März 2025 | Frauennetzwerk Yoldia

Persönliche Heilung durch eigenes Unternehmen

Wer gutes Bier abseits der altbekannten Sorten trinken möchte, ist bei Sylvia Gidom und ihrem Mann Henry gut beraten. Die beiden haben sich 2015 mit ihrer Brauerei Hoppen un Molt selbstständig gemacht. Im Technologiezentrum in Warnemünde braut Henry das Bier, während Sylvia die Gestaltung und den Verkauf im dazugehörigen Geschäft im Ortskern des Ostseebades managt sowie den Vertrieb regelt. „Dass das Konzept, das ich mir überlegt habe, so gutes Feedback bekommt, freut mich sehr. Damit kam für mich die Erkenntnis, dass ich etwas richtig gut kann und das hat mich unheimlich gestärkt”, sagt Sylvia Gidom.

Viele Geschmäcker aus immer gleichen Zutaten

Hätte man der 42-Jährigen vor 15 Jahren gesagt, dass sich ihr Leben einmal um Bier drehen wird – sie hätte mit Sicherheit den Kopf geschüttelt. Denn eigentlich hat sie das Hopfengetränk nie gemocht, erzählt sie. Erst durch die Reisen, die sie gemeinsam mit ihrem Mann unternommen hat, hat sich das nach und nach geändert. In Neuseeland und den USA werde zum Beispiel sehr viel Aromahopfen angebaut. Das Bier schmecke dadurch völlig anders. „Da habe ich erst gemerkt, wie viele unterschiedliche Geschmäcker es geben kann. Ich fand es sehr interessant, dass man aus den immer gleichen Zutaten so viele verschiedene Sorten machen kann."
Eine Frau hält ein Bierglas hoch und lächelt in die Kamera
Sylvia Gidom im Ladengeschäft ihrer Brauerei Hoppen un Molt in Warnemünde. © IHK zu Rostock
Das Ehepaar lebte zudem lange in Berlin, wo sich nach und nach auch die Craft-Beer-Szene etablierte – um Einiges früher als in Mecklenburg-Vorpommern. Als das Paar schließlich nach Rostock zog – beide stammen ursprünglich aus MV – musste es also erst einmal auf den neu entdeckten Biergenuss verzichten. „Wir haben uns dann zum Spaß eine kleine Anlage gekauft, mit der wir 50 Liter brauen konnten”, erzählt Sylvia Gidom.

NDR-Beitrag gibt Anstoß zur Firmengründung

Daraus ein großes Geschäft machen wollten die beiden aber zunächst nicht. Beide arbeiteten in Vollzeitjobs, sie als Projektleiterin bei einer Marketingagentur, er als Lektor beim Hinstorff Verlag. Als der Verlag einen Brauereiführer für MV herausbrachte, betreute Henry Gidom diesen. Die nötige Expertise brachte er mit, da er in Berlin zur Geschichte der dortigen Brauereien promoviert hatte. Als der NDR den Autor des Mecklenburger Brauereiführers und seinen Lektor interviewte, berichtete Henry Gidom ganz nebenbei von seiner kleinen Hobbybrauerei. Damit war die Idee für einen nächsten Fernsehbeitrag geboren.
Um ihre selbst gebrauten Biere möglichst gut zu präsentieren, entwickelte das Paar in den Wochen bis zum Dreh richtige Etiketten und eine Webseite. „Im gleichen Zeitraum saßen wir in einer Kneipe in Warnemünde und der Besitzer sagte uns, er würde unser Bier auch verkaufen. Kurz danach haben wir die Firma angemeldet."

Ladengeschäft ebnet Weg aus persönlicher Krise

Nach diesem Startschuss kamen nach und nach immer mehr Anfragen, die die beiden mit zwei kleinen 50-Liter-Brauanlagen bedienten – neben ihren 40-Stunden-Jobs. Während dieser Phase kämpfte Sylvia Gidom mit einer tiefen Krise. Der Druck in ihrem Marketingjob und der Anspruch an ihre eigenen Leistungen führten zu großen gesundheitlichen Problemen, erzählt sie. „Ich musste mir professionelle Hilfe suchen, um das zu bewältigen. Als schließlich in der Alexandrinenstraße in Warnemünde das Geschäft frei wurde, habe ich das als Chance gesehen, neu anzufangen.” Sie fasste den Entschluss, zu kündigen und den Laden zu managen.
Wir wollen nicht enorm groß werden. Dann wäre es nicht mehr das, was wir ursprünglich im Sinn hatten. So ist es genau richtig.

Sylvia Gidom, Mitgründerin der Brauerei Hoppen un Molt

Das Konzept sei angelehnt an eine ganz andere Trinkkultur als sie hierzulande üblich ist, erzählt die Unternehmerin. „In Italien zum Beispiel steht man draußen zusammen, mit echten Gläsern und genießt gemeinsam Getränke. Das wollte ich hier auch einführen.”
Im Geschäft stehen die unterschiedlichen Biere von Hoppen un Molt zum Verkauf. Unter anderem im Sortiment: Pale Ale, Pils, dunkles Lager und auch Klassiker wie Weizenbier. Immer wieder gibt es aber auch Sonderbiere, die sich laut der Expertin vor allem für die Lagerung im Fass eignen. „Für Brauer sind die Fassbiere besonders interessant, weil sie sich da sehr gut ausprobieren können. In der Saison wechseln die Biere teilweise täglich bei uns. Im Sommer ist zum Beispiel das Mangobier sehr beliebt.”

Regionalität und Flair statt Expansion

Im Laden verkauft werden zudem Getränkspezialitäten anderer Hersteller – alle aus der Region, wie Sylvia Gidom betont. Ihre eigenen Produkte gibt es auch an anderen Stellen zu kaufen, auch hier treffe sie eine bewusste Auswahl. Der Bezug auf die Regionalität und das gemütliche Flair sind der Unternehmerin und ihrem Mann wichtig. Gehe es nach der Nachfrage, könnten sie alles richtig groß aufziehen. „Aber das wollen wir nicht. Dann wäre es nicht mehr das, was wir ursprünglich im Sinn hatten. So ist es genau richtig.”
Das bedeutet aber keinesfalls Stillstand. Für die Zukunft stehen unter anderem kleine personelle Veränderungen an, um Sylvia Gidom genauso wie ihren Mann zu entlasten. Außerdem soll es künftig ein bisschen mehr Kultur geben. „Den Laden könnte man dafür sehr gut nutzen, da ist viel Potenzial und ich habe Lust darauf. Mal sehen, was wir uns da einfallen lassen”, sagt sie. Dabei lacht sie und fügt hinzu: „Das hier war meine letzte Chance, zu heilen. Und ich bin hier drin auch wirklich geheilt. Vor fünf Jahren war vieles schlimm und jetzt ist alles gut.”

Dr.Maria Schneider-Reißig