19.02.2025
Oberfränkische Unternehmen ertrinken in Bürokratie
IHK-Bürokratieforum: Weniger Bürokratie – Politik und Unternehmen sind sich einig
Zu einem intensiven Austausch kam es beim Bürokratieforum der IHK für Oberfranken Bayreuth auf Schloss Neudrossenfeld mit Teilnehmenden aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Es besteht absolute Einigkeit darüber, dass Bürokratie abgebaut werden müsse. Den Unternehmern geht es aber viel zu langsam.
In seinem Impulsvortrag geht IHK-Präsident Dr. Michael Waasner auf die Bemühungen in Sachen Bürokratieabbau auf EU-, Bundes- und Landesebene ein. Trotz vieler Maßnahmen ist die Zahl der Einzelnormen etwa auf Bundesebene von Januar 2014 bis Januar 2024 um 15 Prozent auf 52.155 angestiegen. "Eine geringere Belastung unserer Unternehmen durch weniger Bürokratie muss das erklärte Ziel sein. Alleine in Oberfranken entstehen Bürokratiekosten von rund 1,7 Milliarden Euro jährlich", macht Dr. Waasner klar. "Auf EU-Ebene erwarte ich mir eine Entlastung durch die 'Omnibus'-Verordnung." Diese soll für eine Verringerung bestimmter Berichtspflichten um mindestens 25 Prozent für Großunternehmen und von mindestens 35 Prozent für kleine und mittlere Unternehmen erreichen. Die IHK-Organisation macht sich für eine mittelstandsfreundliche Gestaltung der Verordnung stark.
"Es wurde noch nie so wenig investiert wie zuletzt, der Standort Deutschland verliert immer mehr an Wettbewerbsfähigkeit.", warnt Staatssekretär Martin Schöffel vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat. "Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen ist es deshalb unerlässlich, unnötige Bürokratie abzubauen und die Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen weiter zu optimieren. Wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen." Früher war eine "ordentliche Verwaltung" ein Standortvorteil. Durch die Überbürokratisierung habe sich das aber komplett gedreht. 145 Milliarden Euro gingen laut Schöffel wegen bürokratischer Auflagen jährlich in Deutschland verloren.
Entscheider sehr oft zu weit weg von der Realität vor Ort
Vor allem in der EU, aber nicht nur dort, seien die Entscheider oft zu weit weg von der Realität vor Ort. Schöffel: "Etwa die EU-Entwaldungsverordnung: Wahnsinn!" Schädlich für den Standort Deutschland sei es, wenn EU-Verordnungen in Deutschland zu 150 Prozent umgesetzt werden. "Die Bayerische Staatsregierung nimmt das Thema 'Entbürokratisierung' sehr ernst" versichert der Staatssekretär. So werde aktuell ein Katalog von rund 100 Maßnahmen mit den bayerischen IHKs und Verbänden geprüft. Ein Herzensanliegen ist ihm eine Anpassung der Richtlinien zur Beförderung von Beamten: "Es geht um programmatische Entscheidungen und die Übernahme von Verantwortung und nicht um eine Beförderung, wenn möglichst viele neue Verordnungen entwickelt werden."
"Mit Bürokratie werden wir die Welt nicht retten und auch nicht besser machen", so MdL Kristan von Waldenfels, Mitglied der Entbürokratisierungs-Kommission im Landtag und Bürgermeister der Stadt Lichtenberg (Lkr. Hof). Er appelliert für weniger Misstrauen seitens der Verwaltung. Er macht aber auch deutlich, dass der Staat von der Wirtschaft viel in Sachen "Prozessoptimierung" lernen könne."
Christoph Knill: Weniger Ineffizienz und bessere Regeln!
Professor Christoph Knill von der Ludwig-Maximilians-Universität München schlägt eine Lanze für Bürokratie, die für Rechtssicherheit steht und für Wohlstand gesorgt habe. Er macht aber auch deutlich, dass es längst zu viel Bürokratie gebe und vor allem zu viel Ineffizienz. "Wir brauchen bessere Regeln", mahnt Prof. Knill. Seine Untersuchungen zeigen, dass Regeln dort am besten funktionieren, wo Regelformulierer und -anwender identisch seien. Knill: "Betroffene müssen viel stärker eingebunden werden!" Auch müsse die Effizienz der Verwaltung erhöht werden, etwa durch den Einsatz standardisierter Verfahren. Eine Sisyphusarbeit – wenngleich unverzichtbar - sei außerdem die Prüfung, welche Reglungen überflüssig und welche widersprüchlich seien. Er lobt die Einführung des Normenkontrollrats 2006: "Er verwaltet die Probleme aber nur und kann nicht gestalten."
In der Podiumsdiskussion macht Dr. Waasner deutlich, dass der Mittelstand nicht für jede Verordnung Mitarbeitende einstellen könne. Dass sich viele Verfahren nicht rechtssicher umsetzen lassen, lässt von Waldenfels nicht gelten: "Die Wirtschaft zeigt, dass das sehr wohl geht." Sebastian Leicht, Geschäftsführer des vor zehn Jahren gegründeten und seitdem stark gewachsenen Lichtenfelser Start-ups Easy2cool wünscht sich eine bessere Unterstützung gerade für junge Unternehmen. Leicht: "Ich musste feststellen, dass Bürokratie sehr aufwändig ist." Zudem verstreiche für Genehmigungen oft zu viel Zeit. "Die betreffenden Projekte sind dann oft längst obsolet." Auch Schöffel moniert die oft viel zu lange Bearbeitungszeit, als Beispiel nennt er die Prüfung der Coronahilfen. "Wir müssen die Herausforderungen systemisch angehen", fordert Prof. Knill.
Kein "Beamtenbashing", sondern "Vorgabenbashing"!
"Ich fühle mich im heimischen Ökosystem wohl", macht Leicht deutlich, "Mittelständische Unternehmen wollen nicht ins Ausland verlagern." Für eine Entscheidung zugunsten des Standortes Oberfranken würde aber helfen, den Unternehmen weniger Steine in den Weg zu legen und Unternehmen besser durch bürokratische Prozesse zu führen, gerade Start-ups. Regierungspräsident Florian Luderschmidt nimmt die Beamten in Schutz: "Sie müssen alle im Rahmen der Gesetze agieren." Er macht sich stark dafür, Bürokratie so zu gestalten, dass entsprechende Vorgaben möglichst aufwandsarm umsetzbar seien. Auch er hadert mit überflüssigen Vorgaben. Als Beispiel nennt er die Diskussion um die mögliche Einführung von Wagner-Fußgängerampeln in Bayreuth. Moderator Michael Ertel, Wirtschaftsredakteur der Frankenpost, fasst zusammen, dass es bei der Kritik um "Vorgabenbashing" gehe, nicht um "Beamtenbashing."
Rund 350 Vorschläge zur Entbürokratisierung haben die bayerischen Landräte eingebracht. Der Kulmbacher Landrat Klaus Peter Söllner hat den Eindruck, dass diese vom Freistaat ernst genommen werden. Michael Möschel, Vorsitzender des IHK-Ausschusses Verkehr und Mobilität, wirft einen Blick zurück auf das Jahr 2020, als die Verwaltungen coronabedingt geschlossen waren. "Ich habe den Eindruck, dass viele immer noch geschlossen sind", so Möschel und nennt als Beispiel einige Führerscheinstellen. Auch er fordert mehr Schnelligkeit bei bürokratischen Prozessen. Als Beispiel nennt er die Abwicklung der Coronahilfen. Er fordert, dass ein Vorgang automatisch als genehmigt gilt, wenn bis zu einem bestimmten Zeitpunkt keine Entscheidung gefallen sei.
"Entbürokratisierung müssen alle wollen", so Jens Korn, Bürgermeister von Wallenfels (Lkr. Kronach). Er verweist darauf, dass von den letzten 50 Bauanträgen gerade einmal drei digital eingereicht wurden. Frank Lindner von der Töpfer Kulmbach GmbH verweist auf ein Logo, das am Firmengebäude angebracht wurde: "Warum muss ein Unternehmen einen Bauantrag dafür stellen und eine Behörde eine entsprechende Genehmigung erteilen?"
Beim Bürokratieforum der IHK für Oberfranken Bayreuth im Neudrossenfelder Schloss diskutieren Vertreterinnen und Vertreter aus Unternehmen, Politik und Verwaltung, wie die ausufernde Bürokratie zurückgedrängt werden könne. Unser Bild zeigt (v.l.) MdL Kristan von Waldenfels (Mitglied der Entbürokratisierungs-Kommission im Landtag und Bürgermeister), Dr. Michael Waasner (Präsident der IHK für Oberfranken Bayreuth), MdL Martin Schöffel (Staatssekretär), Professor Christoph Knill (Ludwig-Maximilians-Universität München), Sebastian Leicht (Geschäftsführer easy2cool GmbH und stellvertretender Vorsitzender des IHK-Gremiums Lichtenfels) und Moderator Michael Ertel (Frankenpost).