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Politik trifft Wirtschaft: Bürokratie und mehr Netto vom Brutto
Forchheim. Mit Maß und Ziel das große Ganze im Blick zu behalten: das wünscht sich die Wirtschaft von einer künftigen Bundesregierung. Bei der wirtschaftspolitischen Podiumsdiskussion des IHK-Gremiums und der Wirtschaftsjunioren Forchheim mit den Kandidaten des Wahlkreises Bamberg-Forchheim in Heroldsbach standen viele bekannte Forderungen im Fokus: Niedrigere Energiepreise, mehr Praktiker in die Politik, mehr Dienstleistungsmentalität in der Verwaltung, die Chancen künstlicher Intelligenz, weniger Bürokratie und etwas gegen den Fachkräftemangel zu unternehmen. Das Besondere: Es waren Vertreter von acht Parteien am Start.
In seiner Begrüßung verwies IHK-Präsident Dr. Michael Waasner darauf, dass sich die Wirtschaft bereits im dritten Rezessionsjahr befindet, das Bruttoinlandsprodukt bereits seit gut fünf Jahren stagniert und die Ausrüstungsinvestitionen geradezu abstürzen. Dr. Waasner: "Die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standortes schwindet schnell, neue Wettbewerber etwa aus China haben leichtes Spiel. Das Motto der Stunde lautet für viele große Unternehmen: 'Bloß raus aus Deutschland!' Die kleinen Unternehmen finden keine Nachfolge mehr" Die Wirtschaft wurde außerdem mit extrem umfangreichen Regelungen geradezu überschüttet. "Und viele weitere bürokratische Regulierungen sind etwa von Seiten der EU in Vorbereitung", warnt Dr. Waasner. "Auch stellt sich die Frage, ob wir insgesamt nicht längst über unsere Verhältnisse leben. So entfallen auf die EU 6% der Weltbevölkerung, aber über 60% der Sozialausgaben weltweit."
"Die Wirtschaftswende muss jetzt kommen", forderte Mirko Pohl, Kreissprecher der Wirtschaftsjunioren Forchheim. In Zeiten großer Herausforderungen, Fragen und Entscheidungen benötige die Wirtschaft keine wohlklingenden Absichtserklärungen oder Worthülsen. „Wir stehen vor einer tiefgreifenden Transformationen“, warnte Mirko Pohl. "Jetzt sind mutige Entscheidungen, klare Konzepte und ein beherzter politischer Wille gefragt, um auch weiterhin vernünftig wirtschaften und leben zu können."
In drei Fragerunden stellten sich die Kandidaten den Fragen von Moderator Mischa Salzmann zur Energiepolitik, zum Bürokratieabbau und zur Fachkräftesicherung. Abschließend gab es für die knapp 200 Teilnehmer noch die Möglichkeit, eigene Fragen zu stellen.
BSW: Billige Energie aus Russland als bessere Alternative
Für einen Politikwechsel sprach sich Harald Reinhard vom "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) aus. Seine Forderungen zielten unter anderem auf eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, auf "vernünftige Rahmenbedingungen", auf eine "bessere Klimapolitik" und eine Beschleunigung zum Beispiel von Bebauungsplanverfahren. Die Energiepreise seien zu teuer, damit könnten viele Mittelständler nicht überleben. Harald Reinhard hielt auch das Festhalten am Ziel der Klimaneutralität für 2045 für verzichtbar. In der aktuellen Situation sei für ihn billige Energie aus Russland klar die bessere Alternative.
AfD: EU ist überbordender Haufen, der uns mit Regeln überlagert
Hart ins Gericht mit der Europäischen Union ging Michael Weiß von der AfD: Er sprach von einem "überbordenden Haufen, der uns mit Regeln überlagert". Eine seiner Forderungen zielte auf bezahlbare Energie ohne die derzeitigen "wahnsinnigen Steuern" ab. Unternehmen benötigten Investitionssicherheit, denn sie planten nicht nach Legislaturperioden. Auch der "Bürokratiewahnsinn“ war für den Kaufmann aus Bamberg ein Reizthema. Alle Unternehmer würden vom Staat erst einmal als Kriminelle eingestuft, sagte er. Deshalb mache sich auch kaum mehr jemand selbstständig. Er könne diesen Wahnsinn schon lange nicht mehr nachvollziehen.
Die Linke: Wollen Vermögen belasten, nicht Unternehmen
"Wir wollen Vermögen belasten, nicht Unternehmen", das ist das Rezept der Linken. Jan Jaegers befürwortete ein Ende der Schuldenbremse und will dafür die Automobilindustrie bei ihrem Transformationsprozess unterstützen. Er sprach sich für einen Ausbau erneuerbarer Energien und gegen eine Rückkehr zur Atomkraft aus. Beim Thema "Bürokratieabbau" warnte der Kandidat davor, dass der Abbau nicht zu Lasten von Standards gehen dürfe. Vehement wandte sich der Jugendpfleger aus Bamberg gegen das "Märchen vom faulen Arbeitslosen". Die allermeisten Menschen wollten arbeiten und seien aktiv auf der Suche.
Die Rahmenbedingungen für alle zu verbessern, das hat sich Thomas Silberhorn (CSU) auf die Fahnen geschrieben. Ihm ging es im Wesentlichen um drei Punkte: dem Setzen von Investitionsanreizen, der Senkung von Energiekosten und in Sachen Vorschriften schlanker zu werden. "Regeln werden immer von Beamten geschaffen: umso mehr Beamte, umso mehr Regeln", sagte Thomas Silberhorn und gab zu bedenken, dass es dabei um jede Menge Arbeitsplätze ohne konkreten Nutzen für Unternehmen und Bürger gehe. Erneuerbare Energien ja, so der Abgeordnete, trotzdem sollte man die Atomkraft nicht aus dem Blick verlieren und sich die zuletzt stillgelegten Reaktoren noch einmal ansehen. Als "Katastrophe für die Volkswirtschaft" bezeichnete Silberhorn schließlich das Bürgergeld. Stattdessen sollte man dafür sorgen, dass sich Leistung wieder lohne.
Freie Wähler: Digitalisierung als "Game Changer"
Jens Herzog von den Freien Wählern setzte seinen Schwerpunkt unter anderem auf den Ausbau der Infrastruktur, vor allem der Stromnetze. Dazu benötige man Speichermöglichkeiten an neuralgischen Punkten. Auch wenn seine Partei für den Ausbau der Windkraft stehe, sei es ein Fehler gewesen, in der Energiekrise die Atomkraftwerke abzuschalten. Eine Rückkehr komme für ihn aber nicht in Frage: "Bis die wieder laufen, würden Jahre vergehen." Auch für den Bürokratieabbau hatte das Gemeinderatsmitglied von Effeltrich einen Vorschlag: Pro neuer Regel müssten zwei bisherige abgeschafft werden. Vor allem in der Digitalisierung sah Herzog den entscheidenden "Game Changer". Darüber hinaus lag ihm auch ein Reformieren des Bürgergeldes am Herzen. Der Abstand zwischen Mindestlohn und Bürgergeld sei einfach zu gering.
FDP: Für Moratorium – drei Jahre keine neuen Regelungen mehr
Für Entlastungen des Mittelstands: dafür stehe seine Partei, so Sebastian Körber von der FDP. Alle Steuern müssten runter, der Solidaritätsbeitrag sollte abgeschafft werden. "Wir brauchen mehr Netto vom Brutto." Was die Bürokratie betrifft, so habe er den Eindruck, dass die Verwaltung mittlerweile beginnt, sich selbst zu verwalten. Steuern auf Strom sollten auf das EU-Minimum zurückgeschraubt werden. Sebastian Körber sprach sich klar pro Atomkraft aus: "Bei Dunkelheit produzieren Solarmodule nichts und bei Windstille dreht sich kein Windrad." In Sachen Bürokratie ging Sebastian Körber sogar noch weiter als sein Vorredner. Er sprach sich für ein Moratorium aus, soll heißen, drei Jahre lang keine neuen Regeln mehr.
Die Grünen: Deutschland kann nur mit Europa stark sein
Nicht alles sei rückläufig, die Investitionen in den Klimaschutz seien während der Ampelregierung beispielsweise um zwölf Prozent gestiegen, rechnete Lisa Badum von den Grünen vor. "Wir können nur mit Europa stark sein", betonte sie und nannte es fatal, wenn die AfD aus der EU aussteigen möchte. Für Lisa Badum ist die AfD die Partei, "…die unseren Wohlstand gefährdet". Keine Option war für sie auch ein Zurück zur Atomkraft. Um die Versorgungssicherheit zu garantieren, sollten vielmehr die erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden. Beim Thema Bürokratieabbau forderte Lisa Badum einen Praxischeck: "Sie haben mich immer an ihrer Seite, wenn es darum geht, kleine Betriebe zu entlasten".
SPD: Lösungen statt Probleme finden
Andreas Schwartz von der SPD sprach sich ebenfalls für Investitionen in die Infrastruktur, für einen Abbau der Bürokratie sowie die Sicherung von Fachkräften aus. Die jetzige Regierung sei dabei auf einem guten Weg: "Wir sind auf diesem Gebiet durchaus erfolgreich, aber vieles wird zu schlecht dargestellt." Das gelte auch für die Energiepolitik, ein Weg, der konsequent weitergegangen werden müsse, und für einen neuen Dienstleistungsgedanken, bei dem wieder Lösungen statt Probleme gesucht werden. Immer mehr Beamte seien keine Lösung für vorhandene Probleme. Auch Andreas Schwarz sah den Schlüssel zum Bürokratieabbau in der Digitalisierung. Zur Fachkräftesicherung will Schwarz einen Deutschlandfonds anlegen.
IHK-Präsident: Große Unterschiede, aber auch viel Einigkeit
Dr. Waasner fasste abschließend die wichtigsten Ergebnisse noch mal zusammen: "Große Unterschiede sind klar geworden, aber auch viel Einigkeit." So brauche die Wirtschaft ein "Deutschlandtempo" für die notwendigen Veränderungen, niedrigere Strompreise, auch müsse man mehr in die Welt schauen, wie andere es machen. Deutschland brauche mehr Praktiker im Bundestag für eine praktische anstelle einer dogmatischen Politik und für mehr Dienstleistungsmentalität in der Verwaltung. "Die Politik muss Unternehmen und Bürgern wieder mehr zutrauen, anstatt auf immer mehr Bürokratie zu setzen", macht Dr. Waasner deutlich. "Wie auch die neue Regierung aussehen wird: Die IHK-Organisation ist an ihrer Seite und bringt sich ein für eine gute und zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik."
In Heroldsbach diskutierten die Bundestagskandidaten des Wahlkreises Bamberg-Forchheim (von links): Michael Weiß (AfD), Moderator Mischa Salzmann, Harald Reinhard (BSW), Jan Jaegers (Linke), Jens Herzog (Freie Wähler), Lisa Badum (Grüne), der Kreissprecher der Wirtschaftsjunioren Mirko Pohl, IHK-Präsident Dr. Michael Waasner, Andreas Schwarz (SPD), Thomas Silberhorn (CSU) und Sebastian Körber (FDP).