Magazin Wirtschaft

Die Pumpgun hat ausgedient

„Wachtmeister“ habe ich mich natürlich gemeldet, wenn ich als Student in unserer Notrufzentrale etwas dazuverdient habe. Viele Anrufer dachten ich will sie veralbern!
Aber obwohl unser Name ideal zur ­Branche passt, hat mein Vater den ­Betrieb „Industrie-Bewachung“ genannt, als er ihn 1962 gründete. Dabei ­haben wir nie nur Industrieunternehmen bewacht. Angefangen hat es zum Beispiel mit dem Merkur-Parkhaus in Stuttgart, später Horten. Richtig durchgestartet ist Vater aber mit dem Auftrag zur Bewachung des Eiermann-Areals für IBM ab 1968.

Schon vor der Geburt im Geschäft

Damals bin ich ins Geschäft eingestiegen, obwohl ich noch gar nicht auf der Welt war. Kein Witz! Auf Fotos sieht man meine Mutter hochschwanger auf dem IBM-­Gelände. Sie hat meinen Vater nämlich ­immer unterstützt. Zum Beispiel hat sie ihn gefahren, wenn er nachts von Einsatzort zu Einsatzort gefahren ist. So konnte er sich wenigstens etwas ausruhen. ­Außerdem hat sie als gelernte Steuerfachfrau die Buchführung übernommen.

Die Rentnerband ging für Vater durchs Feuer

Richtig eingestiegen bin ich 1995 nach meinem BWL-Studium. Vater und ich ­haben meistens gut zusammengearbeitet. Einmal hat es aber so richtig gekracht: Für ihn bedeutete Chef sein, täglich bei den Mitarbeitern draußen zu sein. Seine ­Rentnerband nannte er sie, und die ging für ihn durchs Feuer. Allerdings hatten sich die Zeiten geändert und ich war der Meinung, das Geschäft müsse auch gesteuert ­werden. Nach diesem Streit kam er nur noch zur Weihnachtsfeier her, wurde aber mein ­bester Berater. Leider ist er schon 2011 mit nur 70 Jahre gestorben.
Sie wollen James Bond, aber zum Lohn eines Wachmanns
Ein großes Problem unserer Dienstleistung ist, dass die Leute dafür nicht gern zahlen: sie wollen James Bond, aber zum Lohn eines Wachmanns. Das führt dazu, dass manche Wettbewerber ihr Personal nicht immer sehr sorgfältig auswählen. Wir sind da anders und schauen sehr genau hin. Machos nehmen wir nicht, sondern nur vernünftige Leute, die wir sorgfältig ­schulen. Deswegen ist in den 61 Jahren, in denen es uns gibt, nie ein Schuss gefallen und nie jemand zu Schaden gekommen.
Weil wir viel dafür tun, dass sich unsere 267 Mitarbeiter wohl und wertgeschätzt fühlen, weil wir pünktlich zahlen und Rücksicht auf persönliche Belange nehmen, sind wir meist ein bisschen teurer und verlieren deshalb immer wieder Aufträge. Aber man sieht sich zweimal im ­Leben: sehr viele Kunden kommen nach ein paar Fehlver­suchen zu uns zurück.

175.000 Aktenkartons von HP

In der Firmengeschichte sind wir fünfmal umgezogen, bis wir 1987 hier in Bad Cannstatt gelandet sind. Immer wurde der Platz zu klein – für die Fahrzeugflotte, aber auch für die Akteneinlagerung. Es gab Zeiten, da haben wir hier 175.000 Kartons mit Kundenakten eingelagert – hauptsächlich von HP.
Ein paar Jahre waren wir auch im Geldgeschäft tätig, haben Münzrollen produziert, Geldautomaten befüllt, Bargeld zu den ­Banken gebracht und Sortenrückführung durchgeführt, zum Beispiel Lira gegen D-Mark. Da durften unsere Fahrer sogar Pumpguns mitführen. Und jeden Morgen, bevor ich das Cash-Center betreten habe, habe ich eine Waffe eingesteckt. Aufregende Zeiten!
Dieses Geschäft haben wir dann aber kurz vor dem Euro verkauft. Darüber bin ich gottfroh, denn das war eine richtige Geldfressmaschine: großer Aufwand, wenig Ertrag.

10.000 Alarmobjekte werden überwacht

Unser Portfolio ist auch heute noch groß. Es reicht von der Sicherheit in Stuttgarter Freibädern über den Werk- und Objektschutz, bis zum Schießtraining - insgesamt um die 10.000 Alarmobjekte. Und 2023 ­haben wir die Gensic GmbH gegründet, um auch noch Arbeitssicherheit anzubieten.
Herzstück ist unsere Notrufzentrale, die auch den Handwerkernotdienst oder die Aufzugbefreiung einschließt. 1.400 Kunden ­haben wir zurzeit und setzen jährlich knapp 12 Millionen Euro um.

Familienbetrieb bleibt Familienbetrieb

In den letzten drei Jahren sind wir stark gewachsen. Ich weiß nicht, wo wir da die Bremse ziehen sollen. Denn wir wollen ein überschaubarer Familienbetrieb bleiben, wo jeder jeden kennt, einschließlich Partner und Kindern. Apropos Familenbetrieb: meine Schwester macht heute die Buchführung und zwei ihrer drei Söhne interessieren sich für die Nachfolge. Das hat zwar noch zehn Jahre Zeit, aber ich kann den Jungs auf jeden Fall mitgeben: das macht Spaß!
Aufgezeichnet von Dr. Annja Maga für Magazin Wirtschaft 1-2.2024