Januar 2025 | Fachkräftesicherung

New Work mit Jugendlichen

Die Unternehmerin Juliette Oppel hat sich mit einer Online-Agentur selbstständig gemacht. Die Inhalte ihrer Arbeit hat sie nun einer Schülerin und einem Schüler in einem reinen Onlinepraktikum vermittelt.

Herausfinden, welcher Typ man ist

Die Arbeitswelt von heute ist nicht mehr vergleichbar mit der vor zehn oder fünf Jahren. Vor allem die weit verbreitete Option des Homeoffice hat die Möglichkeiten für Arbeitnehmer und -geber verändert. Die Unternehmerin Juliette Oppel hat diese neue Arbeitswelt nun zwei Schülerpraktikanten vermittelt. Die 41-Jährige hat sich 2022 mit ihrer Agentur Molloy Business selbstständig gemacht. Ihre Kernleistungen: Online-Business-Management und Social-Media-Marketing mit einem besonderen Fokus auf die Plattform Pinterest. Ihre Arbeit erledigt sie komplett digital.
Oft wird Onlinearbeit als heiliger Gral dargestellt. Für mich trifft es zu, aber für andere Menschen nicht. Im Praktikum können die Jugendlichen herausfinden, welcher Typ sie sind.

Juliette Oppel, Unternehmerin

Durch zwei persönliche Kontakte hat Juliette Oppel Anfragen für ein Praktikum bekommen – und gleich die Chance genutzt, die in der Onlinewelt üblichen Arbeitsstrukturen zu vermitteln. „Wenn man so in dieser Bubble ist, dann wird das oft als heiliger Gral dargestellt. Für mich persönlich trifft es zu, aber für andere Menschen nicht. Im Praktikum können die Jugendlichen herausfinden, welcher Typ sie sind“, erklärt sie ihre Motivation. „Ich hatte mir im Vorfeld keinen festen Plan zurechtgelegt, sondern die beiden ihren Stärken entsprechend gefördert und gefordert. Nach den ersten Arbeitsproben war bei beiden klar, wo ich ansetzen musste.“

Anspruch und Vertrauen

Einer der Praktikanten war Landolf Dehn. Der 15-Jährige geht in die 9. Klasse der Europaschule Rövershagen. Während des Praktikums hatte er unter anderem die Aufgabe, den Audioblog von Molloy Business mit Videos zu unterlegen. „Am Anfang habe ich vor allem viel über die technischen Hintergründe gelesen“, erzählt er. Juliette Oppel hat mit ihm in täglichen Onlinemeetings alles durchgesprochen und ihm alles erklärt. „Bei Landolf stellte sich schnell heraus, dass er großes Interesse und Talent für die technische Seite des Jobs hat“, berichtet sie.
Für Landolf war die Art des Praktikums genau die richtige, wie er selbst sagt. „Ich bin nicht der Typ, der in Gruppen, die er nicht kennt, aufgeschlossen ist. Das Soziale, was man in anderen Praktika durch Kollegen hätte, hat mir nicht gefehlt.“ Zudem sei es schön gewesen, dass zwar viel Disziplin erforderlich gewesen sei, aber es auch genauso viele Freiheiten gab. „Ich fand es gut, dass ich mir meine Pausen einteilen konnte, wie ich wollte. Wichtig war natürlich, dass ich meine Aufgaben erledige, aber ich fand das Vertrauen ziemlich gut.“
Für Juliette Oppel war es wichtig, genau das rüberzubringen. Sie sagt: „Ich bin sehr anspruchsvoll und habe mir genau angeschaut, was geleistet wurde. Wenn ich das Gefühl gehabt hätte, meine Zeit wird verschwendet, dann hätte ich das offen gesagt. Aber die beiden haben gute Arbeit geleistet, haben es gut hinbekommen, eigenverantwortlich alles zu erfüllen.“

Intensive Betreuung

Die zweite Praktikantin war Latife Sadeqi. Sie lebt in Paderborn und ist dort Schülerin am Bonifatius-Zentrum, einer Schule für Spracherwerb und Integration. „Sie hat ein privates Instagram-Profil, auf dem sie regelmäßig Videos veröffentlicht. Sie kannte sich also schon aus mit Videoschnitt, der Erstellung von Grafiken und hatte generell ein sehr gutes Auge für Design“, sagt Juliette Oppel.
Während des Praktikums hat Latife Grafiken für Pinterest erstellt, einen Instagram-Weihnachtskalender vorbereitet und weitere Videos erstellt. Auch sie hat täglich mit Juliette Oppel über Videocalls gesprochen. „Ich habe mich sehr gut betreut gefühlt. Sie hat sich sehr viel Zeit für mich genommen“, sagt Latife. Das habe sie auch gebraucht, sagt sie. Denn ein Onlinepraktikum bedürfe sehr intensiver Betreuung, da die Vermittlung der Inhalte und Aufgaben Kreativität erfordert und nur digitale Kommunikationsmittel zur Verfügung stünden.
Die Schülerin hat den Vergleichswert: Sie hat schon andere Praktika absolviert. „Ich habe deswegen ein Onlinepraktikum gemacht, um die Vor- und Nachteile zu meinen bisherigen Erfahrungen kennenzulernen. Dabei interessierte mich besonders, ob es mir schwerfällt, meine Komfortzone zu verlassen“, sagt sie. Das selbstständige Arbeiten habe viel Disziplin erfordert, genau dieser Herausforderung wollte sie sich stellen.
Ihr Fazit für die Zukunft: „Ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, zukünftig in diesem Bereich tätig zu sein, da es hier keine Grenze zwischen privatem und beruflichem Interesse gibt.“

Hohe Ansprüche an die Leistung der Schüler

Für Juliette Oppel ist klar: Das Experiment Onlinepraktikum war erfolgreich. Sie konnte Inhalte vermitteln und die beiden Jugendlichen an moderne Arbeitsmethoden heranführen – was auch für sie selbst anspruchsvoll gewesen sei, gibt sie zu. „In vielen Schülerpraktika geht es ums Kaffeekochen oder Aufräumen. Das geht bei mir durch die Art der Arbeit sowieso nicht, also musste ich mir wirklich etwas überlegen und dann auch mit Rat und Tat zur Seite stehen.“
Ich würde es gut finden, wenn Onlinearbeit auch in der Berufsausbildung berücksichtigt werden würde.

Juliette Oppel

Den Umgang mit Jugendlichen kennt Juliette Oppel gut. Bei ihrem früheren Arbeitgeber war sie Azubibeauftragte. „Mir hat das Spaß gemacht. Ich habe nie verstanden, warum sie als Belastung empfunden wurden.“ Diese Erfahrungen nun im Rahmen des digitalen Praktikums anzuwenden sei für sie sehr erfüllend gewesen. In erster Linie sei dieses Angebot dazu da, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, herauszufinden, ob Onlinearbeit etwas für sie ist. „Ich würde es gut finden, wenn das auch in der Berufsausbildung berücksichtigt werden würde.“
Christina Milbrandt