Internationale Wirtschaftsbeziehungen

Von der Familienfirma zum globalen Player

Mehr als 9.000 Projekte auf der ganzen Welt kann das Unternehmen Baltic Taucherei- und Bergungsbetrieb Rostock, hier auch bekannt als Baltic Taucher, für sich verbuchen.
Wenn Geschäftsführer Eyk-​Uwe Pap von der Gründungszeit Anfang der 1990er-​Jahre berichtet, ist diese Bilanz umso beeindruckender. „Mein Bruder und ich haben zusammen angefangen. Wir haben 1993 wirklich bei Null begonnen. Mehrere Monate lang haben wir im Auto geschlafen, weil wir bei Aufträgen kein Geld für Motels ausgeben konnten. Mein erstes Büro war in der Waschküche bei meinem Bruder zu Hause.“
Seitdem ist die Firma stetig gewachsen. „1994 haben wir unser erstes Schiff gekauft, ein Jahr später hatten wir unseren ersten internationalen Auftrag. In Frankreich haben wir einen Autocarrier geborgen“, erzählt Eyk-​Uwe Pap. Heute gibt es 48 fest angestellte Mitarbeiter, hinzu kommen genausoviele Subunternehmer, die das Unternehmen als Partner unterstützen.

Aufträge und Projekte auf allen Kontinenten

Die internationalen Aktivitäten des Unternehmens sind weit verzweigt. Die breit gefächerten Fähigkeiten der Baltic Taucher verschafften ihnen quasi auf jedem Kontinent Aufträge. Aktuell läuft die Bewerbung für einen Auftrag in Beirut, wo nach der verheerenden Explosion im Hafen Öl abgepumpt werden muss.
Besonders feste Bande hat Baltic Taucher nach Finnland und Estland. Mit Partnern aus beiden Ländern ist ein Verbund im Bereich Munitionsbergung geplant. So wolle man sich gegen die Niederlande, den aktuellen Weltmarktführer, behaupten. Auch mit norwegischen Unternehmen sind die Rostocker eng verbunden. Geplant ist unter anderem die Zusammenarbeit mit einem Anbieter für die Reinigung von Ballastwasser.
Eine der jüngsten Kooperationen ist gerade mit vietnamesischen Partnern beschlossen worden: ein Ausbildungsverbund. „Wir bieten eine duale Ausbildung für Berufstaucher und Roboterpiloten an. Allerdings fehlen uns die Bewerber. Früher gab es 300 im Jahr, heute sind es drei. Durch den Austausch mit Vietnam erhoffen wir uns mehr Nachwuchs“, sagt Eyk-​Uwe Pap. Der Geschäftsführer hat vor kurzem zudem auch eine Tochterfirma in Polen gegründet, die auf Munitionsbergung spezialisiert ist. „Wir wollen schauen, ob wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren damit Erfolg haben.“
MS BALTIC TAUCHER 2 at research platform Fino 1
Einsatz auf See © Baltic Taucherei- und Bergungsbetrieb Rostock GmbH
Brexit und Corona schädigen das Geschäft
International tätig zu sein, bedeutete in den vergangenen Monaten aber auch zahlreiche Einschränkungen hinzunehmen. Viele Aufträge platzten allein wegen des logistischen Aufwands. Eyk-​Uwe Pap: „Wir haben einige Offshore-​Projekte verloren. Allein deshalb, weil die kleinen Schlafkabinen der Schiffe die Hygieneregelungen nicht gewährleisten können. Die Aufträge gingen dann an Unternehmen, die sich größere Schiffe leisten konnten.“ Besonders kompliziert seien Festpreisprojekte gewesen, bei der sich die Auftraggeber auf die Umsetzung verlassen haben, egal unter welchen Bedingungen.
Am Ende habe vieles geklappt, sagt Pap. Ein Grund dafür ist auch die stringente Corona-​Politik des Unternehmens. Persönliche Kontakte gibt es nur im allernötigsten Fall und dann auch nur mit negativem Testergebnis aller Beteiligten. Alles andere wird digital abgewickelt. „Mittlerweile haben wir den großen Druck, der auf uns lastete, um 50 Prozent reduziert“, sagt Pap.
Aber nicht nur Corona sorgte für Komplikationen. Auch der Brexit hat einige Auswirkungen auf die Baltic Taucher. Grund dafür sind die bürokratischen Hürden bei der Lieferung von Waren. So muss jedes Bestandteil bis zum kleinsten Kabel umständlich mit Zoll-Identifikationsnummern und mehr gekennzeichnet werden. „Wenn dann auch nur eine Nummer nicht stimmt, hängen die Geräte teilweise wochenlang im Zoll fest. Das ist für beide Seiten nicht mehr wirtschaftlich“, sagt Pap.

Projekte in der Pipeline

Den Tatendrang des Unternehmers können diese Herausforderungen allerdings nicht bremsen. So gibt es aktuell diverse, in der Branche zum Teil revolutionäre Projekte, die das Team um Pap vorantreibt. Allen voran ein Robotersystem, das unabhängig von anderen Marken funktioniert. „Man muss sich das so vorstellen: Bei Apple passt nur das hauseigene Zubehör, genauso ist es bei Samsung. Das gibt es auch bei den Tauchrobotern. Wir wollen das umgehen, indem wir diese Independent-​Variante anbieten“, erklärt Eyk-​Uwe Pap. Entwickelt wird das System aber nicht in Rostock. „Wir suchen uns quasi die weltweit besten Komponenten. Bei uns läuft dann die Endmontage.“ Anfang Juni ist das Projekt, das vom Landeswirtschaftsministerium gefördert wird, offiziell gestartet.
Zudem wird das Serviceangebot des Unternehmens in Zukunft noch digitaler ausgerichtet. Derzeit arbeitet das Team, auch gemeinsam mit internationalen Partnern, an einem Remote-​System. Durch das Hochladen von Grafikmaterial können die Experten vom Hauptsitz aus auf Standortdaten in der ganzen Welt zugreifen. „Das ist weltweit so gut wie einmalig“, sagt der Geschäftsführer.

„Es gibt keine Fluktuation“

All diese Projekte bedeuten für Eyk-​Uwe Pap aber nicht, dass Masse über Klasse geht. Qualität stehe für alle im Team immer an erster Stelle. Schließlich sei das Produkt die beste Werbung für das Unternehmen. Die gute interne Zusammenarbeit sei die Voraussetzung dafür, so Pap. „Wir ziehen alle an einem Strang. Ein kleiner Familienbetrieb sind wir nicht mehr, aber dafür geht es sehr familiär zu. Es gibt keine Fluktuation, viele arbeiten hier schon seit über zehn oder 20 Jahren. Es macht sehr viel Freude, wenn man so lange mit den selben Leuten zusammenarbeitet und das Unternehmen vorantreiben kann.“
Christina Milbrandt 

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