Juni 2023 | Regionale Unternehmen

Ein Herz für Pferde

Selbstständig – viele verbinden dieses Wort mit der Aussage: selbst und ständig. Nicht so Hedi Böttcher. Denn das klingt ihr zu negativ. Für sie bedeutet Selbstständigkeit Selbstbestimmtheit, und das obwohl sie sicher ständig als Kleinunternehmerin gefragt ist. Als Dentalpraktikerin für Pferde ist die 33-Jährige stets zur Stelle, wenn die Rösser ihrer Kunden Zahnprobleme haben. 
Ich hätte nie gedacht, dass ich der Typ dafür bin, selbstständig zu sein. In meiner Familie hat mir das niemand vorgelebt.

Hedi Böttcher, Dentalpraktikerin für Pferde

„Ich hätte nie gedacht, dass ich der Typ dafür bin, selbstständig zu sein“, sagt Hedi Böttcher aus Schwaan und ergänzt: „In meiner Familie hat mir das niemand vorgelebt.“ Und doch hat die junge Frau, die immer schon Pferdenärrin war, 2021 den Schritt gewagt. Die Arbeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb als Herdenmanagerin für Kühe machte sie nach zehnjähriger Anstellung damals nicht mehr glücklich. Sie wollte sich weiterentwickeln. „Ich habe deshalb mit Freunden überlegt, was gebraucht wird und da kam uns die Idee, dass das Dentalpraktiker für Pferde wären“, so die staatlich geprüfte Agrarbetriebswirtin.
Aber wie wird man Dentalpraktikerin für Hengste, Stuten, Fohlen und Co.? Hier musste Hedi Böttcher kreativ werden, denn eine Ausbildung im klassischen Sinne gibt es nicht und eine spezielle Studienrichtung ist auch nicht vorgesehen. „Man muss sich jemanden suchen, der das kann“, erzählt die Schwaanerin. Und so ist sie ein halbes Jahr als Praktikantin bei einem Dentalpraktiker für Pferde aus dem brandenburgischen Prenzlau mitgefahren. Außerdem absolviert sie über die Internationale Gesellschaft zur Funktionsverbesserung der Pferdezähne (IGFP), ein Zusammenschluss von Tierärzten und Nicht-Tierärzten, verschiedene Fortbildungen. „Eine Prüfung zur Pferdedentalpraktikerin nach IGFP werde ich dann auch machen, sobald ich genügend Erfahrung gesammelt habe.“
Praktizieren kann Hedi Böttcher aber schon und tut es auch. Nach eigenen Angaben hat sie etwa zehn Zahnbehandlungen pro Woche. Hinzu kommen rund 15 Hufbearbeitungen, mit denen sie zusätzlich Geld verdient. Das sei nicht so aufwendig in der Organisation, da dafür kein Veterinärmediziner notwendig sei. Den braucht sie allerdings für die Zahnbehandlungen, weil die Tiere für die Untersuchung sediert werden müssen.
Mittlerweile habe ich einen Pool aus Tierärzten, die mit mir zu den Kunden fahren.

Hedi Böttcher

Diese Tatsache war neben der eigentlichen Kundenakquise für die 33-Jährige die größte Hürde: „Tierärzte zu finden, die mit mir zusammenarbeiten wollen, war alles andere als leicht.“ Denn Zahnbehandlungen bieten die meisten Veterinärmediziner natürlich auch selbst an. „Ich habe sehr viele Klinken geputzt, aber mittlerweile habe ich einen Pool aus Tierärzten, die mit mir zu den Kunden fahren. Ich hoffe, dass sich die Lage mit der Absolvierung der Prüfung noch ein bisschen mehr entspannt“, sagt Hedi Böttcher.
Den Schritt in die Selbstständigkeit, den die Pferdedentalpraktikerin mit Eigenkapital und der Existenzgründungsförderung von der Agentur für Arbeit finanziert hat, bereue sie bisher nicht – auch wenn man mit dem Kopf immer bei der Arbeit sei und die Kunden auch abends und am Wochenende anrufen. „Wenn ich mal Urlaub mache, ist die Arbeit auch nur aufgeschoben und nicht aufgehoben, da ich keine Vertretung habe“, gibt sie zudem zu bedenken. Aber eine Festanstellung komme für Hedi Böttcher derzeit nicht in die Tüte. Das selbstbestimmte Leben ist ihr dazu zu sehr ans Herz gewachsen.
Karen Mühlbach