Zwischen Bohne und Berufung

Der Kaffeemacher aus Itzehoe zeigt, dass man mit Haltung, Handwerk und Herz ein Unternehmen durch jede Krise führen kann. Wer den kleinen Laden in der Breiten Straße betritt, merkt schnell: Hier geht es um mehr als Kaffee. Die Atmosphäre ist warm, die Waren auf den Regalen handverlesen, der Duft von frisch gerösteten Bohnen erfüllt den Raum. Willkommen bei „Der Kaffeemacher“ – einem Unternehmen, das nicht nur Getränke verkauft, sondern Überzeugung.
Karsten und Elli Herrmann, das Ehepaar hinter dem Konzept, verbindet nicht nur eine gemeinsame Leidenschaft für Kaffee – sondern auch eine Geschichte voller Wendepunkte und Mut. Beide waren früher im Außendienst tätig: er in der IT-Branche, sie in der Kosmetik. Gemeinsam haben sie „in ihrem früheren Leben“, wie sie es nennen, viel schlechten Kaffee getrunken – meist an Tankstellen oder unterwegs zwischen Terminen. Die Sehnsucht nach Qualität war einer der Auslöser für das, was sie heute tun.
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2016 wagte Ehepaar Herrmann den Neustart, denn Karsten Herrmanns Tumordiagnose, zum Glück gutartig, wurde zum Wendepunkt. Er kündigte seinen Job, ließ sich in Hannover zum Kaffeesommelier ausbilden und eröffnete 2016 ein 14-Quadratmeter-Lädchen in der Innenstadt von Itzehoe – mit Filterkaffee von Hand gebrüht, wie einst bei seiner Tante. Elli Herrmann, zunächst skeptisch, wurde bald zur begleitenden treibenden Kraft – und zur guten Seele des Kaffeehauses. Heute ist sie vor allem dort aktiv, kümmert sich um Gäste, Atmosphäre und das gewisse Etwas, das den Laden so besonders macht.
Was als mutiges Herzensprojekt begann, entwickelte sich rasch: Heute betreibt Herrmann mit seiner Frau eine eigene Kaffeerösterei mit angeschlossenem Einzelhandel und Kaffeehaus, beliefert Unternehmen, führt Seminare durch und hat mit Produkten wie Espressokäse oder Wildsalami mit Kaffeeanteil überregionale Aufmerksamkeit gewonnen.

Kaffee als Kultur – nicht nur als Produkt

Im Zentrum steht dabei nicht nur das Getränk – sondern das, was es ermöglicht: eine Pause. Ein Moment. Ein Atemzug im Alltag. Herrmann beschreibt Kaffee als etwas zutiefst Emotionales. „Ein Kaffee schmeckt am Sonntagmorgen immer besser als Montag früh im Stress“, sagt er. Kaffee sei ein Gemütszustand – und das prägt auch die Philosophie des Hauses.
Statt To-go-Kultur setzt „Der Kaffeemacher“ auf Handwerk, Herkunft und Haltung. Die Röstung erfolgt traditionell, die Bohnen werden direkt bezogen, möglichst fair, möglichst nah. Bio-Zertifikate? Wurden bewusst abgegeben – nicht aus Nachlässigkeit, sondern aus Überzeugung. „Wir wissen, was drinsteckt. Wir brauchen kein Etikett, um gute Arbeit zu machen“, sagt der Kaffeeexperte.
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Wirtschaft mit Werten

Kundschaft und Community danken es. Viele bringen eigene Behälter zum Nachfüllen mit, kennen die Sorten beim Namen und schätzen die transparente Beratung. Karsten Herrmann versteht sich nicht als Verkäufer, sondern als Gastgeber. Ein gutes Produkt, sagt er, müsse nicht laut sein, sondern ehrlich: „Wir wollen ein kleines bisschen Urlaubsgefühl schaffen – mitten im Alltag.“

Krise als Katalysator

Als 2020 die Corona-Pandemie kam, stellte das junge Unternehmen auf einen Schlag alles in Frage. Lockdowns, Lieferprobleme, behördliche Auflagen – und sogar organisierte Störaktionen durch Maskenverweigerer. Doch statt zu resignieren, ging das Team neue Wege: Man setzte auf Kooperationen mit anderen Betrieben, den Online-Verkauf, kreative Produktentwicklungen und eine klare Haltung nach außen.
Die eigene Rösterei erwies sich als Lebenslinie. „Ohne sie hätten wir Insolvenz anmelden müssen“, sagt Herrmann offen. Heute blickt er mit Stolz auf diese Zeit – und auf das, was daraus entstanden ist.
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Ein Ort mit Seele – kein Systemgastronom

Trotz Wachstum und Anerkennung ist eines klar: Es wird keine zweite Filiale geben. „Wir hätten es machen können, aber wir wollen Tiefe statt Breite.“ Statt Expansion setzt das Unternehmen also auf persönliche Geschäftsbeziehungen, etwa mit Banken, Büros oder Unverpacktläden. Mit regelmäßig ausgebuchten Seminaren schafft Karsten Herrmann zusätzlich nicht nur Umsatz, sondern Begeisterung. „Wenn die Leute mit Gänsehaut rausgehen, wissen wir: Wir haben alles richtig gemacht“, sagt er.

Zukunft braucht Ehrlichkeit – und Menschen

Auch „Der Kaffeemacher“ spürt den Fachkräftemangel. Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt, qualifiziertes Personal ist schwer zu finden. Dennoch bleibt die Haltung klar: Mitarbeitende und Gesundheit sind das Fundament. Alles andere lässt sich aufbauen.
Die sechsjährige Tochter des Ehepaars hilft heute schon beim Abfüllen der Bohnen. Ob sie das Geschäft später übernimmt, ist offen – aber möglich. Bis dahin bleibt „Der Kaffeemacher“ das, was er heute schon ist: ein Ort, an dem Unternehmertum, Produktqualität und Menschlichkeit zusammenspielen. Und wo eine Tasse Kaffee nicht einfach nur ein Getränk ist – sondern ein Statement.
Autorin: Julia Romanowski
Veröffentlicht: April 2025