April 2023 | Aus- und Weiterbildung

Unternehmen und die Suche nach Azubis

Die IHK-Azubikampagne

Fachkräftemangel, demografischer Wandel, unbesetzte Ausbildungsplätze – nur trübe Aussichten? Ganz im Gegenteil! Die IHKs sehen darin auch die große Chance, den jungen Menschen in Deutschland zu zeigen, dass Ausbildung und Azubis nie wertvoller waren als heute.
Die erste bundesweite Ausbildungskampagne der IHKs unter dem Motto Jetzt #könnenlernen ist eine Einladung an alle Schülerinnen und Schüler, Studienabbrecherinnen und Studienabbrecher sowie Umsteigerinnen und Umsteiger, das Lebensgefühl Ausbildung zu entdecken und mehr über die Chancen zu erfahren, die in einer Ausbildung stecken – natürlich von IHK-Azubis selbst. So begegnet die Kampagne den Jugendlichen mit einer positiven Botschaft auf Augenhöhe: Ausbildung macht mehr aus uns.  

Die Anstrengungen der Unternehmen

Der Fachkräftemangel wird zu einem immer drängenderen Problem. Einem, das Unternehmen wohl auch noch in mehreren Jahren zu schaffen machen wird. Denn die Ausbildung der dringend benötigten Fachkräfte gestaltet sich zunehmend als Herausforderung – weil es immer schwieriger wird, überhaupt Auszubildende zu finden. Schon jetzt müssen viele Betriebe Lehrstellen unbesetzt lassen. Und diejenigen, die ihre Jahrgänge noch füllen können, müssen dafür immer mehr Anstrengungen unternehmen. 
So auch das Autohaus Stern Auto, das in seinen Filialen in MV insgesamt 46 Azubis im kaufmännischen und technischen Bereich ausbildet (Stand 1. März 2023), davon zwölf in Rostock. Die Stellen sind aktuell zwar alle besetzt, doch der Auswahlprozess sei eine Herausforderung gewesen, sagt Christina Ide, die bei Stern Auto für die Berufsausbildung verantwortlich ist. 
Vor allem während der Lockdown-Phase der Coronapandemie sei es schwierig gewesen für potenzielle Bewerber, sich über ihre Traumberufe zu informieren. Dass der Berufsorientierungsunterricht an den Schulen oft ausfiel, ist für Christina Ide ebenfalls ein großes Manko.  
Wir registrieren, dass die Bewerberinnen und Bewerber immer weniger vorbereitet die Ausbildung beziehungsweise den neuen Lebensabschnitt nach der Schule beginnen.

Jens Schumann, DB Schenker

Die Auswirkungen bemerkte das Autohaus sofort. „Wir konnten keine Öffentlichkeitsarbeit, im Sinne von
Messeteilnahmen, persönlichen Gesprächen oder Schulbesuchen, durchführen. Bewerber haben sich vermehrt oft erst mit dem Halbjahreszeugnis beworben“, berichtet Christina Ide. 
Jens Schumann, Ausbildungsverantwortlicher beim Güstrower Sitz des Logistikunternehmens DB Schenker, hat Ähnliches zu erzählen. Insgesamt 36 Azubis werden ausgebildet, bislang konnten alle offenen Stellen vergeben werden, aber es sei jedes Jahr schwierig, die Stellen quantitativ und vor allem qualitativ hochwertig zu besetzen. „Wir registrieren, dass die Bewerberinnen und Bewerber immer weniger vorbereitet die Ausbildung beziehungsweise den neuen Lebensabschnitt nach der Schule beginnen“, sagt Schumann. 

Azubis werben verstärkt für ihre Betriebe

Bei beiden Unternehmen ist klar: Soll es so weitergehen, müssen die Verantwortlichen viel Zeit für die Öffentlichkeitsarbeit aufwenden. Stern Auto nimmt beispielsweise regelmäßig am Tag der Ausbildung der IHK teil. Zudem hätten sich mehrere Azubis für die Teilnahme am Projekt Ausbildungsbotschafter begeistern können, erzählt Christina Ide. 
Die Zusammenarbeit mit den bereits vorhandenen Azubis ist für das Autohaus auch darüber hinaus der Schlüssel, mehr Jugendliche für die Ausbildung zu gewinnen. Christina Ide: „Zusammen mit unseren Auszubildenden haben wir uns überlegt, wie wir das Thema Berufsorientierung interessanter gestalten können. An verschiedenen Stationen erarbeiten und erleben Schülerinnen und Schüler das Unternehmen als Arbeitgeber, die Produktpalette, aber auch den Auswahlprozess, in dem sie beispielsweise eine Musterbewerbung einstellen.“ Außerdem berichten die Azubis auch auf der Webseite des Unternehmens über ihre Erfahrungen, sagt die Ausbildungsverantwortliche. 
Die Zusammenarbeit der Betriebe, Schulen und Bildungsträger muss intensiviert werden. Derzeit ist die Kontaktaufnahme sehr individuell und aufwendig. Ein Bindeglied, dass die Kommunikation zwischen den einzelnen Partnern vereinfacht, wäre wünschenswert.

Christina Ide, Stern Auto

Auch bei DB Schenker setzt man verstärkt darauf, dass der Nachwuchs neuen Nachwuchs „abholt“. „Durch ein positives Feedback der Auszubildenden über Mundpropaganda oder die sozialen Medien bekommen wir relativ viele Bewerbungen“, sagt Jens Schumann. Außerdem ist das Unternehmen ebenfalls beim Projekt Ausbildungsbotschafter dabei, präsentiert sich an Schulen und auf Messen und arbeitet eng mit der IHK, den Arbeitsagenturen und Bildungsträgern zusammen. 

Forderungen an die Politik

Beide Unternehmen sagen: Nur durch diese Maßnahmen, durch den persönlichen Kontakt bekommen wir noch genügend Bewerbungen. Während sie den Aufwand nicht scheuen, sehen sie doch auch Forderungen an die Politik. Christina Ide: „Die Zusammenarbeit der Betriebe, Schulen und Bildungsträger muss intensiviert werden. Derzeit ist die Kontaktaufnahme sehr individuell und aufwendig. Ein Bindeglied, dass die Kommunikation zwischen den einzelnen Partnern vereinfacht, wäre wünschenswert.“ 
Für Jens Schumann muss die Berufsorientierung optimiert werden. Er sagt: „Unsere wichtigste Forderung an die Politik in diesem Zusammenhang ist daher, unbedingt stärkeren Einfluss auf Bildungsorgane und Schulen auszuüben um eine optimale Berufsvorbereitung an allen Schulen und Gymnasien sicherzustellen.“

Christina Milbrandt