Berufliche Bildung

Die duale Ausbildung muss sich ändern

Weniger verwirrende Vielfalt in den Ausbildungsberufen, ein modular aufgebautes System, das mehr individuelle Flexibilität erlaubt und an akademische Karrierewege anschlussfähig ist – dieses Bild einer modernisierten Dualen Ausbildung zeichnete sich während der Vorträge und Diskussionen beim IHK-Kongress „Zukunft Ausbildung gestalten“ deutlich ab. Unter diesem Motto trafen sich kürzlich mehr als 350 Fachleute aus Betrieben, Schulen und Institutionen im Stuttgarter IHK-Haus.
Ronja Ebeling
In diese Richtung weisen nicht nur die Wünsche der Unternehmen, wie eine Blitzumfrage ergab, die die IHK vor dem Kongress unter ihren Mitgliedern durchgeführt hatte. Darin spricht sich die große Mehrheit der rund 200 teilnehmenden Unternehmen für flexiblere Ausbildungsordnungen, weniger Ausbildungsgänge und mehr eigene Gestaltungsmöglichkeiten aus. Wenn man der Journalistin Ronja Ebeling und mehreren Diskussionsteilnehmern glauben darf, hegt die „Generation Z“ ganz ähnliche Vorstellungen.
Throsten Pilgrim, Michael Antwerpes
Dr. Thorsten Pilgrim (l.) mit Moderator Michael Antwerpes © IHK Region Stuttgart/Reiner Pfisterer
Denn das Lebensgefühl dieser von den Unternehmen heftig umworbenen jungen Generation ist Überforderung, so Ebeling bei ihrem Vortrag nach dem einleitenden Gespräch zwischen IHK-Vizepräsident Dr. Thorsten Pilgrim und Moderator Michael Antwerpes. Die Generation Z leide an einer nie gekannten Vielzahl an Entscheidungsmöglichkeiten, verstärkt noch durch die Digitalisierung und die sozialen Medien.


Überforderung prägt die „Generation Z“

Kira Geiss
Kira Geiss © IHK Region Stuttgart/Reiner Pfisterer
„Wir haben einen Informationsüberfluss und es ist manchmal ganz schön schwierig, dass man so viel machen kann“ bestätigte Kira Geiss, amtierende Miss Germany 2023 und selbst Angehörige der Generation Z. Bei vielen ihrer Altersgenossen entstehe so eine Abneigung, sich zu früh auf irgendeinen Lebensweg festlegen zu lassen. Zugleich sei ihrer Generation eine gute Stellung in der Gesellschaft sehr wichtig, so Geiss, und diese lasse sich scheinbar am besten mit einem akademischen Abschluss erreichen.
Eine für die duale Berufsausbildung eher ungünstige Ausgangslage, auch wenn diese im Ausland bewundert und hier und dort nachgeahmt wird – auch mit IHK-Hilfe. „Die Gesellschaft hat es verpasst, der Ausbildung ein besseres Image zu geben“, beklagte deshalb Annette Schwarz, Personalvorständin der Stuttgarter Straßenbahnen AG.
Batuhan Yakar
Batuhan Yakar © IHK Region Stuttgart/Reiner Pfisterer
Gut dass es auch Leute aus der Generation Z gibt, die von der Berufsausbildung überzeugt sind. Zum Beispiel Batuhan Yakar. „Jeder Beruf bringt etwas für die Gesellschaft, und man muss für sich persönlich herausfinden, was Sinn macht“, findet der Azubi, der bundesweit als das Gesicht der neuen IHK-Ausbildungskampagne auftritt – einer Kampagne, bei der die Unternehmen selbst mitmachen können.
Dass es aber wohl um mehr geht als Marketing allein, machten mehrere Teilnehmer klar. „Wir sind schon eine Weile dabei, das Image der Ausbildung zu verbessern und es kommt trotzdem nicht an“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführerin Dr. Susanne Herre. Wichtig sei deshalb, auch Struktur und Inhalte der Ausbildung zu modernisieren.

Reformansätze gibt es schon

Offensichtlich tut sich auch auf dieser Ebene einiges. Zum Beispiel haben für die Metall- und Elektroberufe der Arbeitgeberverband Südwestmetall und die Robert Bosch GmbH ein neues Ausbildungskonzept erarbeitet. Dessen Grundlinien erläuterte Dr. Wolf Bonsiep, Ausbildungsleiter bei Bosch und Vorsitzender des IHK-Berufsbildungsausschusses. Demnach soll die Vielzahl der Ausbildungsgänge in der Branche auf einige weniger Kernberufe reduziert werden, die in zwei Jahren eine „anspruchsvolle Grundausbildung“ vermitteln. Die Spezialisierung erfolgt durch ein Aufbaumodul im dritten Jahr, das die Unternehmen und die Auszubildenden nicht allein in der Berufsschule, sondern möglicherweise auch mit Hilfe weiterer Anbieter absolvieren können. Ganz im Sinne der „flexibleren modularen Aufstellung“, die Prof. Friedrich Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung in Essen, zuvor gefordert hatte. Laut Südwestmetall-Geschäftsführer Stefan Küpper soll das Modell nach den Vorstellungen seiner Urheber im Grundsatz bis 2026/27 bundesweit implementiert werden.
Christoph Kunz
Christoph Kunz © IHK Region Stuttgart/Reiner Pfisterer
Wie es auch aktuell möglich ist, junge Leute für eine Ausbildung zu begeistern, führte Christoph Kunz von Siemens Energy Global aus. Das Unternehmen umwirbt potenzielle Azubis ausschließlich auf digitalen Kanälen und kann auf diesem Weg 95 Prozent der Stellen besetzen. Seinen Auszubildenden bietet Siemens Energy feste Teams, vorwiegend projektorientiertes Arbeiten und eine angenehme Lernumgebung. Genau das sind laut Kunz die Faktoren, die der jungen Generation im Arbeitsleben wichtig sind.

Bundesweit einmalig: Ausbildung und Studium in einem

Duale Ausbildung und Studium müssen auch keine Gegensätze sein, wie Dr. Uwe Schwab von der IHK-Bezirkskammer Göppingen zeigte. Im integrierten Studiengang „Digital Engineering plus“ ist es dort möglich, binnen vier Jahren eine Ausbildung zum Fachinformatiker oder Mechatroniker und zugleich einen Bachelor als Ingenieur an der Hochschule Esslingen zu machen – ein Angebot, das bundesweit einmalig ist. 
Die Modernisierung der Ausbildung ist also bereits in Gang. IHK-Hauptgeschäftsführerin Herre ist das Thema so wichtig, dass sie am liebsten nicht bis 2026 auf Ergebnisse warten würde. „Entscheidend ist aber, dass sich etwas bewegt“, sagt sie. „Wir sind ja schließlich nicht naiv.“

IHK-Blitzumfrage zur Ausbildung
Teilgenommen haben rund 200 Ausbildungsverantwortliche der Unternehmen.

95 % halten die Berufe, in denen sie ausbilden für zukunftsfähig
72 % wollen spezielle Angebote für leistungsstarke Azubis
68 % halten einen modularen Aufbau der Ausbildung für sinnvoll
65 % würden Kombinationsmodelle, z.B. mit einem Studium, begrüßen
64 % hätten gern eine flexiblere ausbildungsordnung
60 % wünschen sich Basisberufe mit anschließender Spezialisierung