Ohne Blick über den Tellerrand geht es nicht
Dienstleistungen sind ein besonders bedeutender Teil der Wirtschaft. Nicht nur regional, sondern bundesweit. Laut aktueller betriebswirtschaftlicher Zahlen liegt ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt zwischen 68 und 72 Prozent. „Es gibt immer kleine Schwankungen, aber in diesem Bereich befinden wir uns immer”, sagt Prof. Marc Linzmajer von der Universität Rostock.
Linzmajer ist im Oktober 2023 nach Rostock berufen worden und leitet seitdem den Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre: Dienstleistungsmanagement. „Anhand der Bruttowertschöpfungskette im Land kann man ermitteln, dass es in Deutschland etwa 2,5 Millionen Dienstleistungsunternehmen gibt”, sagt Linzmajer. „Demnach ist es der bedeutendste Sektor für die Bundesrepublik und Europa.”
Prof. Marc Lanzmajer leitet den Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre: Dienstleistungsmanagement an der Universität Rostock.
Teilbereiche schwierig voneinander abgrenzbar
Diese Rechnung aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre bezieht neben klassischen Service- und Beratungsunternehmen auch den Handel, das Gastgewerbe und die Hotellerie mit ein. Die IHK betrachtet die Wirtschaftszweige getrennt voneinander. Charakteristisch für die Dienstleistungsbranche ist ihre Heterogenität, sagt Katja Riebe, Dienstleistungsreferentin bei der IHK zu Rostock. „Sie setzt sich aus den verschiedensten Bereichen unterschiedlichster Bedürfnisse zusammen. Folglich ist jede Beratung individuell und reicht vom Hundefriseur über das Bewachungsgewerbe bis zu IT-Dienstleistern.” Dadurch seien die verschiedenen Bereiche manchmal schwierig voneinander abzugrenzen. So seien fertigungsnahe industrielle Servicearbeiten ebenso Dienstleistungen wie für manchen eine gute Beratung in einem Modegeschäft oder die Bedienung im Restaurant.
2024 hat Katja Riebe insgesamt 60 intensive Beratungen durchgeführt. Zu den nachgefragten Themen gehörten vor allem die Gründungserstberatung, der Branchenüberblick und die Unternehmensnachfolge. „Dabei freut mich besonders, dass der Frauenanteil der beratungsinteressierten Personen steigt”, sagt Katja Riebe. Bei der Erstberatung liege der Frauenanteil bei fast 40 Prozent, bei der Branchenberatung seien es 60 Prozent und beim Thema Unternehmensnachfolge fast 30 Prozent.
Katja Riebe ist Dienstleistungsreferentin bei der IHK zu Rostock
Megatrends wie KI und Nachhaltigkeit als Kompass für die Forschung
Prof. Linzmajer beschäftigt sich in seiner Forschung mit Effekten, die Dienstleistungen in der Praxis beeinflussen. Die Fragestellungen, denen er gemeinsam mit seinen Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitern nachgeht, orientieren sich in der Regel an aktuellen Megatrends. „Das Thema Nachhaltigkeit spielt zum Beispiel eine große Rolle“, sagt Linzmajer.
„Wir befassen uns unter anderem mit dem Phänomen der kostenlosen Retoure bei Onlinebestellungen. Dabei versuchen wir herauszufinden, wie Unternehmen ohne dieses Mittel zur Kundenbindung auskommen – und die Kunden trotzdem zufriedenstellen können, indem sie den Nachhaltigkeitsaspekt in den Vordergrund stellen.“ Auch Künstliche Intelligenz und die Frage danach, wann diese in Dienstleistungsbereichen Akzeptanz findet, spiele eine große Rolle bei seiner Arbeit.
Zusammenarbeit zwischen Forschenden und regionalen Unternehmen
Der praktische Ansatz ist dabei entscheidend, betont Linzmajer. „Heute testet man Thesen und Fragestellungen nicht mehr nur mit Experimenten. Die Effekte müssen in der echten Welt repliziert werden.“ Deswegen ist der Professor auf der Suche nach regionalen Unternehmen, mit denen er die Theorie in die Praxis verlagern kann. „Das bringt auch sehr gute Erkenntnisse für die Betriebe.“
Erfahrungen hat Linzmajer in diesem Bereich schon gesammelt: Auf seiner früheren Stelle an der Universität St. Gallen arbeitete er eng mit der Edeka-Gruppe zusammen, unter anderem im Rahmen einer dreijährigen Studie zur Erforschung emotionalisierter Werbung. Aktuell sei er unter anderem dabei, Kooperationen mit Cafés in der KTV anzubahnen.
Heute testet man Thesen und Fragestellungen nicht mehr nur mit Experimenten. Die Effekte müssen in der echten Welt repliziert werden.Prof. Marc Lanzmajer
„Grundsätzlich ist der Studiengang Dienstleistungsmanagement viel interdisziplinärer als früher. Ohne den Blick über den betriebswirtschaftlichen Tellerrand geht es nicht.“ Dieser sei nötig, weil die psychologische Komponente im Bereich der Dienstleistungen einen sehr großen Stellenwert einnehme.
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Katja Riebe