18.12.2024

Ohne Investitionen keine Innovationen

Wirtschaftspolitisches Kamingespräch: Wirtschaft sieht große Standortprobleme

Forchheim. Bei einem gemeinsamen Kamingespräch des IHK-Gremiums Forchheim und der Kreishandwerkerschaft Forchheim in den Räumen der Kreishandwerkerschaft wird mit den drei Bundestagsabgeordneten Katja Hessel, Dr. Silke Launert und Sascha Müller sowie Oberbürgermeister Uwe Kirschstein um die Frage gerungen, wie der Standort Deutschland - und damit auch der Wirtschaftsraum Forchheim - wieder vorangebracht werden kann.

Eine "mutige Agenda-Politik" hat IHK-Präsident Dr. Michael Waasner gefordert: "Die Wirtschaft in Deutschland stürzt gerade ab. Es ist ein echter Ruck notwendig." Mit der bisherigen Finanzstaatssekretärin MdB Katja Hessel (FDP) aus Nürnberg und der Bundestagsabgeordneten Dr. Silke Launert (CSU) aus Bayreuth pflichteten zwei Abgeordnete dem Präsidenten bei. "Ja, wir brauchen eine Agenda 2030", waren sich die beiden Politikerinnen einig. Der Bundestagsabgeordnete Sascha Müller von den Grünen sprach dagegen von Angst als schlechtem Ratgeber. Er sprach sich dafür aus, einen Diskurs über notwendige Veränderungen so zu führen, "…dass die Menschen merken, wir streiten über die beste Lösung".

Bloß raus aus Deutschland!
Der Kamin flackert im Saal der Forchheimer Kreishandwerkerschaft beim Kamingespräch nur digital an der Leinwand. Heiße Eisen wurden trotzdem aufgegriffen. Die Stimmung in der Wirtschaft sei miserabel, warnt Dr. Michael Waasner. Die momentane wirtschaftliche Entwicklung sieht nach den Worten des IHK-Präsidenten so aus, dass die Industrie Deutschland verlässt. Dr. Waasner: "und das sogar sehr schnell" Dies zeige auch die jüngste Konjunkturbefragung der IHK für Oberfranken Bayreuth. Die Lage sei sehr schlecht, die internationale Wettbewerbsfähigkeit schwinde, das Bruttoinlandsprodukt stagniere und Investitionen seien stark rückläufig, weil die Planungssicherheit fehle. "Bloß raus aus Deutschland, das sei die Devise vieler Unternehmer, verweist der IHK-Präsident auf etliche Gespräche mit anderen Unternehmerinnen und Unternehmern.

IHK-Präsident kritisiert starke Zunahme der Beschäftigten im öffentlichen Dienst
Der Beschäftigtenzuwachs in Deutschland zwischen 2018 und 2024 sei in erster Linie auf die Zunahme der Zahl der Erwerbstätigen in den Bereichen öffentliche Dienstleistungen, Erziehung und Gesundheit zurückzuführen, so Dr. Waasner. Dort habe die Erwerbstätigenzahl in diesem Zeitraum (jeweils 3. Quartal) um ca. 1,1 Millionen bzw. 10% zugenommen. In der gesamten Privatwirtschaft dagegen nur um rund 7.000, während die Zahl der Erwerbstätigen im Verarbeitenden Gewerbe um gut 340.000 abgenommen habe. Praktisch der gesamte Zuwachs bei den Erwerbstätigen seit 2018 wurde außerhalb der Privatwirtschaft generiert. MdB Hessel pflichtet Waasner teilweise bei: "Wir brauchen weniger Beamte, die einen verwalten, denn Bürokratie haben wir ja schon genug", sagte sie. Im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung werde man allerdings eher noch mehr Stellen brauchen.

"Die öffentliche Verwaltung wird über kurz oder lang effizienter werden müssen", mahnt MdB Müller an. Durch mehr Digitalisierung und den Einsatz künstlicher Intelligenz werde das auch zu erreichen sein. Was Deutschland nach Auffassung des Grünen-Politikers aber auch braucht, ist mehr Zuwanderung von Arbeitskräften und entsprechende Integrationsleistungen. MdB Launert sah den Schlüssel zur Bewältigung der Fachkräftelücke dagegen "…in der Bereitschaft zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten hin zu Wochenarbeitszeiten." Das sei genauso wichtig wie die Kinderbetreuung.

Investitionsrückgang in Deutschland: Gründe und Auswirkungen
Zum Rückgang der Investitionen in Deutschland um 13 Prozent zwischen 2019 und 2024 mahnt IHK-Präsident Dr. Waasner, dass es ohne Investitionen auch keine Innovationen gebe. Ohne Innovationen aber werde man nicht in der Lage sein, das Volkseinkommen langfristig zu sichern. MdB Müller erinnerte an die Innovationsprämie. Damit würden Zukunftsinvestitionen von Unternehmen mit zehn Prozent gefördert.

"Wir müssen mehr auf die Gründe blicken, warum nicht investiert wird", mahnt MdB Hessel. "Wir haben ein Standortproblem, hohe Bürokratiekosten, ein komplexes und schwieriges Steuerrecht mit hohen Steuern." Da nütze die Investitionsprämie wenig. "Das Gießkannenprinzip einer Investitionsprämie kann sich Deutschland bei diesem Haushalt nicht leisten; so Hessel weiter. Keiner werde investieren, wenn es sich nicht rechnet, ergänzt die Abgeordnete Launert: "Nur eine gezielte Investitionspolitik kann unser Land wieder voranbringen sowie Vertrauen und Planungssicherheit schaffen."

Kritik von OB Kirschstein: Kommunen mit immer mehr Aufgaben belastet
Als weiterer wichtiger Partner der Wirtschaft präsentiert der Forchheimer Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD) die Kommunen. "Kommunen funktionieren nicht ohne Unternehmen und Unternehmen funktionieren nicht ohne Kommunen." Er erinnert daran, dass die Kommune die Infrastrukturaufgaben für das Gemeinwohl erledige. Der Oberbürgermeister übt Kritik am Bund, der die Kommunen mit immer mehr Aufgaben belaste.

Kritik, dass die Stadt Forchheim zu viel Personal habe, ließ der Oberbürgermeister nicht gelten: "Wir haben das Personal, das wir brauchen. Im Vergleich mit anderen großen Kreisstädten in Bayern liege Forchheim mit den Personalkosten im Durchschnitt", so Kirschstein. Damit bestünde noch Spielraum nach oben oder unten, so Kreishandwerksmeister Christian Jaklin.


Bildtext:
Sie trafen sich in Forchheim zum wirtschaftspolitischen Kamingespräch (von links): IHK-Präsident Dr. Michael Waasner, HWK-Präsident Matthias Grassmann, die Bundestagsabgeordneten Katja Hessel, Sascha Müller und Dr. Silke Launert, Kreishandwerksmeister Christian Jaklin, Oberbürgermeister Uwe Kirschstein, HWK-Hauptgeschäftsführer Reinhard Bauer und der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Tobias Hoffmann.