26.04.2023

Im Landkreis spricht man noch miteinander, nicht übereinander

IHK-Gremium Lichtenfels tauscht sich mit Landrat Christian Meißner aus

Vielfältig waren die Themen bei einer Diskussion von Vertretern des IHK-Gremiums Lichtenfels mit Landrat Christian Meißner. Das Spektrum reicht von der Integration von Flüchtlingen über aktuelle Infrastrukturplanungen bis hin zum Bürokratieabbau.

Einmal mehr stand Meißner den Mitgliedern des IHK-Gremiums mit Wilhelm Wasikowski an der Spitze Rede und Antwort. An dem intensiven Austausch nahm auch der neu berufene IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfram Brehm teil.

Wirtschaft und Politik einig: Miteinander reden, nicht übereinander!

Der Austausch zwischen Wirtschaft und Politik ist wichtiger denn je, darin sind sich Meißner und Wasikowski einig. Einig sind sie sich aber auch darin, dass dieser Austausch im Landkreis Lichtenfels sehr gut funktioniert:

Integration von Flüchtlingen auch ein wichtiges Thema für die Wirtschaft

Ein Hauptthema, mit dem sich das Landratsamt aktuell in erster Linie auseinandersetzen muss, sind die wöchentlich eintreffenden Asylbewerber. "Die Suche nach Unterkunftsmöglichkeiten bringt uns immer mehr an unsere Grenzen", macht der Landrat deutlich.

Vor dem Hintergrund des Arbeitskräftemangels besteht unter den Anwesenden Einigkeit darüber, dass diese Zuwanderung durchaus Chancen bietet. Auch wenn anerkannte Asylbewerber mindestens die ersten drei Monate nach ihrer Ankunft für den deutschen Arbeitsmarkt gesperrt sind – eine bürokratische Vorgabe, gar nicht nach dem Geschmack von Landrat und Unternehmern – reiften in der Diskussion erste Ideen, wie der Übergang ins Arbeitsleben beschleunigt werden könne.

Landratsamt und Wirtschaftsvertreter wollen sich regelmäßig austauschen

Zeitnah wollen sich Vertreter von Landratsamt und Unternehmen zusammensetzen, um Wege zu finden, wie bereits während dieser Wartezeit ein erstes Matching erfolgen könne. Ziel sei es, dass die Stellensuche nicht erst nach der dreimonatigen Wartefrist erfolge, sondern schon früher starten könne.

Sebastian Leicht, Geschäftsführer von easy2cool, hat positive Erfahrungen mit Asylbewerbern gemacht. "80 Prozent von denen, die bei uns angefangen haben, sind auch heute noch im Unternehmen", macht Leicht deutlich. "Gerade gemischte Gruppen funktionieren gut." Die Kommunikation erfolge Anfangs oft mit Händen und Füßen, im Laufe der Zeit immer mehr in deutscher Sprache. Andreas Poth, Geschäftsführer des Kurhotels an der Obermaintherme schlägt vor, bereits während der Zeit ohne Beschäftigungserlaubnis abzuklären, in welchen Berufsfeldern diese Menschen vor ihrer Flucht tätig waren. Auch Christian Werner, Geschäftsführer der Lebensmittelmärkte Werner, unterstützt diese Ansätze. Er hat ebenfalls mehrfach positive Erfahrungen gemacht. Er beobachtet allerdings regelmäßig, dass Leistung und Integrationswille bei unbegleiteten Jugendlichen oft stark nachlassen, wenn sie mit der Volljährigkeit ihre betreute Wohngruppe verlassen. Hier würde er sich über andere Lösungen freuen.

49 Euro-Ticket auch für den Intercity?

In Sachen Infrastruktur berichtet Meißner, dass mit dem Fahrplanwechsel im Winter der IC von Leipzig nach Stuttgart via Lichtenfels im Zweistundentakt verkehrt. Auch wenn er die Chancen dafür nicht sehr hoch einstuft, ist er mit Klaus-Dieter Josel, dem Konzernbevollmächtigten der Deutschen Bahn AG für Bayern, im Austausch, ob entgegen der aktuellen Regelungen dieser Zug nicht auch mit dem 49 Euro-Ticket genutzt werden könne.

Kernthema bei der Verkehrsinfrastruktur bleibt der Ausbau der B173 und vor allem der Anschluss von Michelau an diese wichtige Verkehrsachse. Die rund einjährige Vollsperrung der LIF 13 werde für Unternehmen, Pendler und Einwohner eine große Herausforderung. Umso wichtiger sei es, dass die Umfahrungen zeitnah ertüchtigt werden. Meißner: "Eine wichtige Rolle kommt hier dem fristgerechten Bau des Kreisels an der Einmündung im Gewerbegebiet 'An der Zeil' in die Coburger Straße zu." Die Planungen dafür seien auf dem besten Weg.“

Für manche Unternehmensvertreter etwas überraschend schlägt sich der Landrat auf die Seite der Wirtschaft, wenn es um das Thema "Bürokratie" geht. Sicher gebe es auch im Landratsamt noch Prozesse, die beschleunigt werden können. Meißner verdeutlicht aber an verschiedenen Beispielen, dass viel passiert ist. "Besonders wichtig sind mir dabei zügige Baugenehmigungen", so Meißner.

Mit Bürokratieabbau in Berlin absolut unzufrieden

"Ich muss lachen, wenn ich höre, wie Berlin die Bürokratie abbauen will. Davon kommt bis jetzt auf Landkreisebene nichts an", kritisiert Meißner. Er macht aber auch deutlich, dass die Landkreise zunehmend an ihre Grenzen kommen.

Das zeige vor allem ein Vergleich mit Estland, wo seit Jahren 99 Prozent aller behördlichen Dienstleistungen komplett digital zur Verfügung stünden. Dies sei aber nur möglich dank eines einheitlichen "Tokens" für jedes Unternehmen und jeden Menschen. Nur so sei eine Verknüpfung aller Datenbanken verschiedener Behörden auf allen Ebenen möglich. Meißner: "Bis dahin gilt für uns im Landratsamt: Was digital geht, machen wir digital."

Auf breites Interesse stießen bei den Unternehmensvertretern, dass das alte Klinikum an einen Investor verkauft sei, der mit ähnlichen Projekten gute Erfahrungen gemacht habe. Meißner: "Ich bin deshalb zuversichtlich, dass sich hier in den kommenden Jahren etwas tut."

Zukunftsprojekt Regionalwerk Obermain

Ein weiteres Thema liegt dem Landrat auf dem Herzen, das "Regionalwerk Obermain", eine Anstalt öffentlichen Rechts, wo der Landkreis und die Kommunen ihre Aktivitäten in Sachen Energieerzeugung bündeln sollen, sei es bei der Photovoltaik, der Windenergie oder der Biomasse. Eine Beteiligung der Bürger sei ein wesentlicher Baustein. Meißner: "Bei der Energiegewinnung vor Ort wollen wir auch die Wertschöpfung vor Ort behalten." Die Umsetzung dieses Zukunftsprojektes soll über den Landkreis laufen. Die Finanzierung müsste dabei umlagefinanziert erfolgen. Hier sei letztendlich ein Treueschwur der Kommunen erforderlich. Eine Realisierung sei nur möglich, wenn diese mit im Boot sind.

"In der Politik geht es immer weniger um den Austausch von Argumenten, sondern nur noch um den Austausch von Positionen, weshalb solchen offenen Diskussionen wie heute eine besonders wichtige Rolle zukommt", bedankt sich Brehm beim Landrat.