Juni 2023 | Regionale Unternehmen

»Man bekommt so viel zurück«

Wenn Margret Peters sich auf den Weg zur Arbeit macht, liegen die meisten Menschen noch in den Federn. Fast jeden Morgen klingelt um 3.30 Uhr ihr Wecker. Die 58-jährige Rostockerin arbeitet in der Hauswirtschaft. Zu ihren Kunden gehören neben Privathaushalten auch diverse Arztpraxen, die sie sauber macht, bevor das Tagesgeschehen losgeht. Danach geht es zu den privaten Wohnungen und Häusern, wo sie oftmals schon sehnsüchtig erwartet wird. „Zu meinen Kunden gehören auch sehr betagte Menschen, die sich freuen, wenn ich vorbeikomme“, erzählt Margret Peters. 
Margret Peters ist seit 20 Jahren selbstständig. © Mathias Rövensthal
Durch ihre Zuverlässigkeit und ihre herzliche Art hat sich Margret Peters einen großen Kundenstamm aufgebaut, zu dem das Verhältnis oft über die Arbeit hinausgeht. Dass es einmal so kommt, damit haben sie und ihr Mann nicht gerechnet, als sie vor 20 Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. „Ich habe vorher zwei Jahre in einer Hauswirtschaftsfirma gearbeitet. Dann wurde ich dort gekündigt und zum selben Zeitpunkt wurde in Deutschland die Ich-AG eingeführt.“ 
Mit dem Programm konnten Arbeitslosengeldempfänger mit Hilfe des Existenzgründerzuschusses ein Einzelunternehmen gründen. Als Margret Peters darauf aufmerksam wurde, war die Fördermethode noch so jung, dass selbst die einschlägigen Beratungsstellen noch auf unsicherem Terrain waren. Doch nach anfänglichen bürokratischen Hürden, konnte sich die Rostockerin eine neue Existenz aufbauen. „Mein Mann hatte Angst, dass ich keine Kunden bekomme. Ich dagegen eher vor der Bürokratie, die zur Selbstständigkeit dazugehört.“ 
Sie macht das ganz allein seit so langer Zeit, jammert nie und hat sich einen guten Namen gemacht – davor ziehe ich jeden Tag den Hut.

Arno Peters, Ehemann

Beide „Baustellen“ gingen die Peters‘ aber so tatkräftig an, dass sich daraus gar nicht erst Probleme entwickelten. Um Kunden zu gewinnen, druckten sie Handzettel, die sie in Einfamilienhaus-Siedlungen verteilten. So sei sie auf eine Ärztin gestoßen, die Bedarf in der Praxis und bei sich zu Hause hatte. Danach entwickelte sich alles im Schneeballsystem. Mittlerweile führt sie ihre Arbeit auch in den Landkreis bis nach Beselin, Pastow und Elmenhorst. 
Für die Buchhaltung ist Ehemann Arno zuständig. Der 62-Jährige ist aus Krankheitsgründen nicht berufstätig und unterstützt seine Frau vom Schreiben der Rechnungen bis zu den Fahrten über die Stadtgrenzen hinaus. „Er ist mein Chauffeur und mein Koch“, lacht Margret Peters. Auch bei den Kunden ist Arno Peters so bekannt wie seine Frau, übernimmt auch mal die eine oder andere Gehwegreinigung.
Er war es auch, der die WIR-Redaktion auf seine Frau aufmerksam machte. Schon Anfang 2023 meldete er sich per Telefon, um das 20. Jubiläum ihrer Selbstständigkeit am 1. Juli für eine kleine Meldung in der IHK-Zeitschrift anzumelden. „Sie macht das ganz allein seit so langer Zeit, jammert nie und hat sich einen guten Namen gemacht – davor ziehe ich jeden Tag den Hut“, sagte er damals. Nach einem längeren Gespräch war die Kurzmeldung zum Jubiläum Geschichte – und eine neue Titelstory geboren. 
Margret Peters wusste davon zunächst nichts, es sollte eine Überraschung sein. Als sie von ihrem Mann erfuhr, dass durch seinen Anruf die Einzel- und Kleinunternehmer in den Fokus kommen und sie dabei eine zentrale Rolle spielen sollte, wurde es emotional, erzählt Arno Peters. 
Auch beim Interview zu Hause bei Familie Peters wird deutlich, dass ihr Beruf für Margret Peters immer auch mit den Menschen und Emotionen zu tun hat. So hat sie zum Beispiel ihre älteste Kundin, die mittlerweile 97 Jahre alt ist, schon in den Peters’schen Schrebergarten mitgenommen und wurde selbst schon zu diversen Privatveranstaltungen eingeladen. „Wir gehören bei einigen zur Familie“, sagt Arno Peters. 
Manchmal überkommen mich Existenzängste.

Margret Peters

Die engen Bande zu ihren Kunden halfen ihr auch über schwierige Zeiten hinweg. Denn als ihr Mann Arno mehrere Wochen im Krankenhaus war, übernahmen die Kunden teilweise selbst die Fahrten, damit sie alle ihre Termine wahrnehmen konnte. Und auch während des Corona-Lockdowns ist für sie die große Krise ausgeblieben. „Alle meine Kunden haben mir die Treue gehalten“, sagt sie sichtlich emotional. „Es ist harte Arbeit, ja, aber man bekommt eben auch so viel zurück“, fügt sie hinzu. 
Ängste überkommen Margret Peters aber doch hin und wieder. In der Vergangenheit zum Beispiel, wenn es Probleme versicherungstechnischer Art gab. „Wir managen schon viel selbst, aber in solchen Fällen haben wir auch schon die Rechtsberatung der IHK in Anspruch genommen“, sagt Arno Peters. Noch größer aber sind die Sorgen um die berufliche Zukunft. „Manchmal überkommen mich Existenzängste und dann frage ich mich, was ist, wenn ich körperlich nicht mehr in der Lage bin, meine Arbeit in diesem Ausmaß zu machen“, sagt Margret Peters. Theoretisch müsse sie bis 67 durchhalten, sie habe aber ihre Zweifel, dass das reibungslos klappt. 
Fast jeden Tag steht Margret Peters noch vor dem Morgengrauen auf. Nach den langen Tagen findet sie Ausgleich beim Puzzeln. © Mathias Rövensthal
Fest stehe aber, dass sie so lange an ihrer Selbstständigkeit festhält, wie möglich. Ehemann Arno nickt bekräftigend. Am Tag des 20. Jubiläums organisieren die beiden ein Fest, um allen Kunden für die jahrelange Treue und Wertschätzung zu danken.
Christina Milbrandt