einem passenden Nachfolger. Laut der letzten DIHK-Studie liegt das Verhältnis von Nachfolge-Unternehmen zu Interessenten bei drei zu eins. Das heißt rein statistisch kommt nur ein Interessent auf drei Nachfolgeunternehmen. Auch die angestrebte Nachfolgelösung hat sich verändert, was die Nachfolge erschwert. Lag 2022 die angestrebte Übergabe des Unternehmens innerhalb der Familie mit 53 Prozent an der Spitze, war es 2024 der Verkauf an Externe mit 50 Prozent. Eine Übergabe innerhalb der Familie wurde nur noch von 33 Prozent der Befragten genannt, da sich in der Familie häufig niemand finden lässt, der das Unternehmen weiterführen will oder kann. Auf Seiten der Nachfolger werden als größte Herausforderungen die Suche nach einem passenden Unternehmen und Schwierigkeiten der Finanzierung genannt.
Welche Fallstricke treten bei Nachfolgeverhandlungen am häufigsten auf?
Unternehmensnachfolgen unterscheiden sich maßgeblich von herkömmlichen Verhandlungsprozessen, da hier oft das Lebenswerk der Inhaberinnen und Inhaber im Mittelpunkt steht. Ideelle Werte und emotionale Bindungen können die Bewertung materieller Verhandlungsaspekte stark beeinflussen, was sich etwa in überhöhten Preisvorstellungen widerspiegelt. Um diesen Fallstricken vorzubeugen, sollte Wertschätzung gegenüber der Lebensleistung der Inhaber gezeigt werden. Ideelle und materielle Interessen müssen gleichwertig erörtert und in den Verhandlungsprozess integriert werden. Ein respektvoller Umgang ist essenziell, um Vertrauen aufzubauen und Wert für alle Beteiligten zu schaffen.
Welche Rolle spielen emotionale Faktoren und wie können diese gemanagt werden?
Emotionale Faktoren spielen bei Nachfolgeverhandlungen eine zentrale Rolle, da Inhaber häufig stark mit ihrem Unternehmen identifiziert sind. Das Unternehmen repräsentiert nicht selten einen wesentlichen Teil ihrer Identität. Wird diese Identität in Frage gestellt oder nicht hinreichend gewürdigt, kann es schnell zu Missverständnissen und Konflikten kommen. Eine erfolgreiche Verhandlungsführung erfordert daher ein hohes Maß an Empathie und Feingefühl. Die Anerkennung der emotionalen Bindung und der geleisteten Arbeit des Inhabers ist entscheidend, damit die Verhandlung erfolgreich sein kann.
Wie kann ein Käufer mit den Emotionen des Verkäufers professionell umgehen?
Zunächst ist es wichtig, die eigenen Emotionen zu regulieren, um nicht in eine Konfliktspirale zu geraten. Methoden wie Labelling – also das gezielte Benennen und Anerkennen der Gefühle der anderen Partei – können gleichzeitig helfen, emotionale Spannungen abzubauen und ein konstruktives Gesprächsklima herzustellen.
Gibt es Strategien, um sich als Käufer optimal auf die Verhandlung vorzubereiten?
Nachfolgeverhandlungen unterscheiden sich hier im Wesen nicht von anderen Verhandlungen. Es gilt nicht nur das Verhandlungsobjekt zu analysieren, sondern sich auch mit der anderen Verhandlungspartei intensiv zu beschäftigen. Das eigene Netzwerk kann hierbei sehr wertvoll sein, indem man sich Erfahrungen und Einschätzungen über die Person und ihr Verhalten einholt.
Wie geht man mit unrealistischen Preisvorstellungen des Verkäufers um?
Zunächst ist es entscheidend, zu verstehen, wie die andere Partei zu ihrer Bewertung gelangt. Ihre Erklärungen liefern oft wertvolle Hinweise darauf, wie die Wahrnehmung mit fundierten Argumenten beeinflusst werden kann. Gleichzeitig kann dies neue, bislang unbekannte Informationen aufdecken, die für den weiteren Verhandlungsverlauf relevant sind.
Gibt es psychologische Tricks, um einen fairen Kaufpreis auszuhandeln?
Zwar existieren verschiedene psychologische Methoden, um den Kaufpreis zu beeinflussen, aber statt auf Manipulationen sollte der Fokus auf der Legitimität liegen. Eine fundierte, nachvollziehbare Argumentation, gestützt durch objektive Kriterien, schafft Vertrauen und erleichtert die Einigung auf einen fairen Kaufpreis.
Interview: Annika Körlin
Veröffentlicht: 20. Mai 2025
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Annika Körlin