23.03.2023

Zukunft des Wirtschaftsstandortes steht auf dem Spiel

Intensive Diskussion des IHK-Gremiums mit BDI-Präsidenten

Schnelligkeit und Zuverlässigkeit bei Beschlüssen in Ministerien und anderen Verwaltungseinheiten entscheiden darüber, welche Volkswirtschaft künftig die Nase vorne hat, macht Prof. Dr.-Ing. Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) bei einem regen Gedankenaustausch mit Unternehmerinnen und Unternehmern des IHK-Gremiums Lichtenfels auf Kloster Banz deutlich. Dem Standort Deutschland stellt er dabei kein gutes Zeugnis aus.

Wilhelm Wasikowski, Vorsitzender des IHK-Gremiums Lichtenfels und IHK-Vizepräsident freut sich, dass es gelungen ist, den BDI-Präsidenten zu einem Gedankenaustausch ins Gremium zu holen und begrüßt neben Russwurm auch den Präsidenten der IHK für Oberfranken Bayreuth, Dr. Michael Waasner. Der betont in seiner Begrüßung die große Bedeutung der IHK-Gremien vor Ort: "Die IHK lebt von ihren Wurzeln; die IHK-Gremien sind die Wurzeln."

Die fünf großen Fehler der Bundesregierung

"Fünf großen Fehlern sitzt die Bundesregierung auf", so Russwurm. Der erste Fehler: Im Interesse des Standortes Deutschland gehe es um Schnelligkeit bei Entscheidungsfindungen. Eine hundertprozentige Sicherheit über die Richtigkeit eines Beschlusses werde es im Vorfeld nie geben. Egal, mit wie vielen Erhebungen man sich im Vorfeld einer Entscheidung absichere. "Und Entscheidungen werden in den Berliner Ministerien viel zu langsam gefällt", kritisiert Russwurm. "Keine Abfrage der Welt wird klären können, wie Deutschland etwa mit China umgehen soll", so Russwurm. "Es ist Aufgabe des Staates, wenn aus politischen Gründen rote Linien gezogen werden sollen."

"Unsere Unternehmen bekennen sich zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung. Aber Grundsatzdiskussionen darüber - und das ist der zweite Fehler - an welche Länder aus welchen Gründen keine Produkte verkauft werden dürfen, sind kontraproduktiv", so Russwurm. "Am Schluss bleibt nur Liechtenstein übrig und das ist genau genommen auch keine lupenreine Demokratie."

Fehlender Konsens über die soziale Marktwirtschaft macht Kopfschmerzen

Sorge mache Russwurm vor allem, dass der gesellschaftliche Konsens über die soziale Marktwirtschaft immer mehr verloren gehe. "Sozial" sehen die Menschen positiv, "Marktwirtschaft" inzwischen viele nicht mehr. Russwurm: "Es ist erschreckend, dass wir über solche Selbstverständlichkeiten überhaupt diskutieren müssen."

Der vierte Fehler ist die Einschätzung, dass der Staat der bessere Unternehmer sei. Das er das nicht ist, habe er oft genug bewiesen. Auch halte Russwurm nichts von der Pauschalaussage, dass alles, was klein ist, automatisch auch gut sei. Russwurm: "Es gibt Bereiche, da ist Größe einfach entscheidend."

Russwurm spricht sich ganz klar für Technologieoffenheit aus. Es sei ein Irrglaube, man könne seitens der Politik heute die Richtlinien im Technologiesektor festlegen, die in zwanzig Jahren noch gelten sollen. Man müsse hier nur 20 Jahre zurückblicken, was sich seitdem auf Technologieseite alles geändert habe, um zu erkennen, dass dieser Ansatz eine Sackgasse ist.

Private Investitionen müssen sich lohnen

Ein Punkt liegt Russwurm besonders am Herzen: "Private Investitionen müssen sich lohnen. Wenn ein Unternehmer befürchten muss, dass sich Vorgaben alle fünf Jahre ändern und jedes Mal neue Genehmigungen erforderlich sind, wird nicht mehr investiert."

Dass Russwurm den Nerv der Anwesenden getroffen hat, zeigt sich in der anschließenden Diskussion. Im Mittelpunkt der Beiträge standen die fehlende Beständigkeit bei Gesetzen, Vorgaben und Richtlinien sowie die überbordende Bürokratie, etwa beim neuen Lieferkettengesetz, bei Existenzgründungen oder im Bereich der erneuerbaren Energien. Christian Lieb von der acomm gmbh fasste den Frust vieler Unternehmerinnen und Unternehmer so zusammen: "Lasst uns den Wahnsinn deutlicher aussprechen und mit der Politik in den konstruktiven Dialog gehen!"