SH: Auslandshandelskammern

Schleswig-Holstein trifft Skandinavien

Die maritime Wirtschaft gehört zu Schleswig-Holstein wie Strand, Sportboote und Fischgerichte. Das hat der echte Norden gemeinsam mit seinen skandinavischen Nachbarn Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland. Auch bei Entwicklungen im Schiffbau und der Meerestechnik oder den Bemühungen um den Schutz der Meere gibt es bereits Kooperationen. Die Fragen stellen sich trotzdem: Kennen wir einander gut (genug), arbeiten wir bereits gemeinsam an zentralen Fragestellungen und wo können neue Innovationen entstehen?
Viele dieser Themen können heute auch in digitalen Formaten diskutiert und bearbeitet werden, trotzdem sind persönliche Kontakte unersetzlich. Im März 2025 ging es daher für zwei Referenten der IHK zu Kiel - aus den Bereichen maritime Wirtschaft und Innovationsförderung - in die vier skandinavischen Länder: um Kontakte zu knüpfen, über gemeinsame Herausforderungen und Fragestellungen zu diskutieren und mögliche Anknüpfungspunkte für Unternehmen und Institutionen in den Ländern zu finden.
Von "Hei Suomi", ging es zu "Hej Sverige", zu "Hei Norge" bis nach "Hej Danmark". Unterstützung bei der Organisation vor Ort gab es immer von den Kolleginnen und Kollegen der AHKs - der Auslandshandelskammern. Die AHKs gibt es in 93 Ländern weltweit an 150 Standorten. Sie unterstützen beim Einstieg und der Expansion in neue Märkte und helfen bei rechtlichen und Kulturellen Fragen in den Ländern. Wer schon immer etwas darüber wissen wollte, findet auf www.ahk.de/de viele Antworten.
Finnland mag von der Einwohnerzahl ein kleines Land sein, ist aber in jedem Fall Hochtechnologie-Land. Im Gespräch mit der Helsinki-Shipyard gab es daher interessante Einblicke. Die Werft ist vor allem für ihre Expertise im Bereich Eisbrecher und Kreuzfahrt bekannt. Die Hälfte der Eisbrecher-Flotte weltweit wurde in Helsinki gebaut. Um auch zukünftig innovativ zu arbeiten, gibt es eine intensive Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden der Aalto Universität. Auch mit Werften in Schleswig-Holstein gibt es bereits Gespräche. Die Entwicklungen in den letzten Jahren zeigen, dass der Schiffbau, vor allem der Spezialschiffbau, in Nordeuropa eine Zukunft hat, die durch Kooperationen auch auf gesichert wird. Dieses und andere maritime Themen werden auch im VTT Technical Research Centre of Finland bearbeitet. Vor allem die Größe des Forschungszentrums, die Vielfalt der Themen und die zukunftsweisenden Lösungsansätze sind beeindruckend und geben einen Einblick in die Zukunft der maritimen Industrie.
Die Ostsee spielt eine zentrale Rolle für die Schifffahrt, den Tourismus, die Fischerei und viele andere Nutzungen, zugleich befindet sie sich jedoch in ökologischer Schieflage. Die John Nurminen Foundation ist eine finnische Organisation, die sich um die ökologischen Herausforderungen kümmert. Munition im Meer gehört nicht dazu, das ist kein Thema der finnischen Gewässer. Ein Bericht zu den Pilotbergungen in Schleswig-Holstein, den aufkommenden Problemen der Munition und der Gründung von MUNIMAR trafen auf großes Interesse. Denn: Ostseeschutz schaffen die Anrainerstaaten nur gemeinsam.
Schweden glänzt wie Finnland im Bereich Digitalisierung und Integration. Es wird oftmals schnell gehandelt und nicht lange geschnackt. Im Port of Stockholm ist das beim Thema CO2 hautnah zu erleben. Norvik Port wurde zum einen für den Containerumschlag gebaut und zum anderen für die zukünftige Aufgabe, gebundenes CO2 umzuschlagen, welches dann z. B. in Norwegen im Boden gespeichert wird. Die ganze Region arbeitet gemeinsam an der Umsetzung dieses Themas und zeigt, dass auch der Neubau eines Hafens möglich ist.
In Schleswig-Holstein ist das CAPTN-Projekt ein Leuchtturm für eine autonome Fähre. In Stockholm hat ein Besuch bei Candela gezeigt, dass Foiling-Fähren mit elektrischem Antrieb auch eine Zukunft auf dem Wasser sein können. Mit 25 Knoten über das Wasser zu fahren (oder zu schweben?) kann trotz Wellengangs ganz entspannt sein. Ein Reallabor wie Stockholm verhilft solchen Projekten zu einer schnelleren Umsetzung. Die Rahmenbedingungen werden aktuell in Deutschland angepasst und ermöglichen demnächst ähnliche Projekte.
Ein Grund für zügiges Handeln liegt auch in der schwedischen Innovationsbehörde Vinnova. Eine Behörde, ja, aber so viel agiler und zielgerichteter in der Bearbeitung der Themen als wir dies von Deutschland kennen. Neben verschiedenen Innovationsprogrammen für schwedische Unternehmen gibt es auch Programme, die für eine Kooperation mit schleswig-holsteinischen Unternehmen von Interesse sein können.
Seit dem Winter 2022/2023 liegt in Brunsbüttel eine FSRU (Floating Storage and Regasification Unit), um LNG in das Erdgasnetz einzuspeisen. In Norwegen gab es Gespräche mit dem Unternehmen Höegh, dem diese FSRU gehört, und das weltweit auch Autoliner im Einsatz hat. Höegh transportiert mit 40 Schiffen neugebaute Autos, Baumaschinen, Lkw, Busse, Maschinen- und Zugteile über die Weltmeere. Bisher wurden die Schiffe mit traditionellen Schiffskraftstoffen angetrieben. Die neue Schiffsgeneration ist mit Multi-Fuel Motoren ausgestattet, die aktuell mit LNG und ab 2027 mit Ammoniak fahren werden. Auch Yara International kennt man aus Brunsbüttel. In Norwegen gibt es zwei innovative Schiffsprojekte: die Yara Birkeland und die Yara Eyde. Die Yara Birkeland fährt seit 2022 vollelektrisch als Feederschiff. Geplant ist ein autonomer Betrieb, der aber aufgrund von Herausforderungen bei der Zertifizierung noch nicht umgesetzt ist. Die Yara Eyde ist aktuell im Bau und soll ab Ende nächsten Jahres auf Fahrt gehen. Der Transport von Düngemitteln, beispielsweise nach Norddeutschland, soll dann mit einem Ammoniak-Antrieb erfolgen.
Das Thema CCS (Carbon Capture & Storage) ist in Norwegen und Dänemark schon weit fortgeschritten. Heidelberg Materials Northern Europe hat bereits große Kapazitäten in Brevik. 50% des CO2 können aktuell durch die eigene Abwärme aus dem System gezogen und dann im Meeresgrund gespeichert werden. In Dänemark gab es ebenfalls Gespräche zu CCS, unter anderem mit Dansk Offshore. Das Unternehmen, welches auch in Esbjerg tätig ist, setzt sich intensiv mit den Themen maritime Sicherheit und dem komplexen Weg der Transformation von traditionellen zu erneuerbaren Energien auseinander. Auch Ramboll ist im Bereich Offshore-Wind intensiv involviert. Die Herausforderungen an Land und auf See sind groß, in allen Ländern, aber eine Zusammenarbeit kann Lösungen aufzeigen.
Wie eine solche Zusammenarbeit aussehen kann, zeigt Danske Maritime. Schon heute gibt es eine intensive Kooperation beispielsweise mit dem Maritimen Cluster Norddeutschland oder der Kieler Wirtschaftsförderung. Ob Schiffbauindustrie für Marine und Offshore, Recycling von Schiffen oder die maritime Sicherheit, die Themenvielfalt ist groß. Die Reise hat bestätigt: die Herausforderungen sind ähnlich, die Herangehensweisen unterschiedlich und die Lösungen vielfältig. Durch Kooperation kann man gemeinsam daran arbeiten und am Ende gemeinsam #meermachen.
Autorin: Dr. Sabine Schulz
Veröffentlicht: Juni 2025