Fokus Wettbewerbsfähigkeit? – Wie die EU die Wirtschaft stärken will
Die Wettbewerbsfähigkeit ist als Leitmotiv der „Kommission von der Leyen II“ ausgerufen geworden. Nach der Green-Deal-Politik und ihrer Welle an bürokratischen Gesetzesinitiativen in der letzten EU-Amtszeit stehen nun die Zeichen auf Vereinfachung. Das ist dringend nötig: Die deutsche Wirtschaft schwächelt wie schon lange nicht mehr. Indikatoren für Aufschwung, wie Investitionen und Exporte, gehen weiter zurück. Die sich zuspitzenden Handelskonflikte mit wichtigen Partnern wie den USA und China tun ihr Übriges, um die Märkte in Europa und insbesondere Deutschland zu schwächen.
Freya Lemcke, Leiterin der DIHK-Vertretung bei der Europäischen Union.
Um die europäische Konjunktur wieder anzukurbeln, hat Brüssel nun Initiativen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit vorgestellt. Der „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ soll Strategien aufzeigen, um Innovationslücken zu schließen, Abhängigkeiten zu verringern und Klimaschutz mit Wettbewerbsfähigkeit zu vereinen. Ende Februar folgte ein Maßnahmenpaket mit dem Namen „Clean Industrial Deal“. Für die Wirtschaft relevant darin sind unter anderem: Aktionspläne für bezahlbare Energie und die Automobilindustrie, ein Beschleunigungsgesetz zur Dekarbonisierung der Industrie sowie ein EU-Wettbewerbsfähigkeitsfonds.
Doch führen diese Vorschläge zu einem echten Politikwechsel? Viele Ziele sind hier richtig, entscheidend wird jedoch sein, welche Instrumente zur Umsetzung genutzt werden: In den letzten Jahren wurden von der EU vermehrt Methoden vorgeschlagen, die wir in der Vergangenheit bei unseren Handelspartnern kritisiert haben – die Subventionierung spezieller Branchen, Lokalisierungsvorschriften bei der öffentlichen Beschaffung, Vorgaben zu lokaler Mindestproduktion zur Förderung der Rückverlagerung von Produktion in die EU. Diese Ansätze, die stark in die Märkte und Unternehmen eingreifen, sind noch nicht vom Tisch, würden aber nicht zu einer Stärkung des Standorts Europa in seiner Breite führen. Europa braucht eine konsequente Standortpolitik, keine Zielvorgaben für Mindestproduktion in der EU.
Schließlich will die EU-Kommission auch den Bürokratieabbau ernsthaft angehen. In Form von Vereinfachungsgesetzen (sog. Omnibuspaketen) sollen bestehende Gesetze zum Beispiel im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung erst vertagt, dann in Schnellverfahren maßgeblich praktikabler gestaltet werden.
Werden die Omnibus-Vorschläge so umgesetzt wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, ist das ein Schritt in die richtige Richtung – allerdings nur ein erster Schritt. Darüber hinaus müssen bestehende unnötige Bürokratie systematisch abgebaut und neue von vornherein vermieden werden: Weg von einer kleinteiligen Überregulierung und ex-ante Berichtspflichten für alle und hin zu einem verhältnismäßigen, vertrauensbasierten Regulierungsansatz. Dieser grundsätzliche Kurswechsel wird viel Arbeit verlangen – in Brüssel und auf allen Verwaltungsebenen -, ist aber unumgänglich, wenn Europa für Wirtschaft attraktiv bleiben will.
Freya Lemcke, Leiterin der DIHK-Vertretung bei der EU.
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Tobias Klein